Unlauterer Wettbewerb

[930] Unlauterer Wettbewerb (franz. Concurrence déloyale, engl. Unfair competition), Bezeichnung für jene mannigfachen Manipulationen im geschäftlichen Verkehr, die darauf abzielen, durch Täuschung des Publikums Kundschaft anzulocken und Konkurrenten zurückzudrängen. Ein Schutz gegen solche Ausschreitungen der freien Konkurrenz (s. d.) wurde in Frankreich und Belgien mit Hilfe der Gesetzesbestimmungen über Schadenstiftung im allgemeinen (Code civil, Art. 1382) und in England durch Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze fängst gewährt, während in Deutschland das Recht der freien Konkurrenz mangels positiver gesetzlicher Beschränkungen als ein schrankenloses anerkannt wurde. Positive gesetzliche Beschränkungen brachten erst die Urhebergesetze (s. Urheberrecht); einen weitern Schritt zur Bekämpfung des unlautern Wettbewerbs tat die Reichsgesetzgebung in dem Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnungen vom 12. Mai 1894 (§ 15, 16; s. Fabrik- und Handelszeichen). Mit 1. Juli 1896 ist endlich das Reichsgesetz vom 27. Mai d. J. zur Bekämpfung des unlautern Wettbewerbs in Kraft getreten. Es trifft Bestimmungen gegen unlautere Reklame (§ 1–4), Quantitätsverschleierungen (§ 5), Ausstellung oder Verbreitung unwahrer, dem Geschäftsbetrieb oder Kredit von Erwerbsgenossen nachteiliger Behauptungen (§ 6, 7), Firmen- und Namenmißbrauch (§8), Verrat von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen (§ 9, 10). Das Gesetz gewährt zivil- und strafrechtlichen Schutz;zivilrechtlich kann auf Unterlassung der schädigenden Handlungen und auf Schadenersatz geklagt werden; die (nur für die schwerern Fälle des unlautern Wettbewerbs angedrohten) Strafen sind teils Geld-, teils Freiheitsstrafen, auch kann bei ihnen auf eine Buße bis zu 10,000 Mk. erkannt werden (§ 14); die Strafverfolgung tritt mit Ausnahme des Falles der Quantitätsverschleierung nur auf Antrag ein; die Verfolgung geschieht, soweit nicht ein öffentliches Interesse in Frage steht, im Wege der Privatklage. In den meisten Fällen der Verurteilung kann die öffentliche Bekanntmachung derselben angeordnet werden. Klage berechtigt ist jeder Mitbewerber, in den Fällen des § 1 (s. oben) sind auch Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen zur Anstellung der Unterlassungsklage legitimiert. Durch den Beitritt Deutschlands zur internationalen Union zum Schutze des gewerblichen Eigentums (Pariser Union [s. Patent, S. 498]) vom 20. März 1883 sowie zu der Brüsseler Zusatzakte vom 14. Dez. 1900 genießen die Untertanen oder Bürger der vertragschließenden Staaten sowie die Untertanen oder Bürger der dem Verbande nicht beigetretenen Staaten, die in dem Gebiet einer der Verbandsstaaten ihren Wohnsitz oder tatsächliche und wirkliche gewerbliche oder Handelsniederlassung haben. in allen Verbandsstaaten den gleichen Schutz, der den eignen Staatsangehörigen gegen den unlautern Wettbewerb zugesichert ist. Diese Bestimmung ist am 1. Mai 1903 für Deutschland in Kraft getreten. Das Gesetz hat leider nicht alle Erwartungen erfüllt, obwohl nunmehr auch § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches, nach dem jeder, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem andern vorsätzlich Schaden zufügt, dem andern zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, vom Reichsgericht in konstanter Rechtsprechung in Fällen des unlautern Wettbewerbs herangezogen wird. Deshalb wurde im Reichsjustizamt ein Gesetzentwurf, betreffend Abänderung des Wettbewerbgesetzes, ausgearbeitet und Mitte Dezember 1907 im »Reichsanzeiger« veröffentlicht. In ihm werden insonderheit vorgeschlagen: die Einführung einer Generalklausel, die eine Reihe jetzt nicht faßbarer Unlauterkeiten verfolgbar macht, Maßregeln zur bessern Verhinderung der Quantitäts- und Qualitätsverschleierung, Verschärfung des Strafschutzes und der Haftung des Geschäftsherrn für Handlungen seiner Angestellten, Maßregeln gegen die Möglichkeit der mißbräuchlichen Bezeichnung von Waren als Konkurswaren und insonderheit Vorschriften, durch welche die Auswüchse im Ausverkaufswesen unterdrückt werden sollen. Außerdem wurden die Vorschriften zum Schutze gegen die sogen. Anschwärzungen und die mißbräuchliche Benutzung fremder Geschäftsbezeichnungen erheblich erweitert. – Das Ausland hat sich meist durch entsprechende[930] Anwendung der bestehenden Gesetzesvorschriften über Schadenstiftung geholfen; jedoch haben einzelne Staaten, wie Italien, Belgien, einige Schweizer Kantone, bereits zu Spezialgesetzen ihre Zuflucht genommen und in andern Staaten; wie Österreich, sind Sondergesetze in Vorbereitung, Vgl. die Ausgaben des Gesetzes und Kommentare von Bachem und Roeren (3. Aufl., Leipz. 1900), E. Müller (4. Aufl., Fürth 1904), Stephan (3. Aufl., Berl. 1903), Finger (2. Aufl., das. 1907), Pinner (das. 1904); Birkenbihl, Der unlautere Wettbewerb, erläutert durch die Rechtsprechung (Hannov. 1902); Pöschl, Die Praxis des Gesetzes etc., dargestellt auf Grund von 310 Entscheidungen (Berl. 1903); Lobe, Die Bekämpfung des unlautern Wettbewerbs (Leipz. 1907 ff., 5 Bde.); Zeitschrift: »Markenschutz und Wettbewerb« (Berl. 1901 ff.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 930-931.
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