Etrurien [2]

[931] Etrurien (Gesch.). In den ältesten Zeiten wohnten im nördlichen E. Ligurer, im südlichen Umbrer, Erstere noch unbekannten, vielleicht celtischen, Letztere griechisch-italischen Stammes. Schon frühzeitig mögen sich an der Küste einzelne Schaaren kleinasiatische Griechen, die zur See gekommen waren, niedergelassen haben; indessen waren die einheimischen Bewohner von einem dritten fremdartigen Volke, das sich selbst nach seinem Archegaten Rasenä (Ras-ennae), gewöhnlicher aber Tursener (wohl etruskisch Turs-ennae, woraus die Griechen Tyrseni u. Tyrrheni, die Umbrer Tursci, die Römer aber Tusci u. Etrusci machten) nannte u. nördlich vom Po her vorgedrungen war. Noch vor der großen celtischen Invasion in Oberitalien saßen Tyrrhener in der Landschaft nördlich des Po, östlich an der Etsch mit den Venetern illyrischen Stammes, westlich mit den Ligurern zusammengrenzend; noch zu des Livius Zeit sprachen die Bewohner der Rhätischen Alpen (Graubündten u. Tyrol) einen tuscischen Dialekt, u. Mantua blieb noch bis in die Kaiserzeit tuscisch. Südlich vom Po u. an den Mündungen dieses Flusses mischten sich Etrusker u. Umbrer, jene als das herrschende, diese als das ältere Volk; die Umbrer hatten hier Hatria u. Spina, die Etrusker Felsina u. Ravenna gegründet. Im nordetruskischen Gebiet hat sich keine dauernde Volksentwickelung gestalten können, während die Ansiedelung der Tusker in dem Lande, das noch jetzt nach ihnen (Toscana) benannt ist, weit wichtiger für die Geschichte geworden ist. Die etruskische Nationalität fand hier eine bleibende Stätte u. hat sich mit großer Zähigkeit bis in die Kaiserzeit hinein behauptet. Schon sehr früh müssen die Ligurer u. Umbrer durch die etruskische Occupation u. Civilisation vollständig vertilgt worden sein. Die Nordgrenze des eigentlich tuskischen Gebietes machte der Arnus; das Land nördlich desselben blieb zwischen Tuskern u. Ligurern streitig u. blieb ohne größere Ansiedelungen. Im Süden wurde das Gebiet zwischen Tiber u. Ciminischen Wald, mit den Städten Sutrium u. Nepete, Falerii, Veji, Cäre erst später, vielleicht erst im 2. Jahrh. Roms, von den Etruskern eingenommen, so daß sich die ursprüngliche italische Bevölkerung, wie bes. zu Falerii, wenn auch in abhängigem Verhältniß, behaupten konnte. Schon damals hatte sich die Genossenschaft der Zwölfstädte[931] gebildet, u. durch diesen Bund erhoben sich die Etrusker zu dem mächtigsten Volke Italiens; sie befuhren das Adriatische u. Tyrrhenische Meer u. standen mit den Puniern in Handelsverbindungen; auch in Campanien siedelten sie sich an u. gründeten um 800 die Colonien Capua u. Nola; hier stellte sich aber ihrem weiteren Vordringen der Lateinerbund entgegen. Unter den verbundenen Städten in E. war Tarquinii, wohin um 660 der aus Korinth vertriebene Bakchiade Kypselos sich gewendet haben soll, die mächtigste u. erlangte um 615 die Oberherrschaft. In die Zeit der Blüthe von E-s Macht fällt die Ausbildung der Aristokratie der Lucumonen u. der etruskischen Disciplin (s. Etruskische Mythologie). Aus Eifersucht gegen die Macht Tarquiniis empörten sich die anderen Städte, u. von nun an wurden mehrere innere Kriege geführt. Auch Auswanderungen nach Rom fanden Statt, wie unter Celes Vivenna (s.u. Cölius 1) u. Mastarna, der nach der Sage dort als Servius Tullius König ward. In einer Seeschlacht gegen die Phokäer, mit denen die Etrusker schon um 700 im Verkehr standen u. die sich zu Alalia in Corsica angesiedelt hatten, siegten sie 546 u. eroberten Alalia, was wegen der Eisenminen auf Corsica sehr wichtig war. Das Sinken der Macht der Etrusker begann in dem Polande, wo sie um 550 von Celten u. Ligurern