Hertzberg

[240] Hertzberg, 1) Ewald Friedrich, Graf von, preuß. Staatsmann, geb. 2. Sept. 1725 zu Lottin in Hinterpommern, gest. 27. Mai 1795, studierte Geschichte und Staatsrecht, ward 1747 beim Geheimen Archiv, dessen Akten er gründlich studierte, angestellt und von Friedrich II., für dessen historische Schriften er viele Auszüge aus dem Archiv gefertigt hatte, 1750 mit der Ordnung des Geheimen Kabinettsarchivs beauftragt, wobei er sich eine bewundernswerte Kenntnis der deutschen und insbes. der brandenburgisch-preußischen Geschichte erwarb. Seine Abhandlung »Über die erste Bevölkerung der Mark Brandenburg« verschaffte ihm 1752 einen Sitz in der Akademie, und fast gleichzeitig ward er Geheimer Legationsrat, 1757 Wirklicher Geheimer expedierender Sekretär im auswärtigen Departement. Als sich der König 1756 der Korrespondenz des Dresdener Kabinetts bemächtigte, verfaßte H. in seinem Auftrag auf Grund dieses Materials das berühmte »Mémoire raisonné«, eine Rechtfertigung der Maßregeln Friedrichs, die in lateinischer, französischer und deutscher Sprache in unzähligen Exemplaren verbreitet wurde, bearbeitete mit Podewils und Finckenstein während des ganzen Krieges die äußern Angelegenheiten, setzte 1762 den Friedenstraktat mit Rußland und Schweden auf, schloß 15. Febr. 1763 den Hubertusburger Frieden ab, wofür er[240] 5. April zum zweiten Staats- und Kabinettsminister ernannt wurde, und war auch an den Verhandlungen über die erste Teilung Polens (1772) und an den Streitigkeiten mit Österreich über die bayrische Erbfolge beteiligt. Trotz 30jähriger angestrengter Tätigkeit im auswärtigen Dienst gewann H. keinen wesentlichen Einfluß auf Friedrich d. Gr., aber Friedrich Wilhelm II. stellte ihn an die Spitze der auswärtigen Geschäfte, erhob ihn in den Grafenstand und ernannte ihn zum Kurator der Akademie, und H. hoffte nun, seine kühnen Pläne auf Vergrößerung des preußischen Staates und Stiftung eines großen nordischen Bundes unter seiner Führung verwirklichen zu können. Der König handelte zunächst in völligem Einverständnis mit H., so beim Feldzug nach Holland, dann bei dem gegen Rußlands und Österreichs Vergrößerung gerichteten Bündnis mit der Türkei und mit Polen (1789 und 1790); als er indes durch seine Nachgiebigkeit gegen Österreich im Reichenbacher Vertrag (27. Juli 1790) seine Politik kreuzte und ihm einen Teil der auswärtigen Geschäfte entzog, erbat und erhielt H. 1791 seine Entlassung und behielt nur die Leitung der Akademie und die Aussicht über den preußischen Seidenbau. Als Preußen infolge der zweiten Teilung Polens und der Teilnahme an der Koalition gegen Frankreich in eine Krisis geriet, bot H. im Juli 1794 dem König seine Dienste wieder an, wurde aber abgewiesen. Sein Charakter war durchaus ehrenhaft und unbestechlich, Preußens Erhöhung sein einziges Ziel, seine Tätigkeit bewunderungswürdig. Als Kurator der Berliner Akademie beförderte H. namentlich die Literatur und die weitere Ausbildung der deutschen Sprache. Von seinen Schriften sind zu erwähnen: »Betrachtungen über das Recht der bayrischen Erbfolge« (Berl. 1778); »Œuvres politiques« (Par. 1795); »Recueil des déductions, manifestes, etc., rédigés et publiés par la cour de Prusse 1756–1790« (Berl. 1789–91, 3 Bde.). Vgl. Posselt, E. F. Graf von H. (Tübing. 1798); Unzer, Hertzbergs Anteil an den preußisch-österreichischen Verhandlungen 1778/79 (Frankf. a. M. 1890); Krauel, Graf H. als Minister Friedrich Wilhelms II. (Berl. 1900); Preuß, Graf H. als Gelehrter und Schriftsteller (das. 1902).

2) Gustav Friedrich, Geschichtsforscher, geb. 19. Jan. 1826 in Halle a. S., studierte zuerst Theologie und orientalische Sprachen, nachher Geschichte, habilitierte sich 1851 in Halle und war 1850–55 zugleich Lehrer an den Gymnasien der Franckeschen Stiftungen. Von Anfang des Jahres 1858 bis April 1860 redigierte er in Berlin das »Preußische Wochenblatt«, kehrte als außerordentlicher Professor nach Halle zurück und wurde 1889 ordentlicher Honorarprofessor. Seine Hauptschriften sind: »Alkibiades, der Staatsmann und Feldherr« (Halle 1853); »Das Leben des Königs Agesilaos II.« (das. 1856); »Der Feldzug der zehntausend Griechen« (das. 1861, 2. Aufl. 1870); »Die asiatischen Feldzüge Alexanders d. Gr.« (das. 1863–64, 2 Bde.); »Die Geschichte Griechenlands unter der Herrschaft der Römer« (das. 1866–75, 3 Bde.); »Geschichte Griechenlands von der Urzeit bis zum Beginn des Mittelalters« und »Geschichte Griechenlands im 19. Jahrhundert«, beide in Ersch u. Grubers Enzyklopädie (auch Sonderausg., Leipz. 1870); »Geschichte Griechenlands seit dem Absterben des antiken Lebens bis zur Gegenwart« (Gotha 1875–79, 4 Gde.); »Griechische Geschichte« (Halle 1884); »Athen, historisch-topographisch dargestellt« (das. 1885); »Geschichte der Stadt Halle« (das. 1889–93, 3 Bde.); »Die historische Bedeutung des Saaletales« (das. 1894); »A. H. Francke und sein Waisenhaus« (das. 1898). Er gab auch eine Übersetzung von Duruys »Geschichte der römischen Kaiserzeit« (Leipz. 1885–89) heraus. In Onckens »Allgemeiner Geschichte in Einzeldarstellungen« schrieb er die »Geschichte von Hellas und Rom« (Berl. 1878–79, 2 Bde.), »Geschichte des römischen Kaiserreichs« (das. 1881) und »Geschichte der Byzantiner und des osmanischen Reiches« (das. 1883); für die Grotesche »Allgemeine Weltgeschichte« bearbeitete er die Geschichte der Griechen und Römer im Altertum (Bd. 2 u. 3, das. 1885).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 240-241.
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