Marschall von Bieberstein

[352] Marschall von Bieberstein, 1) Freiherr Karl Wilhelm, bad. Staatsmann, geb. 21. Dez. 1763 in Stuttgart, gest. 11. Aug. 1817, studierte auf der Karlsschule in Stuttgart Rechts- und Staatswissenschaften, trat 1792 als Hof- und Regierungsrat in badische Dienste, wurde 1800 Vizepräsident, 1803 Präsident des Hofratskollegiums, 1806 Geheimrat, 1808 Hofrichter in Mannheim, 1809 nebst Reizenstein Staatsminister und übernahm 1810 das Ministerium des Innern. M. erwarb sich um die Organisation des so rasch vergrößerten, aus den verschiedensten Gebietsteilen zusammengesetzten Staates große Verdienste, wurde 1811 Gesandter in Stuttgart, 1814 badischer Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongreß, wo er die Integrität Badens gegen Bayern mit Erfolg verteidigte, und setzte beim Großherzog die Verheißung einer landständischen Verfassung durch. 1815 ging er nach Stuttgart, wurde aber 1817 wieder nach Karlsruhe zur Übernahme des Ministeriums berufen. Er schrieb: »Untersuchungen über den Ursprung und die Ausbildung der gegenwärtigen Anordnung des Weltgebäudes« (Gieß. 1802).

2) Friedrich August, Freiherr, geb. 10. Aug. 1768 in Stuttgart, bereiste mehrmals den Kaukasus und starb 28. Juni 1826 in Maref bei Charkow. Er schrieb: »Beschreibung der Länder zwischen den Flüssen Terek und Kur« (Frankf. 1800); »Flora tauricocaucasica« (Leipz. 1808–19, 3 Bde.); »Centuria plantarum rariorum Rossiae meridionalis« (das 1832–43, 2 Tle.).

3) Adolf, Freiherr, deutscher Staatsmann, geb. 12. Okt. 1842 auf dem väterlichen Gut Neuershausen bei Freiburg i. Br., studierte die Rechte, trat in den badischen Justizdienst und ward Staatsanwalt in Mannheim. Seit 1875 grundherrlicher Abgeordneter in der badischen Ersten Kammer, vertrat er konservative Grundsätze und suchte mit Mühlhäußer in Baden neben den Ultramontanen auch eine evangelische kirchliche Partei zu gründen. Zugleich stellte er sich bei den Reichstagswahlen 1878 an die Spitze einer konservativen Bewegung und schloß sich im Reichstag den Deutsch-Konservativen an. 1879 zum Landgerichtsrat in Mannheim ernannt, ward er 1882 Erster Staatsanwalt daselbst, aber 1883 badischer Gesandter in Berlin und Mitglied des Bundesrats. Nach dem Rücktritt Bismarcks im März 1890 Staatssekretär des Auswärtigen Amtes geworden, leitete er besonders die Verhandlungen über die Handelsverträge, die er auch im Reichstag verteidigte. In der Presse verleumdet, veranlaßte M. Ende 1896 den Prozeß Leckert-Lützow, der im Mai 1897 den Prozeß v. Tausch und bedenkliche Enthüllungen über die politische Polizei in Berlin zur Folge hatte. Im September entlassen, wurde M. im November 1897 Botschafter des Deutschen Reiches in Konstantinopel. – Sein Vetter Adolf Marschall Freiherr von Bieberstein, geb. 11. Jan. 1848, seit 1900 Geheimrat im badischen Ministerium für das großherzogliche Haus und die auswärtigen Angelegenheiten, dem auch das Eisenbahnwesen untersteht, wurde 1904 Ministerialdirektor und 1905 Präsident des Ministeriums.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 352.
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