Dänische Sprache

[729] Dänische Sprache. Die dänische Sprache ist eine der drei skandinavischen Literatursprachen u. war anfänglich nur eine Mundart der gemeinsamen altnordischen Sprache, welche auch wegen des politischen Übergewichts der Dänen über die anderen Skandinavier damals auch Dönsk tonga (d. i. dänische Zunge), wie Norräna tunga genannt wurde. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich jedoch das Dänische zu einer eigenen selbständigen Sprache[729] entwickelt, welche sich gegenwärtig als die entartetste Tochter der altnordischen darstellt. Auf die Zersetzung der altskandinavischen Sprachformen wirkte schon frühzeitig die Berührung der Dänen mit den Angelsachsen bes. nach der Eroberung Englands durch Knut d. Gr.; doch sind nur wenige angelsächsische Wörter in den dänischen Sprachschatz eingedrungen. Weit nachhaltigeren Einfluß auf die Weiterentwickelung der Sprache übte jedoch das Deutsche in Folge nicht nur der Heereszüge der Waldemare, sondern auch der Hofhaltung deutscher Fürsten, welche den dänischen Thron erhielten, des lebhaften Verkehrs mit den Hansestädten, der Reisen u. Studien der Dänen auf deutschen Universitäten. Epochemachend wurde die Einführung der Reformation für die Geschichte der dänischen Sprache. Während ihr auf der einen Seite von Deutschland aus, wo die dänischen Theologen ihre Bildung erhielten, neue Begriffe u. zugleich auch viele deutsche Elemente zugeführt wurden, bildete sich auf der anderen Seite mit der trefflichen dänischen Bibelübersetzung die Grundlagen der heutigen dänischen Schriftsprache. Doch konnte die letztere, wegen des Gebrauchs des Lateinischen in der Wissenschaft, nicht zu voller Entwickelung gelangen, bis sie gegen das Ende des 17. Jahrh. mit der geistlichen Liederdichtung eine zweite Blüthezeit erlebte. Doch war auch diese nur von kürzerer Dauer, da sich die Alleinherrschaft des französischen Geschmacks wie in Deutschland so auch in Dänemark geltend machte u. der Sprache eine Unzahl von Gallicismen aufdrängte. Erst gegen Ende des 18. Jahrh. wurde es möglich, unter dem Übergewichte deutscher Bildung u. durch den reformatorischen Einfluß echt nationaler Dichter, wie besonders Ewalds, die französischen Fesseln abzustreifen. Vollendet wurde die selbständige Ausbildung des Dänischen zur nationalen Schriftsprache zu Anfang des 19. Jahrh. einestheils durch die Wiederbelebung der altnordischen Studien, anderntheils in Folge der meisterhaften Behandlung der Sprache durch Baggesen, Öhlenschläger, Grundtvig u. A. Das Dänische ist eine derjenigen Schriftsprachen, welche von einer verhältnißmäßig nur geringen Anzahl als nationale Sprache gesprochen wird. Alleinherrschend ist das Dänische auf den dänischen Inseln u. in Jütland (zusammen etwa 11 Mill. Seelen); in Schleswig wird es etwa von 200,000 gesprochen. Außerhalb des eigentlichen Dänemark ist das Dänische seit einem Jahrh. zu den Eskimos nach Grönland als Kirchensprache u. nach den westindischen Inseln St. Croix, St. Thomas u. St. Jean als Geschäftssprache verpflanzt. Als solche gilt sie auch noch auf den ehemaligen dänischen Factoreien in Guinea. Auf Island u. den Färöer wird es nur von dem gebildeteren Theil der Bevölkerung verstanden. Ein weiteres Gebiet besitzt es jedoch in Norwegen, wo es seit der Vereinigung dieses Landes mit Dänemark zur