Parma [2]

[458] Parma, ehemals selbständiges Herzogtum in Italien, grenzte im N. durch den Po an die Lombardei, im O. an Modena, im S. an Toskana, im W. an das Königreich Sardinien und hatte einen Flächenraum von 6158 qkm (112 QM.) mit (1858) 502,247 Einw. (s. die Geschichtskarte von Italien). Nach der Vereinigung des Herzogtums P. mit dem Königreich Italien 1860 wurden aus seinem Gebiete die zwei Provinzen P. und Piacenza gebildet, der südlichste Teil aber (Lunigiana) der Provinz Massa e Carrara als Kreis Pontremoli zugeteilt.[458]

Geschichte. Nachdem Papst Julius II. sich 1511 Parmas und Piacenzas bemächtigt hatte und beide 1521 nach der Vertreibung der Franzosen aus Italien an den päpstlichen Stuhl zurückgefallen waren, erhob Papst Paul III. aus dem Hause Farnese P. und Piacenza 26. Aug. 1545 zu erblichen Herzogtümern und belehnte damit seinen natürlichen Sohn Pietro Luigi Farnese, der 10. Sept. 1547 infolge einer Verschwörung des Adels ermordet ward. Der kaiserliche Statthalter von Mailand, Ferrante Gonzaga, besetzte hierauf das Herzogtum Piacenza, während Ottavio Farnese, der Sohn Pietro Luigis, sich in P. behauptete. Er versöhnte sich mit dem Kaiser und erhielt 1558 von Philipp II. von Spanien auch Piacenza zurück. Ihm folgte 1586 sein Sohn Alessandro Farnese (s. d.), der während des größten Teiles seiner Regierung als Statthalter der Niederlande die spanischen Heere gegen die Niederländer und Franzosen befehligte. Er baute in P. eine Zitadelle und starb 1592 in Arras. Sein ältester Sohn und Nachfolger, Ranuccio I., zog sich durch die Härte, mit der er 1612 eine Verschwörung des Adels unterdrückte, allgemeinen Haß zu, förderte aber Kunst und Wissenschaft; er baute den Palast Pilotta und das Teatro Farnese. Ihm folgte 1622 sein Sohn Odoardo, vermählt mit Margarete, Tochter des Großherzogs Cosimo II. von Toskana, und deshalb ein Bundesgenosse des Hauses Medici und Frankreichs. Auf Odoardo folgten nacheinander seine Söhne: 1646 Ranuccio II., 1694 Francesco und 1727 Antonio. Als mit letzterm 1731 der Mannesstamm des Hauses Farnese erlosch, gingen die Herzogtümer P. und Piacenza an den Infanten Karl von Spanien über, dem seine Mutter Elisabeth, eine Enkelin des Herzogs Ranuccio II., seit 1714 Gemahlin des Königs Philipp V. von Spanien, bereits 1720 die Anwartschaft darauf verschafft hatte. Dieser beteiligte sich an dem Polnischen Erbfolgekrieg und trat durch den Frieden von Wien 1735 die Herzogtümer an Österreich ab, wogegen er das Königreich beider Sizilien erhielt. Im Österreichischen Erbfolgekrieg wurden P. und Piacenza 1745 von Spanien zurückerobert. Zwar gewann Österreich sie schon im folgenden Jahr wieder, aber im Aachener Frieden von 1748 trat Maria Theresia beide Herzogtümer nebst Guastalla (das seitdem zu P. gehörte) an den spanischen Infanten Philipp, Karls jüngern Bruder, ab. Auf diesen folgte 1765 sein Sohn Ferdinand unter der Vormundschaft des Franzosen Wilhelm du Tillot, der eine freisinnige Regierung führte und die Rechte der Kirche beschränkte. Nachdem der Herzog 1781 die Volljährigkeit erlangt hatte, gab er du Tillot den Abschied und führte 1787 die Inquisition in seinen Herzogtümern ein. Im französischen Revolutionskrieg erkaufte er, von Österreich im Stiche gelassen, von Bonaparte 9. Mai 1796 mit 2 Mill. Lire, einer Menge von Kriegsbedürfnissen und 20 der besten Gemälde Parmas einen Waffenstillstand, der am 5. Nov. in einen Frieden umgewandelt ward, mußte aber dessenungeachtet Teile seines Gebietes am linken Poufer an die 1797 errichtete Zisalpinische Republik abtreten. Zufolge einer Übereinkunft zwischen Frankreich und Spanien vom 21. März 1801 erhielt Ferdinands und Marie Amaliens von Österreich Sohn Ludwig das aus dem Großherzogtum Toskana gebildete neue Königreich Etrurien. Dagegen mußte er, als der Herzog Ferdinand 9. Okt. 1802 starb, die Herzogtümer P., Piacenza und Guastalla an Frankreich abtreten, worauf sie Napoleon I. 21. Juli 1805 dem französischen Reich völlig einverleibte. Aber schon 30. März 1806 gab der Kaiser seiner Schwester Pauline Borghese das Herzogtum Guastalla; die Herzogstitel von P. und Piacenza, jedoch ohne Regierungsrechte, wurden dem Großkanzler Cambacérès und dem Erzschatzmeister Lebrun verliehen. Zufolge einer Verfügung von 1808 bildeten P. und Piacenza das Departement Taro.

