Poussin

[244] Poussin (spr. pußäng), 1) Nicolas, franz. Maler, geb. im Juni 1594 zu Villers bei Les Andelys in der Normandie, gest. 19. Nov. 1665 in Rom, war Schüler des Quintin Varin, bildete sich 1618–23 in Paris bei Ferdinand Elle und Georges Lallemand und ging dann nach Rom, wo er längere Zeit in ungünstigen Verhältnissen lebte, was ihn aber nicht hinderte, dem Studium der Antike, der ältern Meister und der Natur mit rastlosem Eifer obzuliegen. Seine Hauptvorbilder sah P. in Domenichino und Raffael. Zwischen 1630 und 1640 fallen mehrere seiner bedeutendsten Arbeiten, so: die Pest unter den Philistern, der Mannaregen, Moses schlägt Wasser aus dem Felsen, die erste Abteilung der sieben Sakramente, Pan und Nymphe Syrinx (in der Dresdener Galerie), die Entführung Armidas durch Rinaldo, vier Bacchanalien und der Triumph des Neptun. Durch sie wurde die Aufmerksamkeit des französischen Hofes auf ihn gelenkt, und die Folge war, daß er 1639 als Hofmaler nach Paris berufen und mit der Ausschmückung des Louvre betraut ward. Er folgte dem Ruf erst Ende 1640, kehrte aber, durch die Umtriebe seiner Widersacher dazu bewogen, schon 1642 wieder nach Rom zurück. P. zählt zu den durchgreifendsten Reformatoren der klassischen Kunstrichtung. Er brach mit der Schule, der das Handwerk mehr galt als der geistige Gehalt der Kunst, ohne die Bedeutung technischer Fertigkeit zu unterschätzen, die er selbst in hohem Grade besaß. Dabei befleißigte er sich größter Gründlichkeit. Seine Phantasie war von großer Lebendigkeit, sein Geschmack an der Antike gebildet. Am wertvollsten sind seine groß gedachten, von erhabenem, feierlichem Ernst oder von tiefer Melancholie, seltener von arkadischer Heiterkeit erfüllten Landschaften, mit denen er die sogen. heroische oder historische Landschaft begründete, die später von J. A. Koch, Preller u. a. weiter ausgebildet wurde. Bei den Figurenbildern überwiegt dagegen oft die Berechnung zu sehr; Stellungen und Gebärden erscheinen dann ausgeklügelt, die Gesichter zeigen einen allgemeinen Idealtypus. Von Poussins Werken, die in Italien sogleich, in Frankreich erst später (seit David) anerkannt wurden, sind noch folgende hervorzuheben: die sieben Sakramente (in der Bridgewater-Galerie zu London), die Pest zu Athen (in der Sammlung zu Leigh Court), das Testament des Eudamidas (in der gräflich Moltkeschen Sammlung zu Kopenhagen), eine heilige Familie und Moses, die Quelle aus dem Felsen hervorrufend (in der Eremitage zu Petersburg), die arkadischen Hirten, Diogenes, der seinen Becher fortwirft, Orpheus und Eurydike, die vier Jahreszeiten (im Louvre). Hervorragende Gemälde religiösen und mythologischen Inhalts und Landschaften von P. besitzen auch die Galerien in Wien, München, Dresden und Berlin (römische Landschaft mit Matthäus und dem Engel, Hauptwerk). Nach P. stachen unter andern Château, Poilly, G. Audran, J. Pesne und Claudine Stella. Vgl. Bouchitté, Le P. (Par. 1858); Elisabeth Harriet Denio, Nicolas P. (Leipz. 1898; engl., Lond. 1899); Desjardins, P., biographie critique (Par. 1904).[244]

2) Gaspard, eigentlich Dughet (Doughet), ital. Maler, nach seinem Lehrer und Schwager Nicolas P. genannt, geb. 1613 in Rom, gest. daselbst 25. Mai 1675, wandte sich der historischen Richtung der Landschaftsmalerei zu, worin bereits Nicolas Bedeutendes geleistet. Seine Gemälde sind mehr auf den dekorativen Effekt zugeschnitten und romantischer und zeigen eine tiefere, wärmere Farbe; doch haben sie meist durch Nachdunkeln stark gelitten. Bedeutsame Linien in der Landschaft, großartig komponierte Bäume und Verwendung antiker Ruinen u. dgl., verbunden öfters mit Gewitter und Sturmwind, bilden die Eigentümlichkeit seiner Landschaften, die zahlreiche Künstler zur Nachahmung bewogen. In der Kirche San Martino a' Monti zu Rom hat er Darstellungen aus der Geschichte von Elias und Elisa in Fresko ausgeführt. Größere Landschaftszyklen in Tempera und Öl besitzen von ihm die Paläste Doria, Colonna und Corsini, einzelne Bilder die Accademia di San Luca in Rom, der Palazzo Pitti in Florenz, das Louvre in Paris, die Eremitage in St. Petersburg, das Pradomuseum in Madrid, die Berliner und die Dresdener Galerie und verschiedene englische Privatsammlungen. Man kennt von ihm auch acht radierte Landschaften.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 244-245.
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