Schriftsprache wurde u. bis auf den heutigen Tag geblieben ist, während die allgemeine Geschäfts- u. Verkehrssprache (Norsk) in den Städten u. dem gebildeteren Theile der Landbevölkerung ein durch die norwegischen Mundarten stark modificirtes Dänisch ist. Neben der Schriftsprache bestehen im eigentlichen Dänemark noch mehrere Volksmundarten, welche man in 2 Gruppen ordnet; die erstere wird durch den Südseeländischen, den Nordseeländischen, den Fünenschen, den Langelandischen u. den Falstrischen Dialekt gebildet, wozu noch der eigenthümliche Dialekt von Bornholm tritt (der Dialekt Schonens ist seit Anfang des 17. Jahrh. in einen schwedisch-gothischen übergegangen); die zweite Gruppe umfaßt die Nordjütische od. Normannojütische im nördlichen u. westlichen Theil der Halbinsel, u. die Südjütische od. Danojütische Mundart, in Schleswig längs der Küste des Kleinen Belts. Das Alphabet ist dem deutschen gleich, nur hat es kein w u. z, außer in fremden Wörtern, dagegen noch æ (ä) u. ø (ö); auch wird das Dänische gewöhnlich mit deutschen Fracturbuchstaben geschrieben. Die Buchstaben haben meistens nur Einen Laut u. ist von der Aussprache nur etwa Folgendes als eigenthümlich zu bemerken: aa wird wie ein offenes o, æ wie ā, ø wie ō, y wie ü ausgesprochen, d ist lehr weich u. wird zuweilen gar nicht gehört, g lautet wie das oberdeutsche g in Gabe, Gott etc., theils wie j; v wie w, nach a u. o fast wie u. Die D. S. hat einen bestimmten Artikel, welcher an das Hauptwort angehängt wird, z.B. mand Mann, manden der Mann, skib Schiff, skibet das Schiff, im Plural mændene, skibene. Der bestimmende Artikel ist den, Neutrum det, u. wird gebraucht, wenn ein Adjectiv vor dem Substantiv steht, od. ein Relativum nachfolgt, z.B. den store mand, der große Mann, det skib. som er dabt, das Schiff welches verloren ist. Das Nomen hat nur 2 Geschlechter, ein gemeinschaftliches für Masculinum u. Femininum, u. ein sächliches; nur Eine Casusendung, nämlich für den Genitiv s: mands, skibs, mit dem bestimmten Artikel mandens, sbibets, Plural mændenes, skibenes; der Accusativ lautet wie der Nominativ; andere Verhältnisse werden durch Präpositionen ausgedrückt. Die Bildung des Plural geschieht auf mannigfache Art, theils durch die Endung e od. er, theils durch Ablaut, z.B. bord, Tisch, Plural borde, røst, Stimme, Plural røster, barn, Kind, Plural børn. Bei mehreren Substantiven ist auch der Plural dem Singular gleich. Die Comparation der Adjectiva geschieht wie im Deutschen, indem im Comparativ re od. ere, im Superlativ est angehängt wird. Die Zahlen sind 1 een, 2 to, 3 tre, 4 fire, 5 fem, 6 sex, 7 syv, 8 otte, 9 ut, 10 ti, 20 tyve. Die höheren Zehner über 40 steigen von 20 zu 20, z.B. 50 halvtre sindstyve (halbdreimalzwanzig), 60 tresindstyve (dreimalzwanzig) etc. Die persönlichen Pronomina sind jeg ich, du du, han er, hun sie. Im Verbum wird die Conjugation der einzelnen Tempora fast nur durch die vorgesetzten Pronomina gebildet, indem sich die Form des Verbum fast ganz gleich bleibt. Außer dem Präsens gibt es nur noch eine Form für das Präteritum Imperfectum, welches theils stark (durch Ablaut), theils schwach (durch die Endung de, te) gebildet wird, z.B. jeg skriver ich schreibe, jeg skrev ich schrieb, jeg elsker ich liebe, jeg elskede ich liebte. Andere Tempora werden durch Hülfsverba