Guise [2]

[769] Guise (spr. Gibs), herzoglicher Nebenzweig des Hauses Lothringen. Er stammt von 1) Claude von Lothringen, fünftem Sohn des Herzogs Renatus II. von Lothringen, geb. 1496, dieser ließ sich in Frankreich nieder u. vermählte sich mit der Prinzessin Antoinette von Bourbon, u. seine Besitzung wurde 1527 zu einem Herzogthum erhoben. Er st. 1550 u. hinterließ sechs Söhne u. vier Töchter, unter letzteren die Königin Maria von Schottland (Mutter der Maria Stuart). 2) Jean, Bruder des Vorigen, geb. 1498, Cardinal von Lothringen; wurde 1518 Cardinal u. Bischof von Metz, Staatsminister unter Franz I. u. Heinrich II. u. st. 1550. 3) Francois von Lothringen, Herzog von G., genannt le Balafré (der Genarbte), Sohn von G. 1), geb. 1519 im Schlosse Bar; führte bei Lebzeiten seines Vaters den Titel eines Herzogs von Aumale, zeichnete sich früh schon bei mehreren Gelegenheiten aus, erhielt 1552 den Oberbefehl in Metz, das er glorreich gegen Karl V. vertheidigte, u. eroberte 1558 als Generallieutenant aller königlichen Truppen Calais von den Engländern. Unter Heinrich II., dessen Schwester er geheirathet hatte, u. unter Franz II. herrschte er fast unumschränkt, erlaubte sich zur Wiederherstellung der zerrütteten Finanzen die schlimmsten Erpressungen[769] u. brachte durch Stolz die Hugenotten dahin, die Verschwörung von Amboise zu unternehmen. G. entdeckte dieselbe 1560 jedoch, lockte Condé, das Haupt der Hugenotten, nach Orleans, setzte ihn dort fest u. ließ ihn zum Tode verurtheilen. Nur der plötzliche Tod von Franz II. u. der dadurch geschwächte Einfluß G-s rettete Condé. Dieser versöhnte sich auf Karls IX. Befehl mit G., jedoch 1562 brach der Bürgerkrieg, wodurch die Parteien Condés (Hugenotten) u. G-s (Katholiken) sich feindlich entgegentraten, offen aus. Vergebens hatte die Königin-Mutter, um die Übermacht der G. einzuschränken, den Hugenotten das Toleranzedict verwilligt; theils die Verbindung mit dem Connetable von Montmorency, theils die siegreiche Schlacht bei Dreux am 19. December 1562 brachte G. auf den höchsten Gipfel seiner Macht. Aber am 18. Februar 1563 wurde er von einem reformirten Edelmanne, Poltrot de Mercy, erschossen; s.u. Frankreich u. Hugenotten. 4) Charles, Herzog von G., gewöhnlich der Cardinal von Lothringen genannt, Bruder des Vorigen, geb. 1525 in Joinville; wurde 1540 Erzbischof von Rheims. Er vermochte 1555 den Papst Paul VII. zur Allianz gegen Österreich u. nahm dort den Cardinalstitel, an wurde unter Franz II. u. Karl IX. Minister, sprach sich unter Letzterem besonders gegen die Protestanten aus, veranlaßte aber doch das Religionsgespräch in Poissy. Dem Concil in Trident wohnte er persönlich bei. Als er 1565 mit einem bewaffneten Gefolge in Paris feierlich einreiten wollte (was verboten war), ließ der Marschall von Montmorency dasselbe mit gewaffneter Hand zerstreuen. Beleidigt zog sich deshalb G. nach seiner Diöcese Rheims zurück, wo er zwei Jahre blieb. Später kam er nach Paris zurück. An der Bartholomäusnacht war er nur indirect Schuld, indem er damals in Rom war. Er st. 1574 in Avignon, wohin er gegangen war, um Karls IX. Nachfolger, Heinrich III., zu begrüßen. 5) Charles II. von Lothringen, gewöhnlich Cardinal von Vaudemont genannt, Sohn des Grafen Nicolas von Vaudemont u. Johannens von Savoyen, wurde Bischof zu Toul u. später zu Verdun, 1578 Cardinal u. st. 1587. 6) Charles III., Cardinal von Lothringen, Sohn des Herzogs Charles von G. u. Lothringen u. Claudias von Frankreich, wurde 1578 Bischof zu Metz, 1588 Cardinal u. 1592 Bischof von Strasburg; in dieses Bisthum mußte er sich mit dem Markgrafen Johann Georg von Brandenburg, welcher von einer anderen Partei gewählt war, theilen, erhielt dasselbe aber gegen Zahlung einer gewissen Summe von dem Markgrafen ganz abgetreten u. st. 1607. 7) Louis I. von Lothringen, Cardinal von G, Bruder von G. 4), geb. 1527; wurde 1552 Cardinal u. bald darauf Bischof von Metz u. st. 1578 in Paris. 