Chodowiecki

[85] Chodowiecki (spr. -wjetzkj), 1) Daniel Nikolaus, Maler und Kupferstecher, geb. 16. Okt. 1726 in Danzig, gest. 7. Febr. 1801 in Berlin, erhielt von seinem Vater, einem Kaufmann und enthusiastischen Kunstliebhaber, den ersten Unterricht in der Miniaturmalerei, lernte dann als Kaufmann in Danzig und Berlin, jede müßige Stunde für seine Kunst benutzend. Später gab er das kaufmännische Fach auf und widmete sich ganz dem Zeichnen und Malen, wobei er sich in der Zeichnung an die Werke von Watteau und Boucher, in der Malerei an die Berliner Künstler Haid und Rode hielt. Daneben malte er unablässig Miniaturbildnisse und versuchte sich auch 1756 in der Radierung. Durch mehrere kleine geätzte Blätter erregte er die Aufmerksamkeit der-Berliner Akademie der Wissenschaften, die ihm den Auftrag gab, die Bilder für den von ihr herausgegebenen Kalender zu fertigen. Dadurch und durch andre rasch folgende Aufträge machte er sich so bekannt und geschätzt, daß er 1764 zum Rektor, 1788 zum Vizedirektor und 1793 zum wirklichen Direktor der Akademie der bildenden Künste ernannt wurde. C. fand die Anerkennung seiner Zeitgenossen in reichem Maß; es erschien fast kein künstlerisch ausgestattetes Werk, zu dem er nicht mindestens eine Vignette lieferte. Von besonderer Bedeutung sind seine gestochenen Illustrationen zu Shakespeare und zu den deutschen Dichtern seiner Zeit, weshalb er den Ehrentitel »Illustrator unsrer Klassiker« erhalten hat. Die Zahl seiner Blätter beläuft sich auf mehr als 3000. Hervorzuheben sind: der Abschied des Jean Calas, nach des Künstlers eignem Gemälde; Friedrich II. und der Kronprinz auf der Heerschau zu Potsdam; der Tod des Herzogs Leopold von Braunschweig; General Zieten vor dem König sitzend; 12 Blätter zu »Minna von Barnhelm«; 12 Blätter zum »Don Quichotte«; die Blätter zu Lavaters »Physiognomischen Fragmenten«; 12 Blätter zum »Landprediger von Wakefield«; 13 Blätter zu Gellerts Fabeln; 8 Blätter zu Bürgers Gedichten; 12 Blätter zu Voltaires Schriften; 6 Blätter zu Schillers »Räubern«; 12 Blätter zu Yoriks »Empfindsame Reise«; 12 Blätter zu Shakespeares »Heinrich IV.«; 12 Blätter zum »Hamlet«; 12 Blätter zu Shakespeares »Lustigen Weibern von Windsor«; 12 Blätter zu »Coriolanus«; 12 Blätter zu Shakespeares »Sturm«; 12 Blätter zu »Macbeth«; 12 Blätter zu den Anekdoten von Friedrich II.; 6 Blätter zur »Luise« von Voß; 12 Blätter zur Geschichte des nordamerikanischen Freiheitskriegs; 12 Blätter Modetorheiten u. a. C. ist wegen der Wahrheit, Lebendigkeit und Laune, mit der er Figuren seiner Zeit darstellte, als der Gründer einer neuen Kunstgattung zu betrachten und in der naiven Unbefangenheit seiner Darstellung der Vorläufer der realistischen Genre- und Charaktermalerei des 19. Jahrh. Seine vorzüglichsten Darstellungen sind aus dem bürgerlichen Leben gegriffen. Überall zeigt er sich als tiefen Kenner des menschlischen Herzens und treffenden Sittenmaler, indem er bald das Laster mit den grellsten Farben schildert, bald die Torheiten der Zeit mit launigem Spott geißelt, und dies alles auf kleinem Raum. In kleinern Vignetten war er glücklicher als in größern Darstellungen, und in der ihm eigentümlichen Sphäre des gewöhnlichen Lebens wahrer und lebendiger als in den idealen Darstellungen. Die Berliner Akademie besitzt 100 Tusch- und Federzeichnungen des Meisters, darstellend seine Reise nach Danzig, mit Laune und Liebe entworfene Blätter (in Lichtdruck hrsg., Berl. 1882). Es gibt von ihm auch einige (unbedeutende) Ölbilder, deren zwei das Berliner Museum besitzt. Vgl. Jacobi, Verzeichnis von Chodowieckis sämtlichen Kupferstichen (Leipz. 1814); W. Engelmann, Daniel Chodowieckis sämtliche Kupferstiche (das. 1857, Nachträge 1860); v. Oettingen, Daniel C., ein Berliner Künstlerleben im 18. Jahrhundert (Berl. 1895); Kämmerer, Chodowiecki (Bielef. 1897); Focke, C. u. Lichtenberg (Leipz. 1901).[85] 2) Wilhelm, Kupferstecher, Sohn des vorigen, geb. 1765, gest. 1805, arbeitete, von seinem Vater gebildet, als Kupferstecher zu Berlin in dessen Manier mit solchem Erfolg, daß jener des Sohnes frappante Charakterzeichnungen unter seinem Namen veröffentlichte.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 85-86.
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