Kasan

[353] Kasan (tatar., d.i. Kessel, Kesselland), 1) sonst Königreich in Asien; 11,000 QM.; bewohnt von Biarmieru u. anderen finnischen Völkern. Unter Dschingiskhan bemächtigte sich die goldene Horde der Tataren des Reichs u. bildete das Khanat Kaptschak, welches 1441 in die Provinzen K., Astrakhan, Krim u. Kaptschak zerfiel, u. dessen Hauptstadt das erst neuerlich (1836) wieder aufgefundene Saraï, nahe der heutigen Stadt Zarew im Gouvernement Saratow, da wo sich die Achtuba in die Wolga ergießt, war. Die Bewohner K-s waren oft im Kriege mit den Russen begriffen, welche erst 1554 unter Iwan Wasiljewitsch II. die Eroberung K-s vollendeten, s.u. Tataren (Gesch.). 1741 wurde K. von Peter I. zum Gouvernement erhoben, welches seit 1775 in die Gouvernements K., Simbirsk, Perm, Pensa u. Wiätka zerfällt, die zusammen einen Flächenraum von 11, 264 QM. einnehmen u. deren Bevölkerung 7 Mill. Ew. beträgt, eine bunte Völkermischung von Groß- u. Kleinrussen, Finnen, Mongolen, die zwar größtentheils der Griechischen Kirche angehören, doch zum Theil auch der Katholischen, der Armenischen u. fast allen anderen christlichen Bekenntnissen, sowie es auch Muhammedaner u. selbst Anhänger der Lehre des Dalai-Lama gibt; s.u. Russisches Reich (Gesch.). 2) Gouvernement aus obigem gebildet, grenzt an die Gouvernements Wiätka, Orenburg, Simbirsk u. Nishnij-Nowgorod; hat auf 1131 QM. 1, 350,000 Ew., unter denen die vorerwähnten National- u. Religionsunterschiede fast noch schroffer ausgeprägt sind, weil sie hier sich auf kleinerem Raume finden; es gibt hier außer anderen auch Tscheremissen, Tschuwaschen, Wotjäken, Kalmücken. Das Land ist wellenförmig mit kleinen Landrücken zu beiden Seiten der Wolga (Undersches Gebirge, kaum 2000 Fuß hoch); Flüsse: dem Hauptstrome, der Wolga, gehen hier die Wetluga, die beiden Kokschaja, die Swiaja, der Tyswil, der schiffbare Kama mit dem ebenfalls schiffbaren Zuflusse Wiätka zu. Viele kleine Seen, die ebenso wie die Flüsse fischreich sind. Das Klima ist mild u. begünstigt den Acker- u. Gartenbau, der Winter ist kurz aber streng; Producte: Getreide, Hanf, Obst; Waldungen (auf der linken Seite der Wolga meist Nadelholz, auf der rechten Eichen, doch auch Espen, Pappeln, Ulmen, Ahorn, Birken u.a.); Kupfer, Eisen u.a. Mineralien; die Viehzucht ist in Aufnahme begriffen; der Fischfang ist sehr ergiebig (Hausen, Störe) u. liefert den Tschuwaschen u. Tscheremissen den Hauptbestandtheil ihrer Nahrung; die Gewerbe blühen (Kreis Tschistopol), bes. Weberei, Gerberei, Färberei, Schiffbau; der Handel, bes. mit Korn, ist lebhaft; Wappen: weißes Feld, worin ein stehender, schwarzer, rothgeflügelter u. gekrönter Drache; Eintheilung: in 12 Kreise; das Gouvernement hat überhaupt 13 Städte, einen Ort (Possad) u. 3810 Dorfschaften; 3) der größte u. bevölkertste Kreis im Gouvernement, an der Wolga, mit vielen kleinen Seen; Ackerbau, Viehzucht, Fischfang, Baumwollenzeuge im Dorfe Wereski (in rother Farbe, Kumutsch), 190,000 Ew.; hier Arsk, Stadt, ehemalige Sommerresidenz der kasanschen Könige; 4) Hauptstadt des Kreises u. des Gouvernements, an der Kasanka, 1 Meile von der Wolga, Sitz der Gouvernementsbehörden; getheilt in die Festung Kreml (mit zehnthürmiger Mauer u. an drei Seiten von schroffen Abhängen umgeben) u. die eigentliche od. innere Stadt (mit dem Kreml durch eine Brücke verbunden); Erzbischof, alte Kirche Mariä-Geburt, Kasernen, großer Kaufhof, Universität (gestiftet 1803, mit Bibliothek, Botanischem Garten, Sternwarte u. Klinikum im Militärhospitale), geistliche Akademie, Gymnasium mit Unterricht in asiatischen Sprachen, 49 Kirchen (darunter 3 Klöster), 12 Moscheen, Cadettencorps, adeliges Fräuleinstift, geistliches Seminar (gestiftet 1797), tatarische Hauptschule, Theater, Waisenhaus u.a. m. Zahlreiche Tuch- u. Wollenzeugmanufacturen, große Gerbereien u. Seifensiedereien, Eisenfabriken, ausgebreiteter Handel mit diesen Erzeugnissen, außerdem ist K. der wichtigste Stapelplatz für den Verkehr zwischen Rußland u. Sibirien; 57, 270 Ew. (1855). Eine Vorstadt ist die Admiralitätsslobode mit Schiffswerften, an der Kasanka; ferner außer der Stadt: Pulvermühle, Denkmal der Unterwerfung K-s, 2 Klöster. Der Kasansche Lehrbezirk umfaßt 9 Gouvernements, mit 1 Universität, 9 Gymnasien, 70 Lehrer u. dabei angestellte Beamte. – K. ist in der Mitte des 13. Jahrh. wahrscheinlich vom Tatarkhan Batu gegründet 1399 vom Großfürsten Wasili Dmitriewitsch zerstört, wurde es 1440 vom Khan Ulu Machmet, zwei Stunden näher der Kasanka, wieder aufgebaut u. Hauptstadt des Kiptschakischen Reichs 1552 wurde es von Iwan Wasiliewitsch erobert 1774 von Pugatschew niedergebrannt, von Katharina II. wieder aufgebaut. 1815 u. im August u. September 1842 große Feuersbrünste.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 353.
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