umschrieben. Eine besondere Form für den Conjunctiv existirt nicht, der Imperativ zeigt die bloße Wurzel: elsk liebe. Der Infinitiv endigt auf e u. hat gewöhnlich at (zu) vor sich: at elske lieben; das Participium endigt im Präsens auf ende, im Präteritum auf et: elskende liebend, elsket geliebt. Das Passivum wird durch ein angehängtes s gebildet: jeg elskes ich werde geliebt. Die D. S. hat wie die deutsche eine große Freiheit in [730] Zusammensetzungen; auch die Construction ist der deutschen ähnlich, nur einfacher. Der Genitiv wird vor das regierende Hauptwort, das Object nach dem Verbum gesetzt. Die älteste dänische Sprachlehre verfaßte Erik Pontoppidan (Kopenh. 1669), welchem P. Syv (1685) u. Hoysgard (1743, 1747), später Jak. Baden, Lange (1787), Tode (1797), ferner Tobiesen (2. Aufl. 1913), Nissen (lg 18), Abrahamson (1912) folgten; vorzüglich sind die Arbeiten von Bloch (1 818) u. Rask (2. Aufl. 1839, engl. von Repp, 1846), denen sich aus neuerer Zeit noch Bojesen, Bentzien (8. Aufl. 1854), Sörensen, Krossing u. A. anschließen. Das Dänisch-norwegische wurde von Knudsen (Kopenh. 1856) bearbeitet. Die Geschichte der dänischen Lexikographie beginnt mit Pedersens Vocabularium in usum Dacorum (1510), dem im 16. Jahrh. mehrere ähnliche Wörterbücher folgten. Diesen reihen sich an: Aphelen, I. Baden, Reisler, G. H. Müller (1800, bearbeitet von Guldsberg, 4 Bde., Kiel 1807). Das große Dansk Ordbog der dänischen Akademie (Bd. 1–7, Kopenh. 1793–1853) ist von Verschiedenen bearbeitet u. wird von Molbechs Dansk Ordbog (2 Bde. 1833, 2. Aufl. 1854 f.) übertroffen; dänisch-deutsche Wörterbücher von Amberg (1810), Bresemann (2 Bde., 1852–55) u. Grönberg (3. A. 2 Bde., 1846–51), das dänisch-französische von Borring (2 Bde., 1853–56), das dänisch-schwedische von Welander (2 Bde., 1846–49), das dänisch-englische von Ferral (2 Bde., 1845–54), das dänisch-holländische von Jäger (2 Bde., 1826–31). Ein Dansk Dialekt-Lexikon (Kopenh. 1841) lieferte Molbech; von demselben wurde auch ein Dansk Glossarium (1853 ff.) für die veralteten Wörter begonnen. Dyrland lieferte eine Udsigt over de danske sprogarter, Kopenh. 1857. Die synonymische Arbeit von Sporon (Eenstydige danske ords bemarkelse, 2 Bde., Kopenh. 1775–92, 2. A. 1807) wurde von P. E. Müller in der Dansk synonymik (2 Bde., Kopenh. 1829, 2. A. von Dahl, 1853), die älteren metrischen Schriften von Peder Jensen Roeskilde (1627), Ravn, Sören Poulsen (1671) durch Thortsens Forsög til en dansk metrik (2 Bde., 1833–34) weit übertroffen. Vorzügliche Arbeiten über die Geschichte des Dänischen lieferten Petersen (Det danske, norske og svenske sprogs historie, 2 Bde., Kopenh 1829–30) u. Molbechs Det danske sprogs historiske udvikling (1846). Den Sprachenkampf in Schleswig betreffen u.a.: Werlauff u. Outzen, Preisschrift, die D. S. im Herzogthum Schleswig betreffend (Kopenh. 1819, dänisch u. deutsch); Kohl, Bemerkungen über die Verhältnisse der deutschen u. dänischen Nationalität u. Sprache im Herzogthum Schleswig (Stuttg. 1847); Allen, Über die Sprache u. Volksthümlichkeit in Schleswig (dänisch, englisch u. deutsch), 1848; Derselbe, Geschichte der dänischen Sprache u. Nationalität im Herzogthum Schleswig, Kopenh. 1857.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 729-731.
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