Philon

[69] Philon, 1) Athener, Schwager des Redners Äschines, war 347 v. Chr. Mitglied der Gesandtschaft, welche an den König Philippos von Macedonien geschickt wurde. 2) Ein Erzgießer, welcher die Bildsäule des Hephästion für Alexander den Großen goß. 3) P. aus Byzanz, griechischer Mathematiker im 3. Jahrh. v. Chr., Schüler des Ktesibios, schrieb über Mechanik, wovon noch das 4. Buch u. Fragmente des 7. u. 8. übrig sind, herausgeg in Thevenots Sammlung der Mathematiker, Par. 1693, Fol.; er ist auch angeblich Verfasser der Schrift von den sieben Wunderwerken der Welt, herausgegeben von Leo Allatius, Rom 1640, u. von Orelli, Lpz. 1816. 4) P. aus Larissa, Redner u. Philosoph, Schüler des Klitomachos, Stifter der dritten od. vierten Akademie; floh 88 v. Chr. im Mithridatischen Kriege nach Rom, wo sich Cicero an ihn anschloß. Er war weniger skeptisch als sein Vorgänger u. suchte den Streit der frühern u. spätern Akademie auszugleichen. 5) P., griechischer Arzt, von Tarsos, Zeitgenoß des Augustus, bekannt als Erfinder eines von ihm erfundenen u. im elegischen Versmaß beschriebenen, in Rom sehr gewöhnlichen, gegen Kolik u. andere Zufälle verordneten Arzneimittels (Philonium), das aus Opium, Safran, Bertramwurzel, Euphorbium, weißem Pfeffer, Bilsenkraut, Narden u. attischem Honig bestand; in Weber: Die elegischen Dichter der Hellenen, Frankf. 1826. 6) Griechischer Geschichtsschreiber, schr. über Jerusalem, Fragmente gesammelt von Philippson, Berl. 1830. 7) P. Judäus, aus Alexandria, geb. um 20 v. Chr., ein Jude; begleitete 39 n.Chr. eine Mission der alexandrinischen Juden an den Kaiser Caligula, um sich wegen Bedrückungen von Seiten des römischen Statthalters zu beschweren, wurde aber abgewiesen; er starb gegen 54 n.Chr. P. besaß eine ausgebreitete Bekanntschaft mit der Platonischen Philosophie u. suchte die philosophischen Ansichten seiner Zeit im Pentateuch wiederzufinden, welchen er durch allegorische Interpretation seines geschichtlichen Inhalts zu Ehren bringen wollte. Blose Sagen sind, daß Ph. Christ geworden sei u. mit dem Apostel Petrus eine Zusammenkunft gehabt habe. Das dogmatische System des P. ist ein in jüdischem Sinne streng festgehaltener, aber auf platonische Weise ausgebildeter Monotheismus. Er scheidet zwischen Gott an sich, dem Seienden, dem Absoluten, welcher nur ein transcendentes, aber kein immanentes Dasein hat, u. dem Gott, welcher sich offenbart, namentlich als Urheber der Welt, welche er, bestimmt durch seine Güte, aus der Urmaterie (Hyle) durch den Logos schaffen ließ u. erhält u. regiert. Diese Beziehung des von der Welt an sich getrennten Gottes doch wieder zu der Welt wird vermittelt durch Mittelkräfte (Dynameis), welche göttliche Kräfte u. Eigenschaften sind, wie die platonischen Ideen; durch diese Kräfte sind die Kräfte der Welt entstanden u. von denselben wird die Welt durchdrungen, u. so ist die Welt geschaffen u. so wird sie erhalten. Der Logos (sowohl das Wort, u. zwar nach biblischem Sinne das Wort Gottes, als nach griechischem Sinne der Grund der Dinge, die Idee, die Ideenwelt), ist selbst eine Mittelkraft, steht aber als die erste u. älteste näher bei Gott u. über den anderen Kräften, in ihm concentriren sich die andern, indem sie, wie er aus Gott ausgeflossen ist, wieder von dem Logos ausfließen u. von