Blücher

Blücher

[267] Blücher (Gebhard Lebrecht von), Fürst von Wahlstadt und kön. preuß. Feldmarschall, geb. am 16. Dec. 1742 zu Rostock.

Sein Vater, welcher Rittmeister in Diensten des Landgrafen von Hessen. Kassel gewesen war, schickte ihn und seinen ältern Bruder beim Ausbruche des siebenjährigen Krieges zu einem Oheim auf der Insel Rügen, um die Brüder, denen wol hier so wenig wie im Älternhause eine sorgfältige Erziehung zu Theil wurde, von den Kriegsunruhen fern zu halten. Allein schwed. Truppen kamen nach Rügen und der Anblick eines Husarenregiments erweckte in den jedes Wagniß liebenden Jünglingen eine solche Neigung für den Soldatenstand, daß beide als Junker heimlich in schwed. Dienste traten. B. begann also seine kriegerische Laufbahn als Feind Preußens, fiel aber bald in preuß. Gefangenschaft und wurde 1760 durch den ihm gewogen gewordenen Obersten Belling im preuß. schwarzen Husarenregimente angestellt. Er wohnte mit demselben den letzten Feldzügen des siebenjährigen Krieges, sowie 1770 der Besetzung der poln. Provinzen bei, war 1771 Stabsrittmeister, wurde aber 1773 einem Rittmeister von Jägernfeld bei der Beförderung nachgesetzt. Zwar hatte der ungestüme und leichtsinnige, Jagd, Spiel und Gelage leidenschaftlich liebende B. sich diese Zurücksetzung durch sein gewaltthätiges Benehmen zugezogen, allein dennoch schrieb er an Friedrich den Großen: »Der von I., der kein anderes Verdienst hat, als der Sohn des Markgrafen von Schwedt zu sein, ist mir vorgezogen worden; ich bitte Ew. Majestät um meinen Abschied«. Als B. nach 3/4 jähriger Hast bei diesem Entschlusse beharrte, willfahrte ihm der König mit den Worten: »Der Rittmeister [267] von B. ist seines Dienstes entlassen; er kann sich zum Teufel scheren«. B. verheirathete sich jetzt und betrieb anfänglich auf einem Pachtgute in Polen, später auf einem eignen in Pommern, mit Glück die Landwirthschaft. Allein 15 glücklich verlebte Jahre, während der ihm seine Gattin sieben Kinder schenkte, konnten seine ursprüngliche Luft am Soldatenleben nicht verdrängen. Mehrmals versuchte er wieder Dienste zu bekommen, was ihm aber erst 1787 unter Friedrich Wilhelm II. gelang, welcher ihn als Major bei seinem alten Regimente anstellte. Seit 1790 Oberst desselben, zeichnete er sich in den Feldzügen gegen die Franzosen 1793 und 1794 vielfältig aus, wurde Generalmajor, erhielt nach dem 1795 hergestellten Frieden zwischen Preußen und Frankreich ein Commando bei der Demarcationslinie, welche die preuß. Truppen um die neutralen nördl. deutschen Gebiete bildeten und wurde 1801 von Friedrich Wilhelm III. zum Generallieutenant befördert. B. gehörte damals zu Denen, welche, unzufrieden mit der friedlichen Politik Preußens, am eifrigsten für erneuerten Krieg stimmten. Endlich brach dieser 1806 wieder aus, allein die unglückliche Schlacht bei Jena (s.d.) und ihre Folgen zertrümmerten schnell die Hoffnungen der Vaterlandsfreunde, und B., welcher mit den unter seinem Befehle stehenden Truppen den Rückzug des Fürsten von Hohenlohe nach der Oder deckte, suchte nach der Capitulation dieses Feldherrn sich längs der Elbe nach Lübeck zu retten. Die Franzosen erstürmten aber diese freie Stadt und B. mußte sich in dem nahen Ratkau gefangen geben, »weil er weder Pulver, noch Brot, noch Futter mehr habe«, wie er unter dem Vertrage wegen der Übergabe bemerkte. Er wurde bald ausgewechselt, erhielt den Oberbefehl in Pommern, wurde aber später durch franz. Einfluß abberufen und lebte 1812 auf seinem Gute Kunzendorf in Schlesien. Die Folgen der von den Franzosen in Rußland erlittenen Niederlage riefen auch den 70jährigen B. zu neuer Thätigkeit und er erhielt den Oberbefehl über die preuß. Hauptmacht in Schlesien, den man ihm jedoch nicht gleich anvertrauen wollte, weil man des greisen Feldherrn überkühne Husarenart noch immer fürchtete. Indessen standen ihm der General Scharnhorst und nach dessen Tode Graf Gneisenau rathend zur Seite. Ruhmvoll focht er nun in den Schlachten von Lützen und Bautzen, erkämpfte mit dem schles. Heere den großen Sieg bei Wahlstadt (s.d.) an der Katzbach, ging bei Wartenburg über die Elbe und drang von Halle über Möckern gegen Leipzig vor, bei dessen Sturme am 19. Oct. sein unermüdlicher Ruf »Vorwärts!« ihm den ins Volk übergegangenen Beinamen des Marschall Vorwärts erwarb. Auf dem leipziger Markte begrüßte der russ. Kaiser B. als den Retter Deutschlands, der nun, rastlos dem fliehenden Feinde folgend, in der Nacht vom 31. Dec. zum 1. Jan. bei Kaub und Koblenz über den Rhein ging. B.'s unermüdliche Thätigkeit trug überhaupt zur Beschleunigung und zum Gelingen der Unternehmungen der Verbündeten außerordentlich bei. Bei La Rothière erfocht er den ersten Sieg auf franz. Boden, erlitt zwar im Febr. einige Nachtheile, brach aber durch den Sieg bei Laon am 9. März die Bahn nach Paris, erwarb sich bei Erstürmung des Montmartre neuen Ruhm und zog am 31. März in die gedemüthigte Hauptstadt Frankreichs ein, der er noch Tags vorher, indem er sie nach dem eingetretenen Waffenstillstande von Montmartre mit dem Fernrohre betrachtete, zugerufen hatte: »Lieber als das Fernrohr richtete ich auf das Nest meine Kanonen«.