überwältigt wurden. Erneuerte Unfälle dort nöthigten sie um 520 auszuwandern, ein Theil zog nach Campanien, ein anderer wahrscheinlich nach den Alpen. Bald darauf waren die Besitzungen der Etrusker im Norden des Po, bis auf Weniges, ganz verloren u. bis um 400 war ihre Macht auch in dem Lande südlich des Po von Bojern u. Lingonen gestürzt. In Süditalien waren ihre Hauptfeinde die Samniten, von denen sie um 420 u. etwas später aus Capua u. Cumä vertrieben wurden. Mit Rom mußte Veji allein den Krieg (Etruskische Kriege) aufnehmen. Im Kampfe gegen diese Stadt fielen 478 die 300 Fabier (s.d.). Nachdem 394 Veji von den Römern zerstört, 393 Capena genommen, 392 Falerii besiegt, 382–372 nach Sutrium u. Nepete römische Colonien geschickt worden waren, wurde der Ciminius als Grenze des römischen Gebiets u. E-s angenommen. Nach dieser Zeit fielen die Ligurer in E. ein u. drängten die Etrusker bis an den Arnus zurück. Auch mit Rom begannen seit 356 die Kriege wieder, u. als die Etrusker Sutrium belagerten, drang 310 Q. Fabius Maximus über den Ciminius; Perusia, Cortona u. Arretium mußten einen Separatfrieden schließen, u. die Niederlage der Etrusker am Vadimonischen See brach die Macht des inneren E-s. 308 kämpfte P. Decius Mus glücklich gegen E. Die Seestädte unterstützten inzwischen den sicilischen König Agathokles gegen die Punier. 302 brach ein neuer Krieg mit Rom aus; wohl wehrten sich die Etrusker, von Galliern (Bojern u. Semnonen), Samniten u. Umbrern unterstützt, noch eine Zeit lang gegen die Römer, aber 284 wurden sie mit ihren gallischen Bundesgenossen von dem Consul P. Cornel. Dolabella wieder am Vadimonischen See geschlagen, u. 283 durch neue Niederlagen noch mehr geschwächt, schlossen sie mit Rom Bündnisse; 282 wurde zum letzten Male vom Consul Q. Marcius Philippus über E. im Allgemeinen triumphirt. Nachdem nun noch 280 u. 265 Volsinii u. 241 Falerii besiegt worden war, galt E. für unterworfen. Es wurden einzelne römische Colonien mit römischer Verfassung in E. angelegt, die etruskischen Städte behielten ihre Institutionen, stellten aber Truppen u. leisteten Geldzahlungen an Rom. Übrigens blieb E. ein blühendes u. reiches Land. 89 v. Chr., zu Anfang des Bürgerkriegs, ertheilte Rom den Etruskern das römische Bürgerrecht, um dieselben der Republik zu erhalten. Erst als darauf Sulla das Land sich unterwarf u. römische Militärcolonien einführte, begann die Romanisirung desselben, welche in den späteren Bürgerkriegen vollendet wurde. Unter Augustus bildete E. 3 Regionen; unter Hadrian 3 Provinzen Italiens, unter Constantin eine Provinz der italienischen Diöcese. Indeß verlor sich unter der Römer Herrschaft der Name E. immer mehr u. ging in den von Tuscia über, woraus in der Folge ein selbständiger, doch in mehrere Republiken getheilter Staat, Toscana, hervorging, welchen endlich die Mediceer wieder mit Einem Bande umschlangen. Nur noch einmal wurde der Name E. (Hetrurien) während der französischen Herrschaft in das Gedächtniß zurückgerufen, indem man denselben einem, von 1801–1807 bestehenden Königreiche, welches Anfangs von Ludwig, Erbprinz von Parma, dann von dessen Gemahlin, Marie Louise, Infantin von Spanien, regiert u. endlich im November 1807 von Napoleon eingezogen wurde, beilegte, s. Toscana (Gesch.). Vgl. Dempster, De Etruria regali, 2 Bde., Flor. 1723–26, u. dazu Passeri, Paralipomena, Lucca 1767, Fol.; Micali, Storia degli antichi popoli italiani Flor. 1835–36, 3 Bde.; O. Müller, Die Etrusker, Bresl. 1828, 2 Bde.; Hamilton Gray, The history of Etruria, Lond. 1843 ff.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 931-932.
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