Syrakus [2]

[156] Syrakus (Gesch.). S. war eine dorische Niederlassung, gegründet unter Archias 735 (n. And. schon 758, nach And. erst 732 od. 709) v. Chr. auf der Insel Ortygia. Der Zeit nach war S. die zweite griechische auf Sicilien geführte Kolonie; doch wurde sie durch Betriebsamkeit u. Handel bald dem Range nach die erste. Die ursprüngliche Verfassung war eine aristokratische Republik; die Gamoroi waren die Häupter, wurden aber 491 v. Chr. von dem Volke vertrieben. Doch war die damals eingerichtete Demokratie so ordnungslos, daß sie von keiner Dauer sein konnte. Gelon, König von Gela, den Syrakusanern durch seine Landmacht schon sehr gefährlich, unternahm es die Gamoroi nach S. zurückzuführen; das Volk aber, gegen Gelon zu schwach u. um nicht wieder unter die Herrschaft der verhaßten Aristokraten zu kommen, übertrug 484 dem Gelon freiwillig die Herrschaft. Gelon regierte mit Milde u. Gerechtigkeit u. vergrößerte die Stadt durch Anlagen auf dem Festlande, indem er von Gela, Camarina u. Megara an 10,000 Familien nach S. verpflanzte. Unter ihm erreichte S. seine höchste Blüthe; seine Flotten beherrschten die umliegenden Meere, unter seinem Einfluß standen die meisten Städte Siciliens, andere waren ihm ganz unterworfen; er konnte den Hellenen im Kampf gegen Persien 200 Dreidecker u. 28,000 M. Landtruppen anbieten, er trat den Carthagern glücklich im offenen Felde entgegen u. vereitelte damals ihren Plan sich auf Sicilien niederzulassen. Gelon st. 477; ihm folgte sein Bruder Hieron I., welcher Anfangs gewaltthätig regierte u. die Pracht sehr liebte. Milder wurde er, da sich ein Kreis von griechischen Gelehrten u. Dichtern um ihn versammelte, unter ihnen Pindaros, Äschylos, Simonides. Er kriegte gegen Theron von Agrigent, trieb dessen Sohn Thrasidäos vom Throne u. st. 467 v. Chr. Sein Bruder Thrasybulos folgte; er beging ebenfalls Gewaltthätigkeiten an den Bürgern u. sah sich genöthigt ein Corps von 15,000 Miethsoldaten zu halten, ward aber nach 1 Jahr vertrieben. Eine demokratische Verfassung sollte nun eingeführt werden, aber die alten Bürger wollten, daß die neuen Bürger von den Magistraturen ausgeschlossen werden sollten; deshalb verließen Letztere S. u. gründeten zu Messana eine neue Niederlassung. Dadurch u. durch eine Äckervertheilung wurde zwar die Ruhe wiederhergestellt, aber S. hatte auch mit dem Weggang so vieler Bürger bedeutend an Kraft verloren, u. um das Streben Ehrgeiziger nach der Herrschaft zu hindern, wurde der Petalismus (s.d.) eingeführt. Deshalb zogen sich alle ausgezeichneten u. gebildeten Männer von der Staatsverwaltung zurück. Der Petalismus wurde daher wieder aufgehoben; aber die Reibung zwischen den Demokraten u. Aristokraten dauerte fort. Die inneren Unruhen benutzten die bisher von S. abhängigen sicilischen Städte; unter Ducetius machten sie sich frei, wurden jedoch wieder unterworfen. Sie suchten nun Unterstützung bei den Athenern, u. diese schickten 415 v. Chr. ein Heer unter Nikias nach Sicilien, welches jedoch mit Hülfe der Spartaner geschlagen wurde (s. Sicilische Kriege I). Es wurde nun auf Vorschlag des Volksvorstehers Diokles eine Commission zur Aufstellung einer neuen demokratisches Verfassung niedergesetzt; die erste Bestimmung war die Wahl der Magistrate durch das Loos, zugleich wurden strenge Gesetze gegeben. Hierdurch kam die Demokratie bald in Mißcredit, u. in Fällen der Gefahr u. Noth sah sich die innerlich zerrissene Stadt unfähig sich zu halten. Solche Gefahr brachten die Carthager von Neuem (s. Sicilien S. 5s. Ihren Anführern, welche immer noch aus den Reichsten u. Vornehmsten gewählt wurden, trauten die Syrakusaner nicht, sondern schenkten dem tapfern, aus einer namenlosen Familie entsprossenen Feldherrn Dionysius I. Gehör