Koptische Kunst

[474] Koptische Kunst, die von den alten Kopten in der Zeit vom 3.–8. Jahrh. betriebene Kunst, deren Erzeugnisse erst seit etwa anderthalb Jahrzehnten durch Gräberfunde und durch Ausgrabungen in den Ruinen der koptischen Klöster in Bâwit näher bekannt geworden sind. Sie sind trotz meist roher Ausführung im einzelnen insofern von Bedeutung, als sie einerseits auf die griechische christliche Kunst bei der Stilbildung der byzantinischen Kunst eingewirkt haben, anderseits eine Vorstufe der arabischen Kunst darstellen, da die k. K., die ihren Schwerpunkt in der Ornamentik fand, alle von andern Kunstübungen übernommenen naturalistischen Motive geometrisch stilisiert hat und die Flächen mit einer zusammenhängenden Ornamentik zu füllen bestrebt war. Sie hat die Motive meist von der hellenistischen Kunst, von Syrien und Byzanz aufgenommen, aber auch von der alten ägyptischen Kunst, die ihr namentlich für flache Reliefs vorbildlich war. Im Kirchenbau folgte die k. K. im allgemeinen der altchristlichen. Ihre Eigenart betätigte sie nur in der Dekoration der architektonischen Zierglieder, in Flächendekorationen, Säulen- und Pilasterkapitellen u. dgl. Eine Spezialität waren die in weichem Kalk- und Sandstein ausgeführten Grabsteine (Stelen), deren reicher bildnerischer, meist dem Kreise der altchristlichen Symbolik entnommener Schmuck mit der Holzschnitzerei verwandt ist, die von den Kopten ebenfalls mit großem Eifer betrieben wurde. Sie erzeugte teils ornamentale Friese, Füllungen, figürliche Reliefs u. dgl., teils kleine Zierate und Figürchen für Hausgeräte, Kästchen u. a. Die Kleinkunst hat sich besonders in Elfenbein (Puppen, Kämme, Haarnadeln, Knöpfe, Griffe, Möbelbeschläge), Bronze (Figürchen, Lampen, Schlüssel, Schalen, Geräte), Ton (Lampen und Gefäße) und Leder (Gürtel, Schmuckkästchen, Kopfkissen) betätigt. Eine hervorragende Rolle in der koptischen Kunst hat die Wirkerei, Weberei, Stickerei, überhaupt die Textilkunstindustrie gespielt, von deren Erzeugnissen seit den 1880er Jahren zahlreiche Überreste gefunden worden sind (s. Tafel »Weberei«, Fig. 1). Es sind teils hemd- oder mantelartige, meist leinene Gewänder, mit Einsätzen und Borten geschmückt, die mit buntfarbiger oder Purpurwolle in Wirkereitechnik ausgeführt sind; auch Wandbehänge mit großen biblischen Figuren in gobelinartiger Technik und im Zeugdruck in Art der Batikfärberei. Gewebte Stoffe erscheinen in Wolle und Seide, letztere mit Mustern nach orientalischen und byzantinischen Vorbildern (s. Weben, Geschichtliches). Die Hauptfundstätten der Überreste der koptischen Kunst sind Achmîm, el Fayûm, Aschmunen, Luxor, Kene, Bâwit und die Schutthügel bei Alexandria. Die Mehrzahl der Funde ist in das Museum zu Kairo gekommen; aber auch die Museen in Wien, Berlin: Kunstgewerbemuseum, Kaiser Friedrich-Museum (s. den Führer, Berl. 1904), London u. v. a. enthalten reichliche Beispiele. Von großem Interesse sind darunter die Textilien der arabischen Periode des 13.–15. Jahrh., die, z. T. durch Inschriften datierbar, die Forschung auf dem gesamten Gebiete der Textilkunst in neue Bahnen lenken. Vgl. Butler, The ancient coptic Churches of Egypt (Oxford 1884, 2 Bde.); Forrer, Die Gräber- und Textilfunde von Achmîm-Panopolis (Straßb. 1891); Gerspach, Les tapisseries coptes (Par. 1890); Ebers, Die k. K. (Leipz. 1892); [474] Gayet, L'art copte (Par. 1902); Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde, Artikel »Koptische Textilfunde« (Stuttg. 1904); Strzygowski, Koptische Kunst (Bd. 12 des »Catalogue général des antiquités égyptiennes du musée du Caire«, Leipz. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 474-475.
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