8) Henri I. von Lothringen, Herzog v. G., ältester Sohn von G. 3), geb. 1550; focht 1560 in der Schlacht von Jarnac, rieth zur Bartholomäusnacht u. stillte in derselben seine Rache an Coligny, den er für den Anstifter der Ermordung seines. Vaters hielt, bildete 1576 die Heilige Ligue, erfocht an deren Spitze mehrere Vortheile über die Hugenotten, zwang Heinrich III., die Freiheiten der Hugenotten zu vernichten, woraus der Bürgerkrieg entstand, welcher 1580 durch den Frieden zu Flex beendigt wurde. Da er Heinrich von Navarra von der Thronfolge ausschließen wollte u. dem König Heinrich III. den Vergleich zur alleinigen Duldung der Katholischen Religion abnöthigte, so entstand daraus der sogenannte Krieg der drei Heinriche, welcher unglücklich für die von ihm vertretene Partei endigte. Als G. sogar einen Plan zur Gefangennahme des Königs machte, ließ ihn dieser 23. December 1588 zu Blois ermorden, darüber s. Frankreich (Gesch.) u. Hugenotten. 9) Katharina von Kleve, Herzogin von G., Tochter von Franz von Kleve, Herzog von Nevers, geb. 1547; verheirathete sich zuerst mit Anton de Croy, dann mit G. 8). Sie übergab nach seinem Tode dem Parlament eine Klagschrift gegen den König wegen der Ermordung ihres Gemahls u. st. 1633. 10) Louis II. von Lothringen, Cardinal von G., Bruder des Vorigen, geb. 1556 in Dampierre, wurde 1574 Erzbischof von Rheims, trat aber diese Stelle erst 1583 an, ging jedoch bald nach Paris, um sich mit seinem Bruder an die Spitze der Ligue zu stellen. Bei der Ermordung seines Bruders wollte er diesem zu Hülfe eilen, wurde aber zurückgehalten, in ein Gefängniß gebracht u. hier den 24. December 1588 niedergehauen. 11) Charles, Herzog von Mayenne, des Vorigen Bruder, entkam bei dem Blutbade von Blois, trat dann an die Spitze der Ligue, mußte aber dem Bourbon weichen, wurde Gouverneur von Burgund u. st. 1611. 12) Charles von Lothringen, Herzog von G., ältester Sohn von G. 8), geb. 1571; saß von 1588–91 als Gefangener im Schlosse zu Tours, entfloh aber, wurde 1594 von Heinrich IV. zum Statthalter der Provence ernannt, mußte unter Ludwig XIII. Frankreich verlassen, begab sich nach Florenz u. st. 1646 zu Cuna im Gebiete von Siena. 13) Louis III. von Lothringen, Cardinal von G., Bruder des Vor., geb. 1575, wurde Erzbischof von Rheims u. Cardinal, zeichnete sich aber in den Feldzügen Ludwigs XIII. als Krieger aus u. st. 1621 zu Saintes. 14) Henri II. von Lothringen, Herzog von G., vierter Sohn von G. 8), geb. 1614 in Blois; war erst Erzbischof von Rheims; von Richelieu seiner Würde entsetzt, ergriff er die Waffen u. heirathete die Gräfin Bossut, die er aber bald wieder verließ. Er u. der Graf von Soissons verbanden sich mit Spanien gegen Richelieu (Ligue für den allgemeinen Frieden der Christenheit). Richelieu erhielt hiervon Kunde, forderte G. vor Gericht u. ließ ihn, als er nicht erschien, 1641 als Hochverräther zum Tode verurtheilen u. seiner Güter verlustig erklären. Nach Richelieus Tode, 1644, wurde er restituirt, begleitete den Herzog von Orleans zur Belagerung von Gravelines u. war eben in Rom, als 1647 Neapel der spanischen Herrschaft sich zu entziehen versuchte. Er erhielt von der Volkspartei den Oberbefehl, wurde aber von den Spaniern bei Caserta gefangen u. nach Spanien geführt, wo er bis 1652 blieb. Er betheiligte sich bei dem wiederholten Zuge nach Neapel 1653–54 u. st. 1664 als Großkammerherr Ludwigs XIV. in Paris. Unter seinem Namen erschienen. Memoiren, 2 Bände, wovon jedoch der 1. von Raymund, Graf von Modena, der 2. von St. Yon, Secretär des Herzogs, ist. 15) Louis Josephe, Herzog von Joyeuse, Neffe von G. 14), heirathete 1667 Elisabeth, Tochter des Herzogs Gaston von Orleans (geb. 1656 u. gest. 1696). 16) Franç. Joseph, einziger[770] Sohn des Vorigen, st. 1675 minderjährig u. mit ihm st. die unmittelbare Linie der Herzöge von G. aus dem Hause Lothringen aus; das Erbe des G. kam an das Haus Condé; die letzte Seitenlinie starb 1825 mit Charles, Prince de Lambesc (s.d.), aus.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 769-771.
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