Malz

[195] Malz (lat. maltum, hierzu Tafel »Malzbereitung«), einem unterbrochenen Keimungsprozeß unterworfenes Getreide, das durch diese Behandlung in hohem Grade die Eigenschaft erlangt, die in ihm enthaltene Stärke und selbst noch größere Mengen von letzterer durch die Einwirkung der im M. enthaltenen fermentartigen Diastase in Dextrin und Zucker zu verwandeln. Man bereitet das M. namentlich für die Zwecke der Bierbrauerei und Branntweinbrennerei und zieht die Gerste allen andern Getreidearten vor, weil sie jene zuckerbildende Kraft in besonders hohem Grad erreicht. Die Malzbereitung beginnt mit dem Einweichen oder Einquellen, zu welchem Zweck man die durch Putz- und Sortiermaschinen gereinigte, von Unkrautsamen und zerbrochenen Körnern befreite und dann nach ihrer Größe und Schwere sortierte, also möglichst gleichartige, auch auf Waschapparaten gewaschene Gerste in gemauerten oder eisernen, innen lackierten Behältern (Weichstöcken) mit Wasser übergießt und die schwimmenden tauben oder beschädigten Körner abschöpft (Abschöpfgerste, Afterzeug, Schwemmlinge, zu Viehfutter). Das Wasser löst aus der strohigen Samenschale färbende, bitter und herb schmeckende Extraktivstoffe, die leicht in Gärung und Fäulnis übergehen, so daß man das Wasser wiederholt wechseln muß. Nach 48–100 Stunden hat die Gerste etwa 48 Proz. Wasser, dessen sie zur Einleitung der Keimung bedarf, aufgenommen, ihr Volumen um 18–24 Proz. vergrößert, aber um 1–2 Proz. an Gewicht verloren. Man läßt sie abtropfen und bringt sie auf die Malztenne (Hausentenne, Wachskeller), um die Keimung einzuleiten. Hierbei wird durch die Wirkung der im Samen enthaltenen Diastase ein Teil der Eiweißkörper des Samens löslich gemacht, Stärke wird in Dextrin und Zucker übergeführt, und auch ein Teil der Zellulose wird in lösliche Pflanzennährstoffe verwandelt. Diese Umwandlung unlöslicher in lösliche Stoffe ermöglicht die Entwickelung des Keims, dem letztere als erste Nahrung dienen. Zuerst tritt das Würzelchen hervor und erreicht eine gewisse Länge, dann beginnt das Wachstum des Blattfederchens, und in diesem Moment besitzt das Korn die größte zuckerbildende Kraft. Bei weiterm Fortschreiten der Keimung würde sie wieder abnehmen und namentlich viel Stoff von der nun schnell wachsenden Pflanze verbraucht werden; es kommt also darauf an, die Keimung in einem bestimmten Zeitpunkt zu unterbrechen, und die Aufgabe der Malzbereitung ist, dafür zu sorgen, daß zu diesem Zeitpunkt alle Körner gleichweit entwickelt sind. Der Malzkeller muß 2–3 m in der Erde liegen, mit niedrigen Fenstern versehen sein, eine möglichst beständige Temperatur von 8–15° besitzen und gute Ventilation gestatten. Auf dem sorgfältig geebneten steinernen Fußboden breitet man die eingeweichte Gerste zu einem 20–35 cm hohen Haufen (Malzscheibe, Beet, Naßhaufen) aus und schaufelt diesen alle 6–8 Stunden um, bis die Oberfläche hinreichend getrocknet erscheint (Trockenhaufen). Zeigt sich dann der Keim als weißer Punkt (Guzeln, Äugeln, Stechen, Spitzen), so läßt man den Brechhaufen einige Zeit liegen, damit sich die Temperatur steigere. Bei dem Keimen wird nämlich unter Absorption von Sauerstoff und Bildung von Kohlensäure Wärme entwickelt, und durch geschickte Regelung der Temperatur hat man den Keimungsprozeß völlig in der Gewalt. Dabei muß man den Haufen umschaufeln, damit die Keimung ganz gleichmäßig verläuft. Die Würzelchen erreichen bald die Länge von mehreren Millimetern und beginnen sich zu verfilzen; man zieht dann den Haufen mehr und mehr aus und sucht das Würzelchen auf die 1,25–1,51ache Länge des Korns zu bringen, ohne daß sich der Blattkeim entwickelt. Die mittlere Keimzeit beträgt 9–10 Tage; Frühling und Herbst sind dem Prozeß günstiger als der Sommer. Der Gewichtsverlust der Gerste während des Keimens beträgt 3 Proz.

