Scharnhorst

[701] Scharnhorst, Gerhard Johann David von, preuß. General, geb. 12. Nov. 1756 zu Bordenau in Hannover, wo ihm 1905 ein Denkmal errichtet wurde, als Sohn eines Pächters, gest. 28. Juni 1813 in Prag, besuchte seit 1773 die Militärschule auf dem Wilhelmsstein, trat 1778 als Fähnrich in das hannoversche Dragonerregiment des Generals v. Estorff, ward 1783 Fähnrich in der Artillerie, bald darauf Lehrer an der Kriegsschule, 1784 Leutnant und 1792 Stabshauptmann. 1793–95 focht er an der Spitze einer reitenden Batterie in Flandern und Holland, hatte namentlich an der Befreiung der Garnison Menins rühmlichen Anteil und wurde 1794 Major. 1801 als Oberstleutnant der Artillerie in preußischen Dienst getreten, wurde er Direktor der Lehranstalt für junge Infanterie- und Kavallerieoffiziere. 1802 stiftete er die Militärische Gesellschaft in Berlin. In demselben Jahre geadelt und zum Obersten befördert, ward er 1806 Chef des Generalstabs des Herzogs von Braunschweig. Bei Auerstädt in der linken Seite verwundet, machte er doch den Rückzug Blüchers nach Lübeck mit, ward mit diesem gefangen, aber bald wieder ausgewechselt und nahm als Generalquartiermeister in Lestocqs Korps an der Schlacht bei Eylau teil. 1807 an die Spitze der Militärorganisationskommission gestellt, leitete er 1807–10 das Kriegsdepartement, ward dann Chef des Generalstabs der Armee und reorganisierte das Heer von Grund aus, indem er den Offizierstand reinigte, das Werbesystem beseitigte, durch rasche Ausbildung der Rekruten (das Krümpersystem) eine starke Reserve schuf und für die sittliche und geistige Hebung des Soldatenstandes wirkte. Er wandelte das Söldnerheer in ein Volksheer um und[701] bereitete so die Organisation der Landwehr und die Befreiung Deutschlands vor. Ein scharfer Denker, ein edler Charakter, ein praktisches Genie bei reichstem theoretischen Wissen, anspruchslos und einfach, erreichte er durch stille, nüchterne Arbeit in wenigen Jahren die größten Erfolge und hauchte der Armee einen ganz neuen Geist ein. Als die Russen Anfang 1813 an der Grenze Schlesiens erschienen, betrieb S. mit Eifer die Erhebung Preußens, brachte 28. Febr. in Kalisch den Abschluß des Vertrags mit Rußland zustande, bewog den König zur Stiftung des Eisernen Kreuzes und wurde dann beim Ausbruch des Kampfes als Generalleutnant und Chef des Generalstabs der schlesischen Armee zugeteilt, wo er vergeblich eine energische Kriegführung anriet. In der Schlacht bei Großgörschen (2. Mai) erhielt er eine Wunde, an der er auf der Reise nach Wien, um Österreich zum Anschluß an die Koalition zu bewegen, starb. Seine Leiche wurde später auf dem Invalidenkirchhof in Berlin beigesetzt, wo sein Grab ein von Tieck gefertigtes Denkmal schmückt. 1822 ließ König Friedrich Wilhelm III. dem Verstorbenen durch Rauch vor der Hauptwache in Berlin eine Bildsäule errichten. Sein Bildnis s. Tafel »Feldherren des deutschen Befreiungskrieges II« (Bd. 4). 1889 erhielt das 1. hannoversche Feldartillerieregiment Nr. 10 seinen Namen. Von Scharnhorsts Schriften sind zu nennen: »Handbuch für Offiziere in den angewandten Teilen der Kriegswissenschaften« (Hannov. 1787–90, 3 Bde.; neue vervollständigte Aufl. von Hoyer, 1817–1820); »Militärische Denkwürdigkeiten« (das. 1797–1805, 5 Bde.). Vgl. v. Boyen, Beiträge zur Kenntnis des Generals v. S. und seiner amtlichen Tätigkeit in den Jahren 1808–1813 (Berl. 1833); Schweder, Scharnhorsts Leben (das. 1865); Klippel, Das Leben des Generals v. S. (Leipz. 1869–71, 3 Bde.); Lehmann, Scharnhorst (das. 1886–87, 2 Bde.); v. Lignitz, Scharnhorst (Bd. 5 der Sammlung »Erzieher des preußischen Heeres«, Berl. 1906).

Scharnhorsts ältester Sohn, Wilhelm von S., geb. 1786 in Hannover, gest. 13. Juni 1854 in Bad Ems, kämpfte 1811–13 in der englisch-deutschen Legion in Spanien, seit 1813 in dem preußischen Heer unter Blücher, wurde Artillerieinspektor von Stettin und Koblenz, befehligte 1849 gegen die badische Insurrektion die Artillerie, wurde nach der Übergabe von Rastatt Kommandeur dieser Festung und nahm 1850 als General der Infanterie seinen Abschied. Mit dessen und einer Tochter Gneisenaus Sohn August v. S., der am 11. Nov. 1875 als Platzmajor von Pillau starb, erlosch der Mannesstamm der S.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 701-702.
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