Rio de Janeiro [3]

[1] Rio de Janeiro (spr. riŭ dĕ schanē-irŭ, d.h. »Januarfluß«, São Sebastião do R. gewöhnlich bloß Rio genannt), Hauptstadt der Vereinigten Staaten von Brasilien, am Westufer der gleichnamigen Bai des Atlantischen Ozeans (s. den Lageplan auf S. 3), unter 22°54´ südl. Br. und 43°4´ westl. L., hat eine mittlere Jahrestemperatur von 23,8° (Februar 26,5. Juli 21,4°) und wird häufig vom gelben Fieber heimgesucht.[1] Zwischen dem 387 m hohen Pao de Açucar (»Zuckerhut«) mit den Forts Sao João und Theodosio und dem Pico (228 m) mit dem Fort Santa Cruz führt eine 1600 m breite Einfahrt in die prachtvolle inselreiche, 22 km breite Bai von R., einen der schönsten und sichersten Häfen der Welt; nur die aus NW. kommenden Böen (terraes altos) sind den Schiffen manchmal gefährlich.

Stadtwappen von Rio de Janeiro.
Stadtwappen von Rio de Janeiro.

Unter den Inseln ist die Ilha do Governador die größte, ein kleines Felseneiland an der Einfahrt in die Bai trägt ein Fort, ebenso die Insel Villegaignon, die Insel das Enchadas eine, die dicht vor R. selbstliegende Insel das Cobras mehrere Batterien. Auf der letztern liegt auch das große Seearsenal mit Werften und Docks, auf dem nahen Inselchen Fiscal die Zollkaserne.

Lageplan von Rio de Janeiro.
Lageplan von Rio de Janeiro.

