[7] Lytton (spr. litt'n), 1) Edward George Earle L.-Bulwer, erster Lord L., berühmter engl. Schriftsteller und Staatsmann, der deutschen Lesewelt bekannter unter seinem frühern Namen Edward Bulwer, geb. 25. Mai 1803 in London, gest. 18. Jan. 1873 in Torquay und 25. Jan. in der Westminsterabtei bestattet. Er war der erstgeborne Sohn des Generals William Earle Bulwer; der Familienname seiner hochbegabten und reichen Mutter war L., ihr Familiensitz Knebworth. Seine Jugenderziehung erhielt er zu Hause, dann besuchte er die Universität Cambridge. Seine ersten poetischen Versuche zeugten von dem Einfluß Byrons, machten aber wenig Eindruck. Noch sehr jung, schloß er (1827) seine unglückliche Ehe mit der Irländerin Rosina Wheeler, der ein Sohn entsprang (s. unten). Mit »Pelham, or the adventures of a gentleman« (1828) gab L. die Anonymität auf und hatte gewaltigen Erfolg. Er war unterdessen durch Reisen und durch das Studium des Deutschen gereist. Seine Beliebtheit stieg mit jedem seiner neuen Romane. Hierher gehören: »The Disowned« (1829), »Devereux« (1829), »Paul Clifford« (1830). Er betrat nun die politische Laufbahn, schrieb satirische Verse: »The Siamese twins« (1831), wurde ins Unterhaus gewählt und vertrat 183241 die Stadt Lincoln als Liberaler. Bei der Krönungsfeier der Königin Viktoria (1838) wurde er zum Baronet geschlagen. In diese erste Periode fällt eine Reihe seiner größten schriftstellerischen Erfolge, zunächst die Romane: »Eugene Aram« (1832), eine Verbrechergeschichte, späterhin auch dramatisiert; das liebliche Buch »The pilgrims on the Rhine« (1834), »The last days of Pompeii« (1834), die Frucht einer italienischen Reise, und die großartige Wiederbelebung einer bis dahin dunkeln Geschichtsepoche in »Rienzi. the last of the tribunes« (1835); dann von ganz anderm Gehalt, an Goethes »Wilhelm Meister« sich anlehnend, der »dem großen deutschen Volk, einer Nation von Denkern und Kritikern« gewidmete Roman »Ernest Maltravers« (1837) und dessen Fortsetzung: »Alice« (1838). Von geringerer Bedeutung sind: »Godolphin« (1833); »Leila, or the siege of Granada« (1840); »Night and morning« (1841) und »Zanoni« (1842; deutsch, Leipz. 1905), worin sich der Hang zum Geheimnisvollen dartut, der späterhin großen Einfluß über L. erlangte. Überdies veröffentlichte er Bilder des Nationallebens: »England and the English« (1833), schrieb eine Reihe von sehr geschätzten kritischen Aufsätzen in »Blackwood's Magazine«, die er nachher als »The Student« (1835) zusammenstellte, leitete das »New Monthly Magazine«, schrieb sein Geschichtswerk »Athens, its rise and fall« (1837) und eine Reihe von Dramen, von denen »The lady of Lyons« (1838), »Richelieu« (1839), »Money« (1840) und auch »The Sea-captain« (1839), umgearbeitet als »The rightful heir« (1869), starke Bühnenerfolge erzielten. Bei den Neuwahlen von 1842 fiel L. durch und lebte während zehn Jahren in verhältnismäßiger Zurückgezogenheit. Damals fiel ihm (1843) durch den Tod seiner Mutter ein großes Vermögen zu; er änderte seinen Namen nun in Bulwer-L. Auf den historischen Roman: »The last of the barons« (1844) aus dem Kriege der Rosen folgte: »Harold, the last of the Saxon kings« (1845), worin das Romanhafte weit