u. übertrugen ihm 406 v. Chr. das Obercommando über die Armee. Er wurde 403 Tyrann (König) der Stadt u. führte durch Herbeiziehung von italischen Miethstruppen seine Herrschaft u. befestigte Ortygia; 397 begann er den Krieg gegen die Carthager wieder, welcher nach wechselvollem Gange doch 392 günstig für ihn endigte; 387 führte er glückliche Kriege in Italien; minder glücklich war er in den erneuten Kämpfen gegen die Carthager. Er vereinigte Epipolä mit der Stadt durch eine 30 Stadien lange Mauer, baute die Citadelle zwischen der Insel u. der Stadt u. erhöhte den Bestand der Kriegsschiffe auf 300. Der Grund seiner vielfach übertriebenen Härte war das Mißtrauen u. die Furcht aus seiner Tyrannis gestürzt zu weiden. Er st. 367, u. ihm folgte sein Sohn Dionysius II. der Jüngere. Sein Verwandter Dion haßte seine Tyrannei u. wollte ihn durch eine philosophische Bildung zu gemäßigter Herrschaft bringen; aber durch Schmeichler, wie Philistos, beredet, verbannte er den Dion u. ergab sich nun allen Launen eines Gewaltherrschers. Während er in Italien auf einem Zuge gegen die Lucaner abwesend war, kehrte Dion mit einer Flotte zurück u. besetzte 357 die Stadt. Dionysius kehrte zurück u. behauptete sich in der Akropolis; Dion, welcher nach mehren Kämpfen von Sosis u. Heraklides verdächtigt wurde, als strebe er[156] selbst nach der Tyrannis, verließ S., wurde aber bald gegen Dionysius zurückgerufen u. erzwang nun die Übergabe der Akropolis. Dionysius ging nach Lokri u. Dion trat an die Spitze der Republik. Aber sein strenges Regiment u. sein Bestreben an die Stelle der Demokratie wieder eine Aristokratie zu gründen machten ihn beim Volke verhaßt; der Athener Kalippos machte eine Verschwörung gegen ihn, u. er wurde 353 v. Chr. ermordet. Nun machte sich Kalippos zum Oberfeldherrn, wurde aber nach 13 Monaten von des Dionysius Halbbruder, Hipparinos, vertrieben, welcher nun zwei Jahr auf dem Throne saß. Die dauernden Unruhen benutzte Dionysios, eroberte 346 S. u. machte sich wieder zum Tyrannen. Seiner Grausamkeit müde u. zur Rettung des durch die inneren Wirren u. wieder von den Carthagern bedroheten Staates, baten die Syrakusaner Hülfe von den Korinthiern. Von diesen wurde Timoleon geschickt, welcher 345 die Leontiner u. Carthager schlug u. 343 den Dionysius zur Niederlegung der Regierung nöthigte; darauf zerstörte er die Citadelle u. führte die demokratische Verfassung wieder ein, doch kann als aristokratische Beimischung das Amt des Amphipolos, des Oberpriesters des Olympischen Zeus, als Eponymos angesehen werden, welches zuerst Kallimenes bekleidete u. welches 300 Jahre fortbestand. Übrigens ließ er durch den Korinthier Kephalos das Diokleische Gesetz revidiren u. ordnete vermuthlich auch die 600 Senatoren an. Durch Häuser- u. Äckervertheilung zog er an 60,000 neue Ansiedler nach S., welche die wichtigsten Gebäude errichten. Durch die Vertreibung der Tyrannen aus mehren sicilischen Städten zog er diese Städte in einen Bund mit S., u. S. selbst wurde wieder blühend. Nach Timoleons Tode, 337 v. Chr., stand Sosistratos an der Spitze der Republik; Agathokles benutzte aber die Eifersucht zwischen Vornehmen u. Volk u. warf sich 317, unter der Verheißung der Herstellung einer reinen Demokratie, zum Tyrannen auf; seine strenge Regierung erhielt wenigstens Ruhe u. Frieden im Innern, auch griff er 311 die in Sicilien immer weiter vorschreitenden u. S. belagernden Carthager in Afrika selbst an, wodurch er den Syrakusanern ihre Vertreibung erleichterte; er legte sich, während seines Krieges in Afrika, den Titel als König von S. bei, dagegen sammelten sich in Sicilien unter Dinokrates die Mißvergnügten u. aus S. Verbannten. Agathokles kehrte 304 aus Afrika zurück, schlug das Heer des Dinokrates u. richtete dann