Cölibat

[253] Cölibat (v. lat.), 1) Ehelosigkeit; 2) bes. die Ehelosigkeit in Rücksicht auf eingegangene Verpflichtungen, wie die der Vestalinnen, u. bes. 3) die der [253] römisch catholischen Geistlichen. Gestützt auf die Worte Christi (Matth. 19,12) u. des Apostels Paulus (1 Cor. 7,1 ff.) hat man es schon im Beginne des Christenthums für geziemend erachtet, daß der Diener des Altars ehelos lebe, wenn auch in den ersten Zeiten Verehelichte zur Priesterwürde gelangten, doch sollten dieselben nicht zweiter Ehe stehen (1 Tim. 3,2. 12. Tim. 1,6), u. die Verpflichtung auf sich nehmen, während ihres Priesterthums sich nicht zu verehelichen od. wenn sie verheirathet waren, nach dem Tode der Frau keine zweite Ehe einzugehen. Wo es aber nur möglich war, wurden nur Unverehelichte od. Wittwer zum Priesterthum zugelassen. Aber nur allmälig konnten die verheiratheten Priester zur Enthaltsamkeit verpflichtet werden; daß letztere Verpflichtung nicht immer beobachtet worden, schreibt Epiphanius der Connivenz gewisser Zeiten zu. Das Concil von Ancyra 314 stellte den C. als Gesetz auf u. gestattete nur den Diakonen eine Ausnahme, die vor der Ordination den Willen, sich zu verehelichen, ausgesprochen hätten. Das Concil von Elvira (Conc. Illiberitanum) verbietet schon den Bischöfen, Priestern u. Diakonen unter strenger Strafe die eheliche Verbindung. Auf dem Concil von Nicäa 325 wurde ein Gesetz, nur ehelose Priester zum Gottesdienste zuzulassen, durch Paphnutius abgerathen. Papst Siricius legte im Jahre 395 den Priestern u. Diakonen die Enthaltung von aller u. jeder ehelichen Verbindung förmlich auf. Dieses Gebot wurde in der Folge von Päpsten u. Synoden häufig erneuert. Endlich dehnte Papst Leo der Große auch auf die Subdiakonen diese Verpflichtung aus. Da aber der C. häufig verletzt wurde, so erneuerte Gregor der Große das Verbot der Ehe u. verfuhr mit der größten Strenge gegen die in der Ehe od. im Concubinate lebenden Priester; in demselben Sinne handelten seine Nachfolger. Mit den vier niederen Weihen ist die Verpflichtung der Ehelosigkeit nicht verbunden, zu den höheren Weihen werden Verheirathete nur dann zugelassen, wenn ihre Frauen in einen religiösen Orden treten od. bei vorgerücktem Alter das Gelübde der Keuschheit ablegen. Als Gründe für den C. führen die katholischen Theologen außer den angegebenen biblischen noch an: das Beispiel Jesu u. der Apostel u. daß er vor vielen Sorgen bewahre, welche der treuen Führung des priesterlichen Amtes hinderlich seien (vgl. Timoth. 2,2. 4). Im Laufe der Zeit haben aber selbst katholische Geistliche auf die Abschaffung des C. gedrungen, jedoch ohne Erfolg. Joseph II. widerlegte in einer Verordnung vom 11. Juni 1787 dem damals verbreiteten Gerüchte, als ob die Abschaffung des C-s im österreichischen Staate im Antrage wäre. Bei der in Folge des Concordates von 1801 stattgefundenen Reorganisation des kirchlichen Lebens in Frankreich wurde der C. gleichfalls beibehalten u. von Portalis in der Sitzung des Corps législatif am 21. März 1802 lebhaft vertheidigt. Im Jahre 1817 regte ein von der theologischen Facultät in Landshut über die Ursachen des Mangels an katholischen Geistlichen abgegebenes Gutachten die Gemüther wieder auf, indem als eine der Ursachen der C. bezeichnet wurde. Im Jahr 1828 trugen in Baden u. Schlesien selbst katholische Geistliche auf Abschaffung des C-s an, ohne jedoch an dem alten Gesetze etwas zu ändern. Nach 1831 wurden gleiche Versuche, den C. aufzuheben, im Großherzogthum Hessen, Württemberg, Sachsen u. wiederholt in Baden gemacht u. Petitionen in diesem Sinne an die Landtage gebracht, aber die Regierungen gingen eben so wenig darauf ein, wie ein Antrag auf Aufhebung des C-s in der Frankfurter u. Berliner Nationalversammlung 1848 Annahme fand. Die weltlichen Gewalten konnten sich zu einem solchen Schritte um so weniger berechtigt halten, da die Principfrage noch nicht entschieden ist, ob der C. ausschließlich in das Gebiet der kirchlichen Gesetzgebung gehört, od. ob er sich durch die Factoren der bürgerlichen Gesetzgebung aufheben läßt. Vgl. Sulzer, Die erheblichsten Gründe für u. gegen das Cölibatgesetz, Const. 1820; Carove, Vollständige Sammlung der Cölibatgesetze, Frkf. 1823; Theiner, Die Einführung der priesterlichen Ehelosigkeit u. ihre Folgen, Altenb. 1828; Klitzsche, Geschichte des Cölibats, Augsb. 1830; Der Cölibat, Regensb. 1841. In der Griechisch-katholischen Kirche wird das Gelübde des C. für die Priester nicht verlangt, nur wird die Eingehung einer zweiten Ehe mit der Beschränkung gestattet, daß der Priester dann die Sacramente nicht mehr verwalten darf. Bei dem niedern Clerus findet aber auch diese Beschränkung nicht Statt, da diese selbst nach Eingehung einer zweiten Ehe in ihren Amtsbefugnissen belassen werden. Nur die Bischöfe dürfen nicht verheirathet sein u. werden deshalb gewöhnlich aus dem Mönchsstand genommen. In der Protestantischen Kirche wird der C. für die Geistlichen verworfen u. als Gründe dafür in den Symbolischen Büchern angeführt: die Ehe ist von Gott in der Heiligen Schrift ohne Ausnahme verordnet; sie ist ein Gesetz der Natur zur gesetzlichen Stillung der fleischlichen Triebe; das Verbot ist gegen die alten Canones u. nur im hierarchischen Interesse eingeführt; das eheliche Verhältniß ist dem Dienste Gottes gewiß nicht hinderlich, es beugt vielmehr vielen sittlichen Scandalen vor. Dagegen wird keinem, welcher den C. zur unbehinderten Ausübung der religiösen Pflichten sich glaubt auflegen zu müssen, dies verwehrt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 253-254.
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