Herz [3]

[246] Herz, 1) Henriette, geb. 5. Sept. 1764 in Berlin, gest. daselbst 22. Okt. 1847, eine durch Schönheit und Geistesbildung sowie durch ihre persönlichen Beziehungen zu den namhaftesten Männern ihrer Zeit ausgezeichnete Frau, war die Tochter eines israelitischen Arztes portugiesischer Abkunft, Benjamin de Lemos, und heiratete schon 1. Dez. 1779 den angesehenen, aber bedeutend ältern Arzt Markus H. In ihrem Hause verlebte Börne einen Teil seiner Jugend. Auch nach dem Tod ihres Mannes (1803) blieb ihr Haus der Vereinigungspunkt für die geistigen Größen Berlins. Wir nennen aus diesem Kreis Engel. Moritz, Dohm, Spalding, Reichardt, Schadow, Gentz. beide Humboldt, Fr. Schlegel, Varnhagen v. Ense, von Frauen Rahel Levin, die Herzogin von Kurland und Elisa v. d. Recke. Namentlich aber stand sie mit Schleiermacher im regsten Ideenaustausch. Mit vielen berühmten Personen unterhielt sie einen lebhaften Briefwechsel; doch hat sie, um etwaigen Mißbrauch zu verhüten, alle in ihren Händen befindlichen Briefe vernichten lassen. Zu dem Übertritt zum Christentum entschloß sie sich erst 1817, nach dem Tod ihrer strenggläubigen Mutter. Ihre ausgezeichnete Geistesbildung, namentlich ihre Sprachkenntnisse, suchte sie durch Heranbilden junger Mädchen zu Lehrerinnen nutzbar zu machen, und den größten Teil des Honorars ließ sie wohltätigen Anstalten zufließen. Durch A. v. Humboldts Vermittelung ward sie 1845 durch eine königliche Pension aller äußern Sorgen überhoben. Vgl. Fürst, Henriette H., ihr Leben und ihre Erinnerungen (2. Aufl., Berl. 1858); »Briefe des jungen Börne an Henriette H.« (Leipz. 1861).

2) Henri, Klavierspieler und Komponist, geb. 6. Jan. 1806 in Wien, gest. 5. Jan. 1888 in Paris, trat als zehnjähriger Knabe ins Konservatorium in Paris ein, wo er durch Pradher (Klavier), Dourlen und Reicha (Komposition) seine Ausbildung erhielt, war um 1825–35 der gefeiertste Klavierspieler und der beliebteste Klavierkomponist der Welt. In der Folge wendete er sein Hauptinteresse der Pianofortefabrikation zu, zuerst als Teilhaber der Fabrik von Klepfer, die fallierte, dann aber als selbständiger Unternehmer mit großem Erfolg. Die Erzeugnisse seiner Fabrik konkurrierten erfolgreich mit denen Pleyels und Erards. 1842 wurde er auch Lehrer am Konservatorium (bis 1874), doch unternahm er 1845 noch einmal eine Konzerttour durch Amerika. H. ist der Hauptvertreter jenes inhaltlosen Virtuosentums in Spiel und Komposition, das während der 1820er und 30er Jahre die Konzertsäle Europas beherrschte und erst mit dem Auftreten Mendelssohns, Schumanns, Chopins und Franz Liszts einer ernstern Richtung weichen mußte. Seine heute gänzlich vergessenen Kompositionen wurden von den Verlegern mit den höchsten Preisen bezahlt. Als Schriftsteller hat sich H. durch eine humoristische Beschreibung seiner amerikanischen Reise (»Mes voyagesen Amérique«, Par. 1866) bekannt gemacht. Auch sein Bruder Jacques, geb. 31. Dez. 1784 in Frankfurt a. M., gest. 27. Jan. 1880 in Nizza, war ein angesehener Klavierspieler und Lehrer, schrieb aber als Komponist viel erfolgreicher als Henri.

3) Cornelius, Abenteurer, geb. in Deutschland, gest. 6. Juli 1898 in Bournemouth (England), kehrte 1867 von Amerika, wohin seine Eltern ausgewandert waren, nach Europa zurück, ward in Paris Apothekerlehrling, machte medizinische Studien, diente im Kriege 1870/71 als Militärarzt und lebte dann bis 1877 in Chicago und San Francisco, wo es ihm gelang, sich ein Vermögen zu erwerben. In Paris gründete er sodann verschiedene Unternehmungen, zuletzt das französische Elektrizitätssyndikat, und wußte sich die Gunst hoher Persönlichkeiten zu verschaffen, so daß er 1886 das Komturkreuz der Ehrenlegion erhielt. An den Panamabestechungen hatte er bedeutenden Anteil und flüchtete, als diese verfolgt wurden, nach Bournemouth. Unter dem Vorwand schwerer Krankheit wußte er sich der Auslieferung zu entziehen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 246.
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