hinter das Historische zurücktritt. In »Lucretia, or the children of night« (1846) kehrte er zum eigentlichen Roman zurück, nicht mit dem frühern Erfolg. Dazwischen fallen Gedichte mit persönlichen Beziehungen: »Eve, and the ill-omened marriage« (1842); Übersetzungen aus Schiller u. d. T.: »Poems and ballads« (1844, neue Ausg. 1869), satirische Verse: »The new Timon, a romance of London« (1846), und das Heldengedicht »King Arthur« (1848). Nun wandte er sich wieder dem modernen Roman mit größtem Erfolg zu: anonym in Monatslieferungen von »Blackwood's Magazine« erschienen die »Caxtons« (1850), die in der Grundanlage den Einfluß des »Tristram Shandy« von Lawrence Sterne verraten. Auf derselben Höhe erhielt er sich in der Fortsetzung: »My novel« (1852). Mit der Flugschrift: »Letter to John Bull« (1850) vollzog er seinen Übertritt zu einem gemäßigten Konservativismus und wurde als Tory 1852 von der Grafschaft Hertford in das Unterhaus gewählt, wo er bis 1866 als großer Redner saß. Unter Derby war er 185859 auch Minister für die Kolonien. In diese Periode gehören seine Romane: »What will he do with it?« und »A strange story« (1861), in welch letzterm er starke Hinneigung zu dem Spiritismus unsrer Zeit an den Tag legte. Als Baron L. of Knebworth wurde er 1866 ins Oberhaus berufen, wo er Gladstones Maßregeln zur Versöhnung mit Irland unterstützte. Literarisch betätigte er sich durch die »Lost tales of Miletus« (1866), eine Übersetzung der Oden des Horaz und das Lustspiel »Walpole« (1869). Anonym veröffentlichte er: »The coming race«, eine Utopie, in der er neuere Entdeckungen der Naturwissenschaft mit dem Phantasiegebilde fliegender Menschen verquickte. Während seiner letzten Krankheit hatte er die Korrekturen seines Romans »Kenelm Chillingly« gelesen; aus seinem Nachlaß erschien sein letzter Roman: »The Parisians«, sowie der unbeendete: »Pausanias the Spartan« (1876). Seine Reden mit ausführlicher Denkschrift hat sein Sohn herausgegeben (1874, 2 Bde.), wie auch »Pamphlets and sketches« (1875). In der äußern Politik neigte er sich mehr zu Deutschland als zu Frankreich. Die letzte Gesamtausgabe seiner Werke ist die »Knebworth-Edition« in 38 Banden (1874 u. ö.).[7] Die Biographie des Dichters nebst dessen nachgelassenen Schriften veröffentlichte sein Sohn u. d. T.: »Life, letters and literary remains« (1883, 2 Bde.); doch reicht die Biographie nur bis 1832 und ist durch die Einleitung zu den Reden zu ergänzen. L. besticht durch seine Vielseitigkeit: er schreibt, um bei seiner Hauptgattung zu bleiben, sentimentale, romantische, historische, realistische und utopistische Romane. Niemals ist er bahnbrechend, immer aber hat er eine seine Witterung für die literarischen Strömungen des Tages. War er für die jeweilige Richtung auch nur Nachahmer, so bewahrte er sich doch seinen verschiedentlichen Vorbildern gegenüber die persönliche Eigenart. Das zeigt sich besonders auffällig im historischen Roman, also gegenüber dem mächtigsten Muster, W. Scott. Die Romane wurden in fast alle europäischen Sprachen, auch wiederholt ins Deutsche, übersetzt. Vgl. Planche, Portraits littéraires, Bd. 1 (Par. 1849); Jul. Schmidt, Bilder aus dem geistigen Leben unsrer Zeit (Leipz. 1870).