Da die Tennenmalzerei sehr kostspielig ist, so hat man mechanische Keimapparate benutzt, um Raum und Handarbeit zu ersparen. Das Keimen der Gerste erfolgt in beschränktem Raum, und die Handarbeit wird ganz oder beinahe ganz erspart. Der Unterschied zwischen den verschiedenen Systemen liegt in der Verschiedenheit des Lockerns, Wendens, Fortbewegens und Ventilierens des Keimgutes. Diese Art der Mälzerei ist wegen verschiedener Mängel durch die pneumatische Mälzerei verdrängt worden. Bei letzterer wird die Lüftung und die Regulierung der Temperatur der Gerste während der Keimung durch einen Strom feuchtgemachter reiner Luft bewerkstelligt, die zu beliebiger Zeit und in beliebiger Stärke durch das Keimgut geführt wird. Bei der ersten Ausführung der pneumatischen Mälzerei (Galland 1874) lag die Gerste auf einem durchlöcherten Boden aus Eisenblech (pneumatische Tenne), und das Grünmalz sollte, ohne das Keimgut zu bewegen und zu mischen, fertiggestellt werden. Dies hat sich als undurchführbar erwiesen. Man zerlegte deshalb die pneumatische Tenne in eine Anzahl Zellen, lüftete das Keimgut wie angegeben und mischte es durch öfteres Überschaufeln aus einer Zelle in die andre. Saladin bewirkt das Überschaufeln mittels mechanischer Vorrichtungen (Kastenmälzerei). Neben dieser Form kommt hauptsächlich noch die Gallandsche Trommelmälzerei in Betracht. Bei letzterer wird die Gerste in oberhalb der Keimtrommeln stehenden Weichstöcken w (s. Tafel »Malzbereitung«, Fig. 1) geweicht und kann hier unter Zufuhr von Luft zum Spitzen gebracht werden. Das Keimgut fällt in die Trommeln t, die, auf zwei Paar Rollböcken bb liegend, durch Schneckengetriebe in langsame Umdrehung versetzt werden. Jede Trommel hat an einer Seite eine mit der Feuchtluftleitung l mittels eines Regulierschiebers in Verbindung stehende Luftkammer, von der aus halbkreisförmige Kanäle c mit ganz sein durchlochter Wandung den Trommelzylinder an seinem äußersten Umfang der ganzen Länge nach durchziehen. Durch die Mitte der Trommel geht ein sein durchlochtes Rohr m, das mit der Lustabsaugeleitung durch einen Regulierschieber verbunden ist. Ein Exhaustor saugt die Luft aus l durch c, das Keimgut und das Rohr m. Jede Keimtrommel hat 2 um 120° versetzte Türen zum Beschicken und Entleeren. Nach der Temperatur in der Trommel wird der Luftzutritt geregelt, und die Drehung der Trommeln verhindert das Verfilzen. Zur Befeuchtung der Luft dienen die Kammern a, in die das Wasser durch Streudüsen sein verteilt eingespritzt wird; dem Wasser entgegen wird der Luftstrom geführt, nachdem er eine dünne Koksschicht passiert hat. Die pneumatische Mälzerei gestattet die Herstellung schimmelfreien Malzes während[195] des ganzen Jahres, wenn genügend kaltes Wasser zur Verfügung steht. Das erhaltene M. ist dem Tennenmalz vollkommen gleichwertig.