demselben durchdrungen werden. Er ist das Werkzeug, wodurch Gott die Welt schuf; durch ihn wurde die gestaltlose Urmaterie vertheilt (daher heißt er der Theiler), so daß zunächst die vier Elemente daraus hervorgingen u. dann die daraus gebildeten Creaturen, indem Gott die in dem Logos ruhenden Ideen in die Materie eindrückte; durch ihn erhält u. regiert Gott auch das Geschaffene (daher heißt er der Statthalter Gottes). Von dem Logos ist verschieden erst die Weisheit Gottes (Sophia) als die[69] neben dem Logos alteste Kraft, dem Logos sehr verwandt, auch Weltschöpferin genannt u. mehr in biblischem Sinne u. femininer Bedeutung gebraucht; Logos u. Sophia bedingen sich gegenseitig, indem der Logos aus der Sophia ausströmt u. jener diese offenbart; dann der Geist Gottes (Pneuma) als die göttliche Einwirkung auf den Menschen, welcher von oben kommend den Menschen nach oben zieht, nur in dem frommen Menschen bleibt u. sich namentlich als Begeisterung der Propheten äußert. Die Engel sind, während die Kräfte als bloße Abstractionen erscheinen, die schon in dem A. T. auftretenden Persönlichkeiten, welche als Mittelwesen mit den personificirten Kräften ihre Berührung finden; sie sind körperlos, haben ihren Sitz in der Luft u. werden von Gott als Diener u. Mittler zwischen ihm, dem Reinen, u. der unreinen Materie gebraucht, um das Böse als Strafe zu bringen, welches dennoch heilbringend für den Menschen ist; daher kennt P. keine bösen Engel u. auch keinen Teufel. Die Ethik des P. ist die der Sokratischen Schule, bes. des Plato u. der Stoiker, u. steht in scharfem Gegensatze zu der der Epikureer. Die Frömmigkeit ist ihm die höchste Tugend, ja der Inbegriff aller Tugenden. Die Sittlichkeit des Menschen wird auf Gott bezogen u. von seinem heiligen Willen abgeleitet. Das positive Element der göttlichen Heiligkeit ist die Liebe, diese bezieht sich auf die Sünder u. mäßigt seine Gerechtigkeit. Die Kluft zwischen dem heiligen Gotte u. dem durch das Wohnen in irdischem Leibe verunreinigten u. unheiligen Menschen wird auch durch die Kräfte vermittelt, namentlich durch den Logos. Dieser ist einmal die der menschlichen Seele von Natur inwohnende göttliche Kraft, das Ebenbild Gottes, das Gewissen; dann die immer von Neuem in die menschliche Seele einströmende Kraft Gottes, das Abbild des Ebenbildes, der Lehrer der Tugend. In der philonischen Anthropologie erscheint theils eine platonische, theils eine biblische Ansicht. Nach platonischer Ansicht gilt die Seele des Menschen als präexistent; diese Existenz war unmateriell u. geistig, u. der Sündenfall hat sich schon in dieser Existenz ereignet, indem die Seele (Psyche) des Geistes durch Wißbegierde u. durch Abfall von Gott in der Liebe zur Erde sich mit einem sterblichen Leibe verband, in welcher Verbindung aber sich die Seele vor der gänzlichen Hingabe an die Lüfte u. Begierden des Leibes bewahren u. vielmehr sich das Sinnliche unterthan machen u. beherrschen muß, u. aus welcher Verbindung sie nach bestimmten Perioden wieder befreit wird. Nach biblischem Begriff war ihm der Mensch nach dem Logos, dem Ebenbilde Gottes, geschaffen u. zwar vollkommen an Leib u. Seele; aber als Geschöpf konnte er nicht in dieser Vollkommenheit bleiben; die Sünde kam aber erst durch das nacherschaffene Weib in die Welt u. wurde