Schlabrendorf

[199] Schlabrendorf, eine alte berühmte kurmärkische Familie, welche 924 vom Kaiser Heinrich I. bei Eroberung Brandenburgs nebst andern Geschlechtern in die Marken verpflanzt worden sein soll u. von dem Wohnsitz des Ritters Slabre, dem heutigen Rittergute Schlabrendorf bei Luckau in der Niederlausitz, ihren Namen annahm. Sie wurde 1597 in den Freiherren- u. 1772 u. 1786 in den Grafenstand erhoben, erhielt die Würde des Erb-Ober-Landbaudirectors im Herzogthum Schlesien u. den Besitz der minderfreien Standesherrschaften Münsterberg u. Frankenstein. Berühmt aus ihr sind: 1) Freiherr Otto, geb. den 18. Octbr. 1650 in Teltow, trat 1665 in brandenburgische Kriegsdienste, focht bei Fehrbellin, war bei der Einnahme von Wolgast u. wurde Hauptmann. Von den Schweden gefangen genommen, kehrte er erst 1676 zur kurfürstlichen Armee zurück, war dann 1677 bei der Belagerung von Stettin u. 1678 bei der Eroberung Rügens u. Stralsunds; 1679 focht er in Preußen gegen die Schweden, machte 1686 den Feldzug in Ungarn gegen die Türken beim brandenburgischen Hülfscorps mit, wurde 1587 Oberst, focht 1689 in den Niederlanden u. 1691 wieder gegen die Türken u. zeichnete sich bes. bei Salankemen aus; 1693 wurde er Generalmajor. Auch 1695 nahm er an dem Zuge gegen die Türken Antheil u. zeichnete sich bei Zenta den 1. Septbr. 1697 aus. Der Kaiser Leopold erhob ihn dafür in den Reichsfreiherrenstand; 1703 wurde er Generallieutenant u. Gouverneur von Küstrin, 1715 General der Infanterie u. starb am 18. Jan. 1721 in Groß-Machnow. 2) Ernst Wilhelm, geb. 4. Febr. 1719, war von 1755 bis zu seinem Tode dirigirender Minister in Schlesien, welche neue Provinz er nach Friedrichs des Großen eigner Anerkennung musterhaft verwaltete; er st. 14. Dec. 1769. 3) Gustav, Sohn des Vor., geb. 22. März 1750 in Stettin, studirte in Frankfurt a.d. O. u. Halle, bereiste Deutschland u. brachte 6 Jahre in England u. den Schottischen Hochlanden zu, kam noch vor Ausbruch der Französischen Revolution nach Paris, wo er Philosophie u. Sprachen studirte, wurde als Freund der Girondisten während der Schreckensregierung 1793 verhaftet, entging nur durch Zufall der Guillotine u. blieb bis zum 27. Juli 1794 (9. Thermidor) im Gefängniß. Napoleon ließ ihn als Sonderling unbeachtet, obgleich S. ganz gegen ihn eingenommen war u. dies unverholen gegen Jedermann aussprach. Er bewohnte, obgleich reich, ohne alle Bedienung ein kleines Zimmer, welches er nie verschloß u. sehr selten u. in den letzten 10 Jahren gar nicht verließ. Als Cyniker in seiner äußeren Erscheinung; war er der [199] Einsiedler von Paris; den größten Theil seiner Einkünfte verwandte er zu wohlthätigen Zwecken. Seine Theilnahme für die preußischen Kriegsgefangenen, welche er mehrmals durch bedeutende Summen unterstützte, erwarben ihm nach dem Einzuge der Verbündeten 1814 in Paris die Anerkennung der Alliirten. 1813 u. 1815 versuchte er vergeblich Paris zu verlassen, da man ihm Pässe nach Preußen verweigerte. Kurz vor seinem Tode ging er seiner Gesundheit halber auf das Land (unweit Paris) u. starb daselbst 22. Aug. 1824. Die Schrift: Bonaparte u. das französische Volk unter seinem Consulate, Köln 1804, 2 Bde., ist von ihm u. dem Kapellmeister Reichard herausgegeben; auch schr. er: Einige entferntere Gründe für die ständische Verfassung, 1816. Das Geschlecht zerfiel in der Folge in mehre Linien, von denen nur noch das Haus Seppau im Mannesstamme blüht. A) Haus Stolz, folgte der Katholischen Confession, wurde 1772 in den Grafenstand erhoben u.st. 1859 im Mannsstamm aus; die letzten waren: 4) Graf Constantin, Sohn des 1853 verstorbenen Grafen Constantin, geb. 13. Juni 1812, war Erbherr der Herrschaften Stolz, Grochau u. Giersdorf u. Erboberlandbaudirector von Schlesien, seit 1844 vermählt mit Bianca geb. Gräfin Pückler zu Groditz u. st. 1. Jan. 1858; er hinterließ blos zwei Töchter. 5) Stanislaus, Bruder des Vor., geb. 23. Oct. 1815, war Erbherr der Herrschaft Schlaufe, seit 1846 vermählt mit Pauline geb. Gräfin Saurma-Jeltsch u. st. 30. März 1859 ohne Descendenz. B) Haus Steppan, folgt der Evangelischen Confession u. wurde 1786 in den Grafenstand erhoben; dessen jetziger Chef ist: 6) Graf Alfred, Sohn des 1850 verstorbenen Grafen Otto, geb. 7. Nov 1829, ist Majoratsherr der Güter Steppau, Großkauer, Mangelwitz, Tschepplau, Eichberg, Heidevorwerk, Ingersleben, Marienvorwerk u. Lanken in Niederschlesien u. seit 1859 mit Jutta geb. von Brand vermählt; sein Sohn Friedrich Gustav ist 1860 geboren. C) Haus Gröben, folgte der Evangelischen Confession, war seit 1786 gräflich, u. erlosch 1829 im Mannsstamm. Der Letzte dieses Hauses war: 7) Graf Heinrich, geb. 1761, war Erbherr auf Schönfeld, seit 1792 vermählt mit Auguste geborne von Mützschephal u. st. 18. Aug. 1829 mit Hinterlassung einer einzigen Tochter Johanna.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 199-200.
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