Das durch den Keimprozeß erhaltene Grünmalz wird teils als solches verwendet, teils durch Darren zwischen 25 und 100° in Darrmalz verwandelt. Von der Art des Darrens hängt der Gang des Brauprozesses und der Charakter der Biere ab. Für lichte Biere muß das M. bei niederer Temperatur getrocknet werden, während vollmundige Biere aus einem bei höherer Temperatur langsam gedarrten M. erhalten werden. Früher wurde das Grünmalz zunächst auf den Trockenboden (Schwelkboden, Schwelche, Welkboden) gebracht, wo es in 3–5 cm hoher Schicht ausgebreitet und täglich sechs- bis siebenmal umgeschaufelt wurde, so daß es unter dem Einfluß eines lebhaften Luftzugs schnell trocknete (Luft- oder Schwelchmalz, mit 15–17 Proz. Wasser). Für die meisten Biere aber wird das M. während des Trocknens einer höhern Temperatur ausgesetzt (gedarrt), um sowohl den Dextringehalt zu steigern, als auch gewisse Röstprodukte zu bilden, die den Geschmack des Bieres verbessern und es haltbarer machen. Zugleich werden die Eiweißkörper derart verändert, daß sie die Ernährung der Hefe begünstigen. Beim Darren muß die Temperatur auf der Malzdarre sehr sorgfältig geregelt werden, weil in dem feuchten M. die Stärke leicht in Kleister übergeführt wird und das trockne M. bei zu hoher Temperatur zwar nicht die zuckerbildende Kraft, wohl aber die Feinheit des Aromas einbüßt. Feucht zu stark erhitztes M. bildet das Glasmalz (Steinmalz), in dem der Kleister zu einer hornartigen Masse getrocknet und für Wasser undurchdringlich geworden ist. Das Darren dauert 24–48 Stunden, und während desselben muß das M. wiederholt durch Umschaufeln oder durch Malzwendeapparate gewendet werden. Man unterscheidet Malzdarren mit starkem Luftabzug und schnellem Trocknen des Malzes bei verhältnismäßig niederer Temperatur, die das M. erst dann stärker erwärmen, wenn beinahe alles Wasser entfernt ist, und solche mit langsamem Luftabzug und Trocknen des noch sehr feuchten Malzes bei höherer Temperatur, wobei ein sehr aromatisches M. für dunkle vollmundige Biere entsteht. Nach ihrer Konstruktion unterscheidet man Darren mit unterbrochenem und solche mit kontinuierlichem Betrieb. Erstere waren früher zum Teil Rauchdarren, bei denen die Verbrennungsgase des Brennmaterials direkt durch das M. strichen; das Produkt besaß stets einen eigentümlichen Rauchgeschmack. Viel besser sind die Luftdarren, bei denen das Brennmaterial in einem geschlossenen Ofen verbrannt und die Feuerungsgase durch Röhren geleitet werden. Die die Röhren umspielende Luft durchdringt das auf siebähnlich durchlöchertem Blech oder auf gewalztem Drahtgeflecht liegende M. und führt den Wasserdampf durch einen Dunstschlauch ins Freie. Die Röhren liegen entweder horizontal in der Wärmkammer des Darrosens, oder sie umgeben einen Zylinder über der Feuerung und sind mit diesem durch Trommeln derart verbunden, daß die Gase, im Zylinder aufsteigend, durch die vertikalen Röhren abwärts ziehen (Zylinderdarren). Bei den kombinierten Darren benutzt man zur Vergrößerung der Heizfläche und bessern Ausnutzung des Brennmaterials vertikale und horizontale Heizröhren. Bei den kontinuierlich arbeitenden (mechanischen) Darren geschieht das Aufbringen des Grünmalzes, das Wenden desselben und das Entfernen selbsttätig ohne Arbeitsunterbrechung. Das gedarrte M. wird schließlich auf der Malzentkeimungs- und -Putzmaschine