Krankheit nöthigte B., der nach der leipziger Schlacht zum Feldmarschall, jetzt zum Fürsten von Wahlstadt ernannt und mit reichen Gütern beschenkt wurde, den Oberbefehl Anfangs Apr. niederzulegen. Er begleitete dann die verbündeten Monarchen nach England, wo ihm enthusiastische Ehrenbezeigungen erwiesen wurden und das Volk eines Tages, als er zur Königin fuhr, ihm die Pferde ausspannte und seinen Wagen im vollen Laufe dahin zog. Bei Napoleon's Wiederkehr von Elba eilte B. von seinen Gütern in Schlesien herbei, erhielt am Niederrhein den Oberbefehl, wurde zwar bei Ligny von Napoleon geschlagen, eilte aber trotz seines empfindlichen Verlustes und persönlich durch einen Sturz mit dem Pferde schwer verletzt, dem bedrohten Wellington zu Hülfe und half die Schlacht bei Waterloo entscheiden. Von da drang er unaufhaltsam nach Paris vor, nöthigte es zur Übergabe und würde ihm wenig Schonung bewiesen haben, wenn sein Wille durchgedrungen wäre. Den Besitzer aller höchsten Würden und Orden zu belohnen, schuf der König von Preußen einen neuen Orden für B. allein, welcher in einem eisernen, von goldenen Strahlen eingeschlossenen Kreuze bestand, und außerordentliche Schenkungen an Geld und Gut halfen fortwährend B.'s ohnedies große Einkünfte vermehren, wovon aber die großen Ausgaben und die noch viel größern Spielverluste seiner letzten Jahre den Erben wenig übriggelassen haben. B. lebte fortan abwechselnd in Breslau, auf seinen Gütern, in Berlin, besuchte die böhm. Bäder regelmäßig und starb am 12. Sept. 1819 nach kurzem Krankenlager auf seinem Gute Krieblowitz. Er wurde an der von da nach Komth führenden Straße nach seiner Bestimmung unter drei Linden beerdigt, welcher Feierlichkeit das ganze, bei Breslau zur Heerschau versammelte schles. Corps beiwohnte. B. war von großer, schlanker Gestalt, wohlgebildeten, starken Gliedern und besaß ganz das Ansehen eines gebietenden, selbstvertrauenden Kriegshelden. Biedern und offenen Charakters, war er stets bereit, Anderer Verdienste laut anzuerkennen und unterbrach z.B. eines Tages eine Menge Lobredner mit dem Ausrufe: »Was ist's, das ihr rühmt? Es war meine Verwegenheit, Gneisenau's Besonnenheit und des großen Gottes Barmherzigkeit.« Sein Andenken zu ehren, ward ihm 1819 noch bei Lebzeiten in seiner Vaterstadt Rostock ein kolossales ehernes Standbild gesetzt, dessen Inschriften: »Dem Fürsten B. von Wahlstadt die Seinen. In Harren und Krieg, in Sturz und Sieg, bewußt und groß, so riß er uns vom Feinde los«, von Göthe herrühren. Ein anderes kolossales Erzbild errichtete die Provinz Schlesien in Breslau und ein drittes ließ der König 1826 in Berlin, den Bildsäulen der Generale Scharnhorst und Bülow gegenüber, aufstellen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 267-268.
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