Seine Gattin Rosina, Lady Bulwer, geb. 1807 in Limerick, gest. 12. März 1882 in London, war die Tochter Francis Wheelers und Enkelin Lord Masseys und verheiratete sich mit Bulwer 1827. Die Ehe wurde später gelöst, und bald darauf verfaßte sie den skandalösen Roman »Cheveley, or the man of honour« (1839; deutsch, Stuttg. 1840), voll bitterer Angriffe auf ihren Gemahl. Ihm folgten gelungene Schilderungen gesellschaftlicher Zustände in »Miriam Sedley« (1851; deutsch, Wurzen 1852), »Behind the scenes« (1854), »Very successful« (1857) und »The world and his wife« (1858). Vgl. Louisa Devey, Life of Rosina, Lady L. (Lond. 1887).
2) Edward Robert Bulwer-L., Earl, engl. Dichter und Staatsmann, Sohn des vorigen, geb. 8. Nov. 1831, gest. 24. Nov. 1891 in Paris, erhielt seine Schulbildung in Harrow und setzte dann seine Studien in Bonn fort. Schon vor zurückgelegtem 18. Jahr wurde er in den diplomatischen Dienst eingeführt und lernte so Washington und fast alle bedeutenden Städte Europas gründlich kennen. Nach dem Tode seines Vaters wurde er der zweite Lord L. und 1874 Gesandter in Lissabon. Im Januar 1876 berief ihn Graf Beaconsfield auf die hohe Stelle des Vizekönigs von Indien. Als solcher hat er die antirussische Politik Beaconsfields unterstützt, die politischen Verhandlungen mit Schir Ali und die beiden afghanischen Kriege geleitet, woraus ihm hohes Lob, aber auch seitens der Freunde Gladstones bitterster Tadel erwuchs. 1880 kam L. der Absetzung durch Einreichung seiner Entlassung zuvor. Seitdem lebte er, in demselben Jahre zum Earl ernannt, teils auf seinem väterlichen Landsitz zu Knebworth, teils in London. 1888 wurde er zum Botschafter in Paris ernannt. Mit 24 Jahren hatte er unter dem Namen Owen Meredith seinen ersten Band Gedichte: »Clytemnestra, the Earl's return, the Artist, and other poems« (1855), veröffentlicht. Der Erfolg war günstig, und es folgten: »The Wanderer, a collection of poems in many lands« (1859) und »Lucile« (1860), eine Erzählung in anmutigen Versen. Sein Aufenthalt in Serbien brachte dann »Serbski pesme« (1861), eine Sammlung von serbischen Volksliedern, bei der er sich deutscher Vorarbeiten in beträchtlicher Weise bedient hat. In Verbindung mit seinem später verstorbenen Freund Julian Fane, dessen Leben er 1871 beschrieb, gab er in demselben Jahre heraus: »Tannhäuser, or the battle of the bards«; er selbst nahm dabei den Namen Edward Trevor an, sein Freund nannte sich Neville Temple. Im Roman versuchte er sich in »The ring of Amasis« (1863). Eine Sammlung seiner bisherigen Gedichte erschien u. d. T.: »The poetical works of Owen Meredith« (1867, 2 Bde.). Weiter folgten: »Chronicles and characters« (Gedichte, 1868); »Orwal, or the fool of time«, eine Nachbildung von Krasinskis »Ungöttlicher Komödie« (1869); »Fables in song« (1874); »King Pappy« (neue Gedichte, 1877); »Glenaveril, metamorphoses« (1885, 6 Tle.); »After paradise, or legends of exile« (1887) und »Marah« (1892) sowie die obenerwähnte Biographie seines Vaters. über seine Tätigkeit als Vizekönig von Indien veröffentlichte seine Tochter, Lady Betty Balfour: »History of Lord Lytton's Indian administration, 18761880« (Lond. 1899).
3) Henry L. Earle Bulwer, Lord, engl. Diplomat, s. Dalling and Bulwer.
Buchempfehlung
Die vorliegende Übersetzung gibt den wesentlichen Inhalt zweier chinesischer Sammelwerke aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert wieder, die Aufzeichnungen über die Sitten der beiden Vettern Dai De und Dai Schen. In diesen Sammlungen ist der Niederschlag der konfuzianischen Lehre in den Jahrhunderten nach des Meisters Tod enthalten.
278 Seiten, 13.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro