Vera Cruz

[441] Vera Cruz (spr. Wehrakruhs) 1) früher Intendantur in dem spanisch-amerikanischen Vicekönigreiche Neu-Spanien, am Mexikanischen Meerbusen, 1490 QM. u. 156,000 Ew., bildet jetzt die Staaten V. C. u. Tabasco; 2) seit 1823 Staat der amerikanischen Föderativrepublik Mexico u. zwar einer der östlichen Küstenstaaten, liegt zwischen 18° u. 22° 17' nördl. Breite u. 76° 46' u. 101° 21' westl. Länge (von Ferro), grenzt gegen Norden an Tamaulipas, gegen Osten an den Mexicanischen Meerbusen, gegen Südosten an Tabasco, gegen Süden an Oaxaca, gegen Westen an Puebla, Mexico u. Guerrero, gegen Nordwesten an San Luis Potosi, bildet einen schmalen, langen Küstenstrich von ungefähr 3200 mexikanischen QLeguas (1000 geogr. Quadratmeilen) u. nach Abzug des in neuester Zeit zu dem Territorium von Tehuantepec geschlagenen Districtes Acayucan ungefähr noch 2500 QLeguas (800 geogr. Quadratmeilen); besteht zum großen Theil aus einer brennend heißen Sandsteppe längs der Küste (Küstenebene von Cuetlachtlan) u. dem östlichen Abfall des Anahuac gegen diese Ebene, zum kleinen Theile (im Westen) aus dem Tafellande des Anahuac selbst mit den Bergspitzen: Pic von Orizaba (Citlaltepetl), Coffre de Perote (Nauhcampatepetl) u. der Vulkan von Tuxtla. V. C. umfaßt daher auch alle Klimate von der heißen Sandsteppe an bis zum ewigen Schnee des Pic von Orizaba; es ist in den gebirgigen Gegenden sehr gesund, desto ungesunder in der heißen u. feuchten Küstengegend. Gewässer: zahlreiche kleine Küstenflüsse (worunter der Rio Tampico, R. Garzes, R. de Tuspan, R. de Tecolutla, R. Actopan, R. Chuchalaca, R. Xamapa, R. Aquivilco u. R. de Guazacualco die bedeutendsten), viele Lagunen mit Salzod Süßwasser (worunter die Laguna de Tamiahua, L. de Tampico, L. de Mandingo, L. d'Alvarado u. L. de Latemaco die größten) an der Küste, an welcher viele der Schifffahrt hinderliche Sandbänke liegen. Die Küste selbst hat keine guten Häfen u. nur beschwerliche u. wenig sichere Ankerplätze u. Zugänge, selbst der Hafen von V. C, ist schlecht u. gefährlich. Die Vegetation ist dem Klima entsprechend u. daher sehr verschieden, die Producte höchst mannigfaltig, die Hauptproducte der Küstenebene sind: Cacao, Tabak, Zuckerrohr u. Baumwolle. Die Gerichtsverfassung wurde seit dem Jahre 1824 dreimal verändert, seit 1830 sind Jueces letrados als Unterrichter, zwei Obergerichte zweiter u. dritter Instanz u. ein Justizminister als oberster Richter, aber diese Verfassung ist sehr mangelhaft, hat viel Unzufriedenheit u. schon mehre Änderungsversuche erregt; die Justiz kostet jährlich 30,147 Piaster. Das Unterrichtswesen wurde durch ein Gesetz vom 24. Juli 1826 neu regulirt u. dabei 30,000 Piaster für den wechselseitigen Unterricht ausgesetzt, allein in der Ausführung erhoben sich Schwierigkeiten; zu V. C. besteht das Colegio de los Augustinos, in Orizaba das Colegio nacional Veracruzzano u. in Jalapa eine, 1830 eröffnete Realschule. Beschäftigung: Bau von Vanille, Zuckerrohr, Baumwolle, Bananen, Cacao, Mais, Reis, Tabak, Getreide, Sarsaparille; Viehzucht, bes. in Pferden, weniger Maulthieren u. Eseln, Rindvieh, theilweise auch Ziegen u. Schafen; Jagd u. Fischerei, wenig Bergbau, man fertigt etwas Leder u. grobe baumwollene Waaren, Zucker u. Rum, Cider u. Essig, Seife, Körbe u. Hüte aus Stroh, fällt Holz in den vielen u. schönen Waldungen, brennt Kohlen, bleicht Wachs, gießt (in Cordova) Metall, treibt ansehnlichen Handel, bes. ins Ausland, über den Hafen von V. C., die Laudstraßen[441] jedoch sind schlecht. Der Staat hat nur eine einzige Kunststraße, von der Hauptstadt V. C. nach Mexico. Einen wichtigen Erwerbszweig bildet auch das Unternehmen u. Führen von Maulthierzügen. Die Gesammtbevölkerung wurde 1857 auf 349,125 Ew. angegeben, hauptsächlich aus Indianern u. Mestizen bestehend, in den Küstenebenen auch verhältnißmäßig viele Neger, Mulatten u. Zambos, die Indianer sind vorzugsweise Azteken, doch im Norden auch Totonaken u. im Süden Chontales; der in neuester Zeit vom Staate V. C. getrennte District Acayucan (s. oben) einhielt an 30,000 Ew., welche also jetzt in Abzug zu bringen sind. Eintheilung in drei Departements: Orizaba, V. C. u. Jalapa. 3) (V. C. Nuova, früher la rica [das Reiche], seit der Revolution la eroica [das Heroisches] genannt), befestigte Hauptstadt des Departements u. des Staates, am Mexikanischen Meerbusen, einziger Hafen am Golfe, Festung, die Stadt mit einer Mauer umgeben, der Hafen von terrassirten Redouten, die übrige Mauer von sechs Bastions bestrichen; S. Juan de Ulloa, auf einer Insel vor dem Hafen, ein bastionirtes Viereck mit drei Ravelins, bildet die Citadelle; ungesund gelegen, regelmäßig gebaut, mit geraden Straßen, gutem Pflaster u. Trottoirs u. meist niedrigen Häusern, von Dünen umgeben; hat Kirchen, mehre Klöster u. Hospitäler, ansehnlichen Handel. Die Einwohnerzahl der Stadt, welche Humboldt 1803 ohne da« Militär u. die Seeleute auf 16,000 angab, beträgt jetzt höchstens 8000, großenteils Mestizen, Mulatten u. Zambos, doch wohnen hier auch viele Deutsche, Engländer, Franzosen u. Spanier, in deren Händen sich vorzugsweise der Handel u. das Capital befinden. – V. C. liegt an der Stelle, wo Cortez 1519 landete, dennoch wurde V. C. erst 1580 vom Vicekönig Monterey erbaut. In dem Fort S. Juan de Ulloa hielt sich der Spanier Nobil vom Beginn der Revolution bis zum 13. Nov. 1825, wo er capituliren mußte. 1832 hier Militärrevolution, welche Santa Anna zum Präsidenten erhob, s. Mexico S. 217. 1838 wurde der Hafen erst von einigen französischen Schiffen blockirt, dann von dem Admiral Baudin das Fort de Ulloa beschossen u. besetzt, die Stadt V. E. auch angegriffen, der Krieg aber durch den Vertrag von V. C. am 9. März 1839 beendet, s. Mexico S. 218. Im Kriege mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika wurde V. C. vom General Scott seit 11. März 1847 belagert, seit 22. bombardirt u. am 29. durch Kapitulation erhalten, f. ebd. S. 220. Am 8. Decbr. 1861 erschien hier das spanische Geschwader, am 17. Decbr. landeten die Spanier u. besetzten die Stadt u. das Fort S. Juan de Ulloa, welche beide von den Mexicanern geräumt worden waren; 7. Jan. 1862 kam der Oberbefehlshaber des Expeditionscorps, der spanische General Prim, zugleich mit einer größern spanisch-englisch-französischen Flottenabtheilung u. Landungstruppen hier an, 27. Febr. verließen die Franzosen V. C. u. marschirten nach Tehuacan, während die Engländer sich 1. März wieder einschifften; 9. April verließen die englischen u. spanischen Geschwader u. Truppen die Stadt u. den Hafen. 22. Sept. 1862 landete General Forey, der neue Commandant des französischen Expeditionscorps, erließ eine Proclamation an die Mexicaner, worin er ihnen Freiheit versprach, u. begann dann die Feindselikeiten im Großen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 441-442.
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