durch die Übel in der Welt gestraft. Zwar erbte die Sünde unter den Menschen fort, doch ging ihnen das Ebenbild Gottes nicht ganz verloren, sondern wurde nur verdunkelt, denn der Mensch bleibt durch den Logos in Verbindung mit Gott. Das gebliebene göttliche Ebenbild zeigt sich bes. in der Freiheit des Menschen, durch deren Anwendung er in Anschluß an Gott Gutes, ohne diesen Anschluß aber Böses thut; aber auch das Böse leitet Gott für seine heiligen Zwecke zum Guten. In eschatologischer Hinsicht ist nach P. dem Menschen mit der himmlischen Natur auch die Anlage zur Unsterblichkeit gegeben, derselben wirklich theilhaftig wird er erst durch die Philosophie in ihrer sittlichen Fassung u. durch Übung der Tugend. Die Tugendhaften haben ihren Lohn schon auf der Erde in sich durch die Seligkeit, die Bösen die Strafe durch das Elend, die Furcht u. die Traurigkeit. Je mehr die Seele sich auf Erden der Sinnlichkeit hingegeben hat u. von derselben verunreinigt worden ist, einen desto größeren Kreislauf muß sie machen, ehe sie gereinigt wird u. so wieder zur himmlischen Heimath kommen kann; die fromme Seele aber schwingt sich eher u. leichter. in die höchsten u. vollkommensten Regionen des Äthers zum Schauen Gottes auf, in welchem Schauen die Seligkeit des ewigen Lebens besteht. Rücksichtlich des Cultus verwirft P. von seinem Standpunkt des Monotheismus sowohl den heidnischen, als auch wegen seiner sittlichen Richtung u. wegen seines Mysticismus den jüdischen, da er keines solchen äußerlichen Mittels bedarf, um sich unmittelbar Gott zu nahen. P-s Theologie fand unter den Juden von Alexandria zahlreiche Anhänger u. von den frühesten Kirchenlehrern (Clemens, Origenes) in christliche Lehrsätze gebracht, bildete sie die Theologie der Katechetischen Schule in Alexandria. Der wichtigste Verbreiter derselben im Occident war Ambrosius. Die Schriften des P. zerfallen in drei Hauptgruppen: über den Pentateuch (dazu gehören die meisten), frühere philosophische u. spätere philosophische; vgl. Schäffer, Quaestiones Philon., 1829; Großmann, Quaestiones Philon., Lpz. 1829; Derselbe, De Philonis operum continua serie, 1841 f.; Gfrörer, P. u. die alexandrinische Theosophie, Stuttg. 1831, 2. A. 1835; Dähne, Geschichtliche Darstellung der jüdisch-alexandrinischen Glaubensphilosophie, Halle 1834 f., 2 Bde.; Keferstein, Philo's Lehre von den göttlichen Mittelwesen, 1846. Werke herausgeg. von Turnebus, Par. 1552; von Höschel, Genf 1613, Fol.; Par. 1640, u. Frankf. 1691; von Thomas Mangey, Lond. 1742, Fol.; Pfeiffer, Erlang. 1785–92, 5 Bde. (unvollendet). Seitdem wurden einzelne bisher vermißte Schriften von A. Mai, Mail. 1816 u. 1818, u. I. B. Aucher (aus dem Armenischen ins Lateinische übersetzt), Vened. 1822 u. 1826, aufgefunden. Alle bisher erschienene Schriften enthält die Ausgabe des P. von Richter u. Klotz, 1828–30, 8 Bde., u. bei Tauchnitz, ebd. 1851–54, 8 Bde. 8) P. Herennius, aus Byblos in Phönikien, Grammatiker, lebte unter Nerva, Trajanus u. Hadrianus; er schrieb die Geschichte des Letzteren, übersetzte auch angeblich den Sanchuniathon; diese Übersetzung in Fragmenten bei Eusebios erhalten, herausgegeben von Orelli, Lpz. 1826, u. von Cory, Lond. 1828.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 69-70.
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