ein großes Blutbad unter seinen Gegnern an. Er st. 289; nach seinem Tod warf sich Mänon zum Herrscher auf, Hicetas vertrieb ihn aber u. behauptete sich drei Jahre lang; als er aber gegen die Agrigentiner zu Felde zog, empörte sich daheim Thynion (Thönon), gegen welchen sich unter Sosistratos eine zweite Partei erhob. Zur Schlichtung dieser Unruhen beschlossen die Syrakusaner 277 v. Chr. den damals in Italien gegen die Römer kriegenden Pyrrhos II., König von Epiros, zu rufen; dieser befreite S. von den Carthagern, welche er bis Lilybäum zurückdrängte. Nach seinem Abzüge, 275, erregten die Demokraten neue Unruhen u. die Aristokraten wählten den Hieron zum Feldherrn; dieser betrat mit dem Heere die Stadt, dämpfte den Aufstand, vertrieb das unruhige Miethheer u. führte mit Mäßigung das Regiment, worauf er 268 als Hieron II. mit der Königswürde bekleidet ward. Im ruhigen Besitz seiner Regierung erhielt ihn das Bündniß, welches er 257 mit den Römern schloß, denen er dann im ersten u. zweiten Punischen Kriege beistand. Er erhielt die Ruhe im Innern, unterstützte den Ackerbau, hob die Marine, führte Prachtbauten aus u. st. 215. Ihm folgte, da sein Sohn Gelon vor ihm gestorben war, dessen Sohn, sein 15 jähriger Enkel Hieronymus unter dem Einfluß des Andranodorus, des Schwagers seines Vaters. Durch seinen Übertritt auf die punische Seite, wodurch er sich von der Abhängigkeit von Rom befreien wollte, stürzte er sich in das Verderben; er selbst wurde bei einem Aufstande in S. 214 ermordet. Andranodorus suchte durch scheinbare Zurückgabe der Freiheit an die Syrakusaner den Thron zu gewinnen, wurde aber bereits 214 von seinem Freunde Aristo verrathen u. nebst Themistos u. seinem Anhange im Senate ermordet. Die Anführer der Miethsoldaten führten unterdessen den Krieg gegen Rom fort, wurden aber von Marcellus in S. eingeschlossen, u. nachdem sich die Stadt über zwei Jahre (angeblich durch die von Archimedes erfundenen u. angewendeten Maschinen) gehalten hatte, wurde sie durch nächtlichen Überfall u. Verrath des Sosis, eines der Mörder des Hieronymus, 212 v. Chr. genommen. Epipolä kam zuerst in die Hände der Römer, dann Tyche u. Neapolis; zuletzt, theils durch Verrätherei, theils durch freiwillige Übergabe der Bürger, die Insel u. Achradina. Archimedes kam hierbei um. Der Verräther Sosis wurde reich belohnt, die Kunstschätze wurden nach Rom geführt, was übrig blieb, raubten später römische Beamte. Die Bürger blieben frei, waren aber arm u. aller Mittel sich wieder zu erheben beraubt. Augustus schickte eine Colonie nach S., aber die Bevölkerung war so gesunken, daß die alten Bürger mit den Ankömmlingen auf der Insel Platz hatten; die übrigen Theile verfielen. S. litt auch im Mittelalter durch Kriege viel. Gegen das Ende des 5. Jahrh. ward es von deutschen Völkerschaften, welche zur See ankamen, bes. von den Vandalen, 884 aber von den Sarazenen ausgeplündert u. erholte sich seitdem nie wieder. 1164 schenkte Kaiser Friedrich I. S. den Genuesen, welche ihm gegen Tankred beigestanden hatten, doch befreite sich die Stadt mit Hülfe der Pisaner bald wieder. 1210 eroberten die Genuesen S. wieder. S. kam dann unter spanische Herrschaft u. wurde Residenz des Statthalters. 1718 fiel bei S. eine Seeschlacht zwischen den Engländern u. Spaniern vor, Letztere unterlagen u. mußten S. den Österreichern einräumen. Doch bekamen sie die Insel 1735 durch Capitulation wieder. S. litt bes. 1100, 1542, 1693 u. 1735 sehr durch Erdbeben. Von der alten Stadt ist fast nur noch der Theil übrig, welcher auf der Insel Ortygia lag u. das heutige Siragossa (s.d.) bildet. Vgl. Arnold, Geschichte von S., Gotha 1816.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 156-157.
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