Haynau

[117] Haynau, ein freiherrliches Geschlecht, welches aus der morganatischen Ehe des Landgrafen Wilhelm IX. von Hessen, nachmaligen Kurfürsten Wilhelm I., mit Rebecca, Tochter eines Apothekers Ritter, nachher Frau von Lindenheim genannt, entstammt. Den Namen H. erhielten sie von der Stadt Haynau in Niederschlesien, dem Geburtsort ihrer Mutter, wo Wilhelm, damals noch Erbprinz, in preußischen Militärdiensten stand, als er diese Ehe einging: 1) Freiherr Julius, geb. 14. Octbr. 1786 in Kassel, trat 1801 als Lieutenant in österreichische Dienste, wurde im Feldzuge 1805 bei Nördlingen schwer verwundet u. gefangen, 1806 Capitänlieutenant u. 1809 wirklicher Hauptmann. Beim Anfang des Feldzugs von 1813 zum Major befördert, errichtete H. das erste deutsche leichte Bataillon u. stand mit demselben während der [117] Feldzüge von 1813 u. 1814 bei der Armee in Italien, während des Feldzugs 1815 aber bei der Armee am Oberrhein. Er wurde 1823 Oberstlieutenant, 1830 Oberst u. Regimentscommandeur, dann Generalmajor, 1844 Feldmarschalllieutenant, 1845 Inhaber des Regiments Nr. 37 u. stand 1847 als Divisionär in Temeswar. Als beim Ausbruch des Kriegs in Italien 1848 die Armee am 22. Juli aus Verona vorrückte, erhielt H. das Festungscommando, am 28. Juli. das Commando des dritten Armeecorps u. die Überwachung der Belagerung von Peschiera. Nach dem Frieden schritt H. kräftig gegen die Ruhestörungen zu Bergamo, Brescia u. Ferrara ein, übernahm im März das Commando des im Lombardisch-venetianischen Königreiche zurückbleibenden zweiten Reservecorps u. unterwarf am 1. April das aufgestandene Brescia; am 1 k. April eilte er nach Mestre zur Belagerung Venedigs, wurde aber bald nach Wien u. am 30. Mai 1849, gleichzeitig unter Ernennung zum Feldzeugmeister, zur Übernahme des Obercommandos in Ungarn berufen; am 28. Juni schlug er die Ungarn bei Raab u. drängte sie in mehreren andern Gefechten hinter die Werke von Komorn, schlug einen von da aus am 11. Juli unternommenen Ausfall zurück u. rückte dann auf Pesth u. Ofen nach. Von der russischen Hauptmacht in Flanke u. Rücken gedeckt, wandte sich H. gegen Szegedin, überschritt die Theiß, schlug den Feind am 5. Aug. bei Szöreg, am 9. vor Temeswar u. entsetzte noch in dieser Macht die Festung. Am 8. Qeibr. ergab sich Komorn. Nach Beendigung des Kriegs wurde H. zum Militärcommandanten u. Statthalter von Ungarn ernannt, erhielt 1850 vom Kaiser eine reiche Güterschenkung in Ungarn, kurz darauf aber, angeblich weil er einen zu ausgedehnten Gebrauch seiner Vollmachten rücksichtlich der Begnadigung in Ungarn gemacht hatte, seine Enthebung von seinem Posten. Er trat alsbald eine größere Reise ins Ausland an u. hatte im Septbr. zu London in Barclay's Brauhaus mit dem dortigen Dienstpersonal, als der Unterdrücker der ungarischen Revolution, einen Auftritt. Nach seiner Rückkehr zog er sich nach Gratz zurück; von da reiste er 1851 nach Deutschland u. Frankreich, später nach Italien, um daselbst den Winter zu verleben, eilte aber auf die Kunde von dem Attentate auf den Kaiser von Österreich Anfang 1853 nach Wien, wo er am 14. März starb. Schönhals schrieb eine Biographie von ihm. 2) Karl von H., Bruder des Vorigen, geb. 1779, war kurhessischer Generallieutenant, wurde 1847 pensionirt u. übernahm durch kurfürstliche Verordnung vom 28. Septbr. 1850 den militärischen Oberbefehl während des Belagerungszustandes Hessens, doch trat er schon im November d. I. wieder zurück u. st. den 21. Jan. 1856 zu Kassel. 3) Friedrich Wilhelm Karl Eduard, Sohn des Vorigen, kurhessischer Generalmajor, seit Febr. 1850 kurhessischer Kriegsminister, wurde im September 1855 dieser Stellung enthoben u. zum Commandanten der Residenzstadt Kassel ernannt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 117-118.
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