von den Keimen befreit. Fig. 2 der Tafel zeigt die Malzdarre von Tanner u. Laetsch. a ist der Heizraum, b die Wärmekammer, c u. d sind die beiden Horden der Darre. Die Heizgase steigen von dem Rost e durch den mit Schamotteziegeln ausgemauerten Zylinder f in den gleichfalls mit feuerfesten Ziegeln ausgefütterten Blechkasten g, gelangen von hier in die vertikalen Rohre h und aus diesen in den Blechkasten i; sie steigen von da durch den Blechzylinder k in die liegenden, konisch gestalteten Heizröhren l, aus denen sie in den Kamin m abziehen. Die Luft gelangt durch die Jalousiefenster n in den Heizraum, aus dem sie sowohl durch die mit Klappen verschließbaren Öffnungen o zu dem Heizapparat in die Wärmekammer als auch durch an der Ummauerung des vertikalen Zylinders angebrachte Öffnungen zu diesem gelangen kann. Die an dem Zylinder erwärmte Luft tritt unter dem Dach w durch die Öffnungen z seitwärts aus. Das Grünmalz wird mittels des Elevators p ausgezogen und kann direkt durch das Rohr q auf die obere Horde fallen. Durch die Öffnung r gelangt das M. auf die untere Etage, von dieser durch den Schlauch s in den Blechkasten t, aus dem es der Elevator u zur Entkeimungsmaschine y führt. Je nach der angewandten Temperatur erhält man gelbes, bernsteingelbes oder braunes M. Außerdem röstet man zum Färben dunkler Biere M. in blechernen Zylindern über freiem Feuer, bis es durch und durch dunkel kaffeebraun geworden ist (Farbmalz), wobei es freilich die zuckerbildende Kraft völlig einbüßt. 100 Gewichtsteile Gerste geben durchschnittlich 92 Teile Luftmalz, auf 8–9 Volumen Gerste aber erhält man 1 Volumen M. mehr. Die Veränderungen, welche die Bestandteile der Gerste bei der Umwandlung in M. erleiden, zeigt folgende Tabelle:

Tabelle

Die zuckerbildende Kraft des Malzes beruht auf seinem Gehalt an Diastase (und Mal tin, s. Diastase), und man benutzt sie, um in der Bierbrauerei und Branntweinbrennerei große Mengen Stärkemehl in Dextrin und Zucker umzuwandeln. Die zuckerbildende Kraft ist am stärksten im Grünmalz und vermindert sich beim Darren so stark, daß 100 Teile Grünmalz trotz des hohen Wassergehalts ebensoviel Stärke in Dextrin und Zucker verwandeln wie 100 Teile Darrmalz. Anderweitige Verwendung findet das M. zur Bereitung von Malzextrakt, Malzbonbons etc., zur Liebigschen Suppe für Säuglinge, zu Bädern etc. Vor der Verwendung wird das M. zwischen Walzen zerquetscht, Darrmalz auch auf gewöhnlichen Mahlgängen geschroten, und damit sich beim Einmaischen keine Klümpchen bilden, deren Verflüssigung viel Zeit kosten würde, wendet man Malzmilchapparate an, die das M. mit Wasser zu einer milchartigen Flüssigkeit zusammenreiben. Mit großem Vorteil benutzt man auch Vorrichtungen nach Art der Holländer in den Papierfabriken, die das M. außerordentlich sein zerteilen[196] und alle kleinsten Teile zur Wirksamkeit bringen. Vgl. Thausing, Theorie und Praxis der Malzbereitung etc. (5. Aufl., Leipz. 1898); Weber, Die Malzfabrikation (Wien 1887); Lintner, Die Malzbereitung (3. Aufl., Freising 1890); Prior, Chemie und Physiologie des Malzes und des Bieres (Leipz. 1896); Windisch, Anleitung zur Untersuchung des Malzes (3. Aufl., Berl. 1901); Kutscha, Neueste Tabellen zur Malzuntersuchung (Leipz. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 195-197.
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