Maimonĭdes

[126] Maimonĭdes (Rabbi Moses ben Maimun, nach den Anfangsbuchstaben dieses Namens Rambam genannt, arab. Abu Amram Musa ben Maimun ibn Abdallah), die hervorragendste rabbinische Autorität des Mittelalters, geb. 30. März 1135 in Cordoba, gest. 13. Dez. 1204. Er stammte aus angesehener Familie, wurde früh von seinem gelehrten Vater Maimun in das jüdische Wissen, in die mathematischen und astronomischen Wissenschaften und von arabischen Lehrern in die Philosophie und Heilkunde eingeführt. Mit scharfem Verstand und ordnendem Geist verband er eine fast unerreichte Arbeitskraft, einen festen, sittenreinen Charakter. Die Religionsverfolgungen der Almohaden, die 1148 Cordoba eroberten, veranlaßten die Familie M.', nach kürzern Aufenthaltsfristen an verschiedenen spanischen Orten 1159 nach Fes überzusiedeln, das sie 1165, um dem Religionszwang abermals zu entgehen, wieder verließ. Sie reiste über Akko, Jerusalem und Hebron nach Ägypten, wo sie Fostat (Alt-Kairo) zum dauernden Wohnsitz wählte. Durch den Juwelenhandel seines Bruders David war M. vor Existenzsorgen geschützt und konnte sich ungestört der Wissenschaft widmen. Nachdem aber der Bruder bei einem Schiffbruch umgekommen und das Vermögen der Familie verloren gegangen war, ward die Heilkunde die Erwerbsquelle des M. Er ward bald Leibarzt des Sultans Saladin, versah daneben das Rabbinat seines Heimatsortes und wurde später zum Oberhaupt (Nagid) der Juden Ägyptens erwählt. Trotz seines vielbewegten Lebens hat M. sich eine seltene Kenntnis der jüdischen und arabischen Wissenschaft, der griechischen, besonders Aristotelischen Philosophie, die er aus hebräischen und arabischen Bearbeitungen studierte, und der Medizin erworben. Der Einfluß, den M. trotz bedeutender Gegnerschaft auf die Denkweise seiner Glaubensgenossen und auf die Entwickelung des Judentums übte, war außerordentlich; eine blühende Schule wirkte lange im Geist ihres Meisters fort. Seine literarischen Arbeiten galten der Erklärung des biblischen und talmudischen Schrifttums, der Philosophie, Mathematik, Astronomie, Medizin, der Erörterung von Zeitfragen, der Abfassung von Gutachten und Sendschreiben etc. Seine drei Hauptwerke, von denen das erste und zweite arabisch, das dritte hebräisch geschrieben ist, sind: 1) der Kommentar zur »Mischna« (vollendet 1168), von mehreren ins Hebräische übersetzt und in den Mischna- und Talmudausgaben abgedruckt; 2) »Dalâlat al-Hâïrîn« (um 1190), eine philosophische Begründung des Judentums; zuerst ins Hebräische von Samuel ibn Tibbon (um 1200) u. d. T.: »More nebuchim« (»Führer der Verirrten«), dann von andern übersetzt (Charisi) und erklärt (Moses Narboni, Abarbanel). Das Werk, früh schon von Mohammedanern und Christen (Albertus Magnus, Thomas von Aquino) geschätzt und benutzt, erschien in lateinischer Übersetzung Paris 1520, dann u. d. T.: »Doctor perplexorum« von dem jüngern Buxtorf herausgegeben, Basel 1629; die bedeutendste Übersetzung und Erklärung des Buches in der Gegenwart, auf Grundlage des gleichzeitig mitedierten arabischen Originals, ist die von MunkLe guide des égarés«, Par. 1856–66, 3 Bde.), der deutsche Bearbeitungen der einzelnen Teile, des ersten von Fürstenthal (Krotoschin 1839), des dritten von Scheyer (Frankf. a. M. 1838), vorangingen, und der die nach der französischen Munkschen gearbeitete Übersetzung des zweiten Teils von Stern (Wien 1864) folgte; 3) »Mischne Thora« (»Wiederholung des Gesetzes«), später »Jad chasaka« (»Starke Hand«) genannt, vollendet 1178–80, das aus 14 Büchern bestehende größte Werk des M., ein streng wissenschaftliches Kompendium über den religiösen und rechtlichen Stoff der gesamten jüdischen Gesetzgebung. Über den Streit, der sich nach M.' Tod über den »Führer« und Mischne Thora entspann, berichtet der Artikel »Jüdische Literatur«, S. 346. Von den kleinern Schritten M.', die wichtige Zeit- und Religionsfragen betreffen, heben wir hervor: 1) »Iggeret ha-Schemad«, über die Frage, ob der Islam eine götzendienerische Religion sei; 2) »Iggeret Teman«, Sendschreiben an die verfolgten Juden in Jemen; 3) »Maamar techijat hametim« über Auferstehung und 4) Sendschreiben an die Gelehrten Marseilles, eine Verurteilung der Astrologie als Aberglauben. Vgl. außer den Geschichtswerken von Grätz, Cassel und Braun: A. Geiger, Moses ben Maimon (Rosenberg 1850); Joël, Beiträge zur Geschichte der Philosophie, Bd. 1 (Bresl. 1876); Rosin, Die Ethik des M. (im Jahresbericht des Breslauer jüdisch-theologischen Seminars, 1876); J. Münz, Die Religionsphilosophie des M. (Berl. 1887) und Rabbi Moses ben Maimon, sein Leben und seine Werke (Mainz 1902, Bd. 1); Guttmann, Das Verhältnis des Thomas von Aquino zum Judentum (Götting. 1891); Bardowicz, Die rationale Schriftauslegung des M. (Berl. 1893); Bloch in Winter und Wünsche: »Die jüdische Literatur«, Bd. 2, S. 750 ff. (Trier 1894); Yellin und Abrahams, Maimonides (in der Sammlung »Jewish Worthies«, Lond. 1903); »The Jewish Encyclopedia«, Bd. 9 (New York 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 126.
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