Die Stadt zerfällt in die Altstadt, die Neustadt und die Vororte. Die meist aus Granit gebauten Häuser sind schmal und schmucklos, die Kirchen denen in andern amerikanischen Städten kaum ebenbürtig. Dagegen ist die Stadt kanalisiert, durch drei Wasserleitungen vom Corcovado und der Serra da Tijuca hinreichend mit Wasser versehen, mit Gas beleuchtet, hat eine gut eingerichtete Polizei und Feuerwehr und zahlreiche Pferdebahnen, die den Verkehr mit den entferntesten Vorstädten vermitteln. Die Altstadt ist vorzugsweise Sitz der Kaufmannschaft, in ihr liegen außer dem großen Kriegsarsenal und Militärlazarett das Zollhaus mit Docks, die Börse, Hauptpost und Kathedrale; südlich mündet sie in die Praça 15 de Novembre mit Denkmal des Generals Osorio und dem ehemaligen kaiserlichen Palast, jetzt Haupttelegraphenamt und Ministerium für öffentlichen Unterricht, dem Haus der Deputiertenkammer und einer Markthalle. Die in die Rua Primeiro de Marco einmündende Rua do Ouvidor ist eine der schönsten der Stadt mit zahlreichen glänzenden Läden; sie führt auf den Largo de São Francisco de Paulo mit gleichnamiger Kirche, den eine Statue José Bonifacios ziert. Schön angelegt ist der Praça do Tiradentes, früher da Constitução, mit dem Reiterstandbild des Kaisers Pedro I. An dem großen, zu einem Park umgeschaffenen Praça da Republica, früher Praça de Acclamação (zur Erinnerung an die Erklärung der Unabhängigkeit Brasiliens so genannt), der die Altstadt von der wenig interessanten Neustadt trennt, liegen die St. Annakirche, große Kaserne, Münze, Senatspalast, Nationalmuseum, Stadthaus, Opernhaus und der Hauptbahnhof. Von den Vorstädten sind die wichtigsten São Christovão mit dem frühern kaiserlichen Schloß Boa Vista mit Park, jetzt Museum Ajudá, und da Gloria mit Park, am Quai da Gloria und der Nationalbibliothek, Cateba mit Hospital, Botafogo mit der großen Irrenanstalt Dom Pedros II., der Militärschule und dem Botanischen Garten mit berühmter Allee von Königspalmen (Oreo doxa regia). Mit ihren Vorstädten mißt die Stadt fast 10 km von NW. nach SW. und erstreckt sich 16 km weit längs der Bai. Die Bevölkerung wurde für 1902 auf 700,000 geschätzt, darunter viele Ausländer (Portugiesen, Franzosen, Deutsche, Engländer). Die Industrie ist vertreten durch Eisengießereien, Maschinenbauwerkstätten, Baumwoll- und Segeltuchwebereien, Tabak- und Zigarrenfabriken, Destillationen, Brauereien, Korn-, Säge- und Ölmühlen, Papier-, Eis-, Mineralwasser-, Pianoforte-, Möbel- und Hutfabriken, Glasfabriken, Diamantenschleifereien, Gerbereien, Herstellung von Blumen aus dem vielfarbigen Gefieder der Vögel. Der Handel ist ungemein wichtig, denn R. ist der Hauptstapelplatz Brasiliens sowie der ganzen Ostküste Südamerikas. Monatlich gehen 15 Postdampfer nach Europa, 2 nach Nordamerika ab, und noch häufiger ist die Verbindung mit den Küstenstädten. Von deutschen Dampferlinien verkehren hier regelmäßig die Hamburg-Südamerikanische Dampfschiffahrtsgesellschaft und der Norddeutsche Lloyd (vgl. die Textbeilage I zum Artikel »Dampfschiffahrt«, S. I, Nr. 2 u. 4). Die Einfuhr betrug 1901: 165, die Ausfuhr 140 Mill. Mk. Letztere besteht vornehmlich in Kaffee, sodann in Tabak; ein Drittel der Einfuhr kommt auf England und Indien (Reis, Baumwollwaren, Kohle, Eisen, Stahl, Maschinen), dann folgen die La Plata-Staaten, Deutschland (20 Mill Mk.), Frankreich und die Union (je 15 Mill. Mk.). Die Stadt hat mehrere Docks, 9 größere Banken, darunter die Banco da Republica do Brazil und die Brasilianische Bank für Deutschland. R. ist Sitz eines deutschen Berufskonsuls. Unter den zahlreichen Wohltätigkeitsanstalten ist das Krankenhaus Santa Casa de Misericordia (1605 gegründet) das bedeutendste; es bestehen ferner eine Irrenanstalt (in Botofago), Blinden- und Taubstummenanstalt, ein Findelhaus, Waisenhaus, Hospital für Aussätzige, die Erziehungsanstalt von Santa Theresia. Bildungsanstalten sind die Sternwarte, das Nationalmuseum (mit naturhistorischen und anthropologischen Sammlungen), die Nationalbibliothek (130,000 Bände), eine medizinische und eine polytechnische Schule, Akademie der schönen Künste (mit Gemälde- und Skulpturengalerie), Nationalgymnasium, Kriegs-, See-, Handels-, Gewerbe- und landwirtschaftliche Schule, ein Konservatorium der Musik, historisch-geographisches Institut, medizinische Akademie, Juristenverein, Vellosische Gesellschaft (für Naturgeschichte und Anthropologie), Landwirtschaftlicher Verein. Neben vielen Zeitungen in portugiesischer Sprache gibt es auch solche in englischer, französischer, spanischer und italienischer Sprache. R. ist Sitz der Bundesregierung und der beiden Kammern, des obersten Gerichtshofs, Appellhofs, eines Bischofs, der Gesandten der auswärtigen Mächte. – Dias de Solis lief zuerst in die Bai von R. ein (1515), nach ihm Magalhães (1519); 1555 errichtete der Franzose Durand de Villegagnon auf der nach ihm benannten Insel das Fort Coligny, das die Portugiesen aber 1560 zerstörten, worauf sie 1566 die Stadt R. gründeten. Doch kehrten die Franzosen 1710 zurück und räumten erst gegen Zahlung von 600,000 Cruzados die Stadt, die, nachdem der Hof hierher 1807 übersiedelte, schnell wuchs. 1834 wurde es mit den umliegenden Ortschaften als »Municipio neutro« von der Provinz R. getrennt und bildet seit 1889 mit diesen den Bundesdistrikt R. (s. oben, S. 1). Vgl. Allain, R., quelques données sur la capitale, etc. (Par. 1885).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 1-2.
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