Parma [4]

[460] Parma, Hauptstadt der gleichnamigen ital. Provinz und des ehemaligen Herzogtums P. (s. oben), liegt 52 m ü. M. in einer fruchtbaren Ebene, an der Parma, einem rechten Zufluß des Po, der hier die Baganza aufnimmt, an den Eisenbahnen Piacenza-Bologna, P.-Spezia, P.-Piadena-Brescia und P.-Suzzara sowie an den Dampfstraßenbahnen nach Langhirano, Traversetolo, Busseto und Polesine. Die Stadt ist von Wällen umgeben, die jetzt als Spaziergänge dienen und in das südlich gelegene, 1591 errichtete Kastell auslaufen. Als Hauptverkehrsader durchzieht die antike Via Ämilia (unter dem Namen Corso Vittorio Emanuele und Strada Massimo d'Azeglio) die Stadt und erweitert sich im Zentrum zur Piazza Grande, mit einem Uhrturm und den Statuen von Correggio (1870) und Garibaldi (1893). Auf der Piazza della Steccata steht ein Denkmal Parmeggianinos (1879), auf der Piazza della Prefettura das Denkmal Viktor Emanuels, ein Denkmal des Afrikareisenden Bóttego (von Ximenez) wird errichtet. Beliebte Spaziergänge sind der Stradone, zwischen der Stadt und dem Kastell im S., mit dem angrenzenden Botanischen Garten, und der ausgedehnte Giardino pubblico. Von den mehr als 60 Kirchen Parmas ist der Dom, im 12. Jahrh. im romanischen Stil erbaut, die älteste. Er hat an der Fassade drei Galerien von kleinen Säulen und drei Löwenportale; das weite dreischiffige Innere enthält in der Kuppel Fresken von Correggio. Neben dem Dom steht das ebenfalls romanische Baptisterium (1196–1270), mit drei schönen Portalen. Andre bemerkenswerte Kirchen sind: San Giovanni Evangelista, ein schöner Frührenaissancebau von Zaccagni (1510), im Innern mit Fresken von Correggio; Madonna della Steccata, die schönste Renaissancekirche Parmas (1521–39 nach Zaccagnis Plan erbaut); San Paolo, mit schönem Marmorgrabmal des Grafen Neipperg, Gemahls von Marie Luise. Ein Saal des ehemaligen Klosters San Paolo ist von Correggio 1518 mit mythologischen Fresken geschmückt. Der riesige Palazzo della Pilotta ist ein unvollendeter Backsteinbau mit gewaltigen Arkaden, der die Kunstsammlungen, die Bibliothek, das Staatsarchiv und das 1618–28 für 5000 Zuschauer erbaute, restaurierte Teatro Farnese in sich vereinigt; der Palazzo Ducale ist jetzt Präfekturgebäude, der Palazzo del Giardino, 1564 unter Odoardo Farnese erbaut, jetzt Militärschule, hat Fresken von Agostino Carracci, der Palazzo del Comune (1627 begonnen) ein schönes Atrium. P. hat (1901) 47,467 (als Gemeinde 49,340) Einw., mehrere Eisengießereien, Seidenspinnereien, Gerbereien, Fabriken für Schuhwaren, Mieder, Fleisch- und Teigwaren, eine königliche Tabakmanufaktur und ausgedehnten Handel mit Produkten der Landwirtschaft. Unter den Bildungsanstalten nimmt den ersten Rang ein die 1512 gegründete Universität mit drei Fakultäten für Rechtswissenschaft, Medizin, Mathematik und Naturwissenschaften (1903: 583 Studierende), nebst den dazugehörigen Instituten. Außerdem hat P. eine Tierarzneischule, ein königliches Lyzeum, Gymnasium, ein Technisches Institut, eine Technische Schule, ein Seminar, eine Zentral-Infanterieschießschule mit (1903) 150 Zöglingen, ein Konservatorium der Musik, eine Kunstakademie mit Gemäldesammlung (über 600 Bilder), deren Hauptbedeutung in den Werken Correggios und seiner Schule besteht, ein Antiquitätenmuseum, das eine römische Bronzetafel und den trunkenen Herkules (Ausgrabungen von Velleja) enthält, eine Sammlung der Fauna des italienischen Afrika (Museo Bóttego) und eine Nationalbibliothek (palatinische Bibliothek) mit 215,400 Bänden, 4754 Manuskripten und 3039 Inkunabeln. Die Stadt besitzt ferner 3 Theater, ein großes allgemeines Krankenhaus, Siechenhaus, Gebär- und Findelhaus, Irrenhaus, Zuchthaus etc. und ist Sitz des Präfekten, eines Bischofs, eines Appell- und Assisenhofs, eines Tribunals, einer Handelskammer; Geburtsort der Maler Mazzola (Parmeggianino) und Lanfranco, des Physikers Melloni und des Komponisten Paër.

Geschichte. Die Stadt P., ursprünglich wahrscheinlich von Kelten bewohnt, wurde 183 v. Chr. römische Kolonie und bald eine wichtige Handelsstadt. Unter Kaiser Augustus hieß sie Colonia Julia Augusta, nach dem Untergang des weströmischen Reiches Chrysopolis (Goldstadt). 570 kam sie an die Langobarden, 774 an das fränkisch-deutsche Reich. An den Kämpfen zwischen Kaisertum und Papsttum im 12. und 13. Jahrh. nahm die Stadt, in wechselnder Parteistellung, lebhaften Anteil. 1247 schlugen die Ghibellinen den von Kaiser Friedrich II. eingesetzten Podesta Heinrich Testa und besetzten die Stadt, worauf Gherardo Correggio zum Podestà ernannt wurde. Der Kaiser belagerte nun P. mit Heeresmacht und gründete, um dort überwintern zu können, in der Nähe auf dem Grolafeld eine neue Stadt, Vittoria; aber die Parmesen verteidigten sich aufs tapferste und schlugen 18. Febr. 1248 durch einen Überfall das kaiserliche Heer völlig in die Flucht. 1306 verlor die Stadt ihre republikanische Verfassung und kam unter die Herrschaft des Ghiberto di Correggio. Nach dessen Sturz und nach vielen Kämpfen, in die auch Ludwig der Bayer 1328 eingriff, kam P. 1335–41 unter die Herrschaft der della Scala, dann wieder an die Correggio, an Obizzo III. von Este und 1346 an Luchino Visconti von Mailand. Nach der Eroberung Mailands durch die Franzosen 1499 nahm Papst Julius II. 1511 P. und Piacenza als Eigentum der Kirche in Besitz, und 1545 wurde P. Hauptstadt des von den Päpsten gegründeten Herzogtums P., bis es 1860 mit Italien vereinigt wurde. Vgl. Affò, Storia della città di P. (Parma 1792–95, 4 Bde.), mit der Fortsetzung[460] von Pezzana (das. 1837–39, 5 Bde.); Scarabelli, Storia civile dei ducati di P., Piacenza e Guastalla (das. 1858, 2 Bde.); Lottici und Sitti, Bibliografia generale per la storia parmense (Turin 1904); Testi, P. (in dem Sammelwerk »Italia artistica«, Bergamo 1905); Guida storica, artistica e monumentale delle città di P. (das. 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 460-461.
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