Durch den Pariser Frieden von 1814 und die Wiener Kongreßakte von 1815 kamen die Herzogtümer P., Piacenza und Guastalla als souveräner Besitz an die bisherige Kaiserin von Frankreich, die Erzherzogin Marie Luise; 1817 wurde bestimmt, daß sie nach deren Tod an die in Lucca herrschenden Bourbonen, die Nachkommen des Königs Ludwig von Etrurien, fallen sollten. Als diese 17. Dez. 1847 starb, fiel daher das Herzogtum P. an den frühern Herzog von Lucca, Karl II. Ludwig von Bourbon. Sogleich nach dem Übergang des Landes an den Herzog Karl richteten die Bewohner Parmas an ihn die dringende Bitte um Reformen der Verwaltung. Allein der Herzog schloß sich nur um so enger an Österreich an, und ein Korps ungarischer Truppen besetzte das Land (9. Febr. 1848). Nachdem 19. März vergebens Entfernung der Truppen und freie Institutionen begehrt worden waren, brach 20. März eine Revolution aus, die den Herzog zur Nachgiebigkeit zwang. Das Ministerium wurde entlassen, und alle Forderungen des Volkes wurden bewilligt, worauf der Herzog, nachdem er eine Regentschaft eingesetzt hatte, 19. April das Land verließ. Als Karl Albert von Sardinien sich an die Spitze der italienischen Bewegung stellte und Österreich den Krieg erklärte, schloß sich auch P. durch Proklamation vom 10. Mai 1848 an Sardinien an und wurde von sardinischen Truppen besetzt. Infolge des Waffenstillstandes vom 9. Aug. 1848 zwischen Sardinien und Österreich mußte sich ersteres verpflichten, Modena sowie P. und Piacenza zu räumen, und 12. Aug. nahm der österreichische Feldzeugmeister Baron d'Aspre wieder Besitz von P. Nach Kündigung des Waffenstillstandes 12. März 1849 erklärte sich der Magistrat der Stadt P. 16. März für die Einverleibung in Sardinien, und es rückten abermals Sardinier unter dem General Lamarmora in P. ein. Allein nach der Schlacht von Novara (23. März) mußte Sardinien das Land wiederum räumen, worauf 6. April die Österreicher wieder einzogen. Inzwischen hatte 14. März 1849 Herzog Karl II. Ludwig zugunsten seines Sohnes Karl III. die Regierung niedergelegt, der sie im August 1849 antrat und sofort die schärfste Reaktion begann. Alle Teilnehmer am Aufstand wurden schwer bestraft; das Land erhielt eine strenge Polizei und eine österreichische Besatzung. Die Zitadelle von Parma ward zur Festung umgewandelt. Am 26. März 1854 ward Herzog Karl von einem Meuchelmörder verwundet und starb tags darauf. Ihm folgte sein Sohn Robert (geb. 9. Juli 1848), unter Vormundschaft seiner Mutter Luise Bourbon, Schwester des Grafen Chambord. Am 7. Febr. 1857 verließen die Österreicher das Herzogtum, nur Piacenza blieb vertragsmäßig von ihnen besetzt. Beim Ausbruch der italienischen Bewegung von 1859 forderte das Volk in P. sofort Anschluß an Sardinien. Als 30. April selbst die Offiziere der Truppen die Regentin ersuchten, gemeinschaftliche Sache mit Viktor Emanuel zu machen, verließ Luise, um ihre Neutralität zu bewahren, mit ihrem Sohn das Land und begab sich nach Mantua. Alsbald ward eine provisorische Regierung eingesetzt, welche die Vereinigung mit Sardinien vorbereitete. Doch war ein Teil[459] des parmesanischen Truppenkorps für die Aufrechterhaltung der Selbständigkeit und rief 4. Mai die Herzogin zurück. Diese leistete der Aufforderung Folge und ließ die Nationalgarde entwaffnen, suchte aber im übrigen ihre Neutralität zu behaupten. Ein Teil des Herzogtums empörte sich jedoch und ward im Namen Viktor Emanuels vom General Ribotti besetzt. Am 27. Mai flüchteten die Kinder der Herzogin nach der Schweiz, und als die Österreicher nach der Schlacht bei Magenta Anstalt trafen, Piacenza zu räumen, entband jene 9. Juni ihre Truppen des Eides der Treue und reiste noch an demselben Tag ab. Die bereits 8. Juni in der Stadt P. konstituierte revolutionäre Behörde wählte hierauf eine provisorische Regierung, und diese ersuchte Viktor Emanuel, die Regierung des Herzogtums zu übernehmen. Die Volksabstimmung in P. über die Vereinigung mit Sardinien ergab 63,403 Stimmen dafür und 506 dagegen, durch Dekret vom 18. März 1860 erfolgte hierauf die Einverleibung Parmas in das neue Königreich Italien. Literatur s. Parma (Stadt).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 458-460.
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