Limes [2]

[557] Limes (lat., »Grenze«; Pfahlgraben, Landwehr), ein ca. 550 km langer, unter Domitian (81 bis 96) begonnener, römischer Grenzschutz gegen die freien Germanen, ursprünglich mehr zur Sicherung gegen Räuber und Schmuggler als zur kriegerischen Verteidigung bestimmt, bestehend aus dem obergermanischen (L. Germanicus) und dem rätischen L. (L. Raeticus).

Karte des obergermanischen Limes.
Karte des obergermanischen Limes.

Der obergermanische L. (s. das Textkärtchen), ca. 370 km lang, beginnt bei Rheinbrohl am Rhein, läuft über Ems, Langenschwalbach, den Taunus, Butzbach, Grüningen, Groß-Krotzenburg (von hier bis zur Mündung der Mümling in den Main bildete dieser die Grenze), durch den Odenwald bis zum Zusammenfluß von Neckar und Kocher (sogen. Mümlinglinie) und an ersterm aufwärts bis Kannstatt. Dort, später bei Haghof, unweit Lorch an der Rems begann der L. Raeticus, 178 km lang, vom Volke der Pfahl oder die Teufelsmauer genannt, der in westöstlicher Richtung über Buch (südlich von Ellwangen), Gunzenhausen, Kipfenberg zur Donau bei Eining zieht (s. Karte »Germanien etc.«). Anfangs war es nur ein fortlaufender Palisaden- oder Flechtwerkzaun mit Holztürmen, Erdschanzen und einem verbindenden Kolonnenweg, während die zugehörigen gemauerten Kastelle weiter rückwärts lagen. Unter Hadrian (117–138) und Antoninus Pius (138–161) wurde der L. von der Mümling an südwärts um 20 bis 30 km nach O. vorgeschoben und lief nun am Main bis Miltenberg, über Walldürn, Osterburken, Jagsthausen, Öhringen, Murrhardt bis in die Nähe von Lorch. Dabei wurden die Kastelle an die Grenzlinie vorgerückt, die Holztürme durch steinerne ersetzt, auch steinerne Zwischenkastelle für einzelne Wachtdetachements (numeri) gebaut. Bei dem sich inzwischen immer mehr organisierenden Widerstande der Germanen, der dem Kaiser Caracalla schwere Kämpfe am Main kostete (213), ließ schon Commodus (180–192) die Kastelle der äußern Linie verstärken. Bald darauf trat auch an Stelle des Palisadenzauns ein wirksameres Schutzmittel. Längs der Provinz Germania wurde ein stattlicher Erdwall mit vorliegendem Spitzgraben ausgeführt, doch blieb die Palisadenwand vor dem Graben namentlich zur Abwehr von Reiterei bestehen. Längs der Provinz Rätia wurde dagegen an Stelle der Palisaden eine starke Mauer errichtet. Von beiden, dem Wall und der Mauer, sind allenthalben noch heute wohlerkennbare Reste in Wald und Feld erhalten, von Zeit zu Zeit begleitet von den Trümmerhügeln der Wachttürme, welche die seit Gallienus (260–268) unaufhaltsam vorbrechenden Germanen in Schutt und Asche gelegt haben. Die literarische Überlieferung aus dem Altertum über den L. ist überaus dürftig. Unsre Kenntnis verdanken wir hauptsächlich den Ausgrabungsarbeiten der seit 1892 bestehenden Reichslimeskommission; vgl. das »Limesblatt« (Trier 1893 ff.) und das von O. v. Sarwey, E. Fabricius und F. Hettner herausgegebene Werk »Der obergermanisch-rätische L. des Römerreiches« (Heidelb. 1895 ff.; bis 1905: 25 Lieferungen); ferner Fabricius, Entstehung der römischen Limesanlagen (Trier 1902) und Die Besitznahme Badens durch die Römer (Heidelb. 1905); E. Schulze, Die römischen Grenzanlagen in Deutschland (Gütersl. 1903). Seit 1897 hat sich auch in Österreich eine Limeskommission gebildet, welche die Fortsetzung des rätischen L. nach O. längs der Donau (pannonische[557] L.; mit einer fortlaufenden Kette von Kastellen und Wachttürmen, darunter drei Legionskastelle: Lauriacum [s. d.], Vindobona [Wien] und Carnuntum [Deutsch-Altenburg]) mit Mitteln der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften untersucht (vgl. »Der römische L. in Österreich«, Wien 1900–04, Heft 1–5). Auch in Ungarn und besonders in Rumänien ist man fleißig am Werke, die Untersuchung der römischen Donaugrenze in gleichem Sinne weiterzuführen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 557-558.
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