Berlichingen [2]

[692] Berlichingen, Götz (Gottfried) von, mit der eisernen Hand, Ritter, geb. 1480 zu Jagsthausen im jetzigen Württemberg, gest. 23. Juli 1562, besuchte 1495 den Reichstag zu Worms und 1496 den zu Lindau im Gefolge seines Oheims Konrad von B. Nach dessen Tode trat er 1497 in die Dienste des Markgrafen Friedrich IV. von Brandenburg-Ansbach und folgte dem Kaiser nach Burgund, Lothringen, Brabant und 1499 nach der Schweiz. 1500 half er dem Ritter Thalacker in einer Fehde gegen den Herzog von Württemberg mit selbstgeworbenen Reitern. Darauf kämpfte er 1502 unter dem Markgrafen Kasimir von Brandenburg gegen Nürnberg. Der Ausbruch des Landshuter Erbfolgekrieges zwischen Rheinpfalz und Bayern rief ihn 1504 zu den Fahnen des Herzogs Albrecht von Bayern; bei der Belagerung Landshuts verlor er durch einen Schuß aus einer Feldschlange die rechte Hand, die durch eine künstliche, von Cisen gearbeitete ersetzt wurde. Trotzdem focht B. unermüdlich bald Fehden in eigner Sache aus (15 an der Zahl), bald leistete er »Freunden und guten Gesellen« Hilfe, meist für Beute und Lösegeld. So kämpfte er 1509 bis 1511 mit der Stadt Köln, dann mit dem Bischof von Bamberg. Als er 18. Mai 1512 bei Forchheim 95 Nürnberger und andre Kaufleute überfiel, ward er vom Kaiser Maximilian geächtet und erst 1514 gegen das Versprechen, 14,000 Gulden zu zahlen, von der Acht befreit. Aber schon 1516 geriet er durch den Franz von Sickingen geleisteten Beistand wieder in Feindseligkeiten mit dem Stift Mainz, überfiel sodann auf hessischem Gebiete den Grafen Philipp von Waldeck und entließ ihn erst nach Erlegung eines Lösegeldes von 8400 Goldgulden; deswegen ward er 1518 zum zweitenmal geächtet. Im Kriege des Schwäbischen Bundes 1519 focht er für Herzog Ulrich von Württemberg. Als Verteidiger der Stadt Möckmühl schlug er alle Angriffe der Verbündeten ab, bis Mangel an Munition und Lebensmitteln ihn 11. Mai zur Übergabe gegen freien Abzug zwang. Trotzdem wurde B. der Stadt Heilbronn als Gefangener überliefert. Erst 1522 bewirkten Franz von Sickingen und Georg von Frundsberg seine Befreiung, doch mußte er 2000 Gulden Lösegeld zahlen und Urfehde schwören. Er zog sich nun auf sein Schloß Hornberg am Neckar zurück. Von den Bauern gezwungen, übernahm B. 1525 auf vier Wochen die Führung des Odenwalder Haufens. Obgleich er erklärte, die Führung nur gezwungen übernommen zu haben und 1526 auch vom Kammergericht für schuldlos erklärt wurde, ward er doch 1528 überfallen, in Augsburg gefangen gehalten und erst 1530 gegen das Versprechen, sich weder aus dem Umkreis seines Schlosses Hornberg zu entfernen, noch auf irgend eine Art am Schwäbischen Bunde Rache auszuüben, freigelassen. Nachdem er 1540 seine Freiheit wiedererhalten hatte, zog er noch mit dem Kaiser 1542 nach Ungarn gegen die Türken und 1544 gegen Frankreich ins Feld. Den Rest seines Lebens verbrachte er auf seiner Burg Hornberg am Neckar. Seine urwüchsige Lebensbeschreibung (hrsg. von Pistorius, Nürnb. 1731, Bresl. 1813; von Gessert, Pforzh. 1843; von Schönhuth, 2. Aufl., Heilbr. 1859, und Halle 1886) ist, abgesehen von ihrem individuellen Reiz, hauptsächlich deshalb von Wert, weil sie beweist, daß Huttens und Luthers Hoffnungen auf den christlichen Adel deutscher Nation bei dem einen phantastischer Schwärmerei, bei dem andern der Unkenntnis der Verhältnisse entsprangen. B. verdankt seine Berühmtheit Goethes Schauspiel; doch hat Goethe der Selbstbiographie des Ritters nach freiem dichterischen Ermessen nur Stoffliches entnommen. Der historische Götz war nicht das von dem Dichter gezeichnete Idealbild eines deutschen Biedermannes, sondern ein Typus des materiell schwer bedrängten und verkommenen niedern Adels, dem Fehde und Straßenraub Selbstzweck geworden waren, während manche seiner Standesgenossen, wie Frundsberg (s. d.), in dem Kriegshandwerk als Landsknechtsführer einen ehrenvollen, nahrhaften Lebensberuf fanden. Götzens eiserne Hand, 1505 nach seinen eignen Angaben angefertigt und eins der ältesten Beispiele künstlicher Gliedmaßen, wird jetzt noch in Jagsthausen gezeigt.

Von Götz stammt die eine der jetzt noch bestehenden zwei Linien des Hauses ab, die Linie B.-Rossach, die wiederum in einen gräflichen und einen freiherrlichen Zweig gespalten ist; der gesamte Grundbesitz gehört dem erstern, dessen Haupt Graf Götz von B.-Rossach (geb. 4. Nov. 1857), Grundherr auf Helmstadt bei Heidelberg, ist. Die andre Linie, B.-Jagsthausen, stammt von Götz' Bruder Hans von B. ab; ihr Haupt ist gegenwärtig Freiherr Götz von B.-Jagsthausen (geb. 27. Nov. 1875). Friedrich Wolfgang Götz von B.-Rossach, geb. 1826, gest. 23. Mai 1887 in Heidelberg, Major und Vizepräsident der badischen Ersten Kammer, 1859 in den württembergischen Grafenstand erhoben, schrieb die »Geschichte des Ritters Götz von B. und seiner Familie« (Leipz. 1861). Vgl. Pallmann, Der historische Götz von B. (Berl. 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 692.
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