Vernet [2]

[90] Vernet (spr. wernä), 1) Claude Joseph, franz. Maler, geb. 14. Aug. 1714 in Avignon, gest. 3. Dez. 1789 in Paris, erhielt den ersten Unterricht von seinem Vater Antoine V. (geb. 1689, gest. 1753) und ging 1734 nach Rom, wo er sich bei A. Manglard bildete. 1753 nach Frankreich zurückgekehrt, ward er Mitglied der Akademie. 1763 ließ er sich in Paris nieder. Vernets durch reiche Staffage ausgezeichnete Landschaften und Seestücke (43, darunter die für Ludwig XV. gemalte Folge der »Häfen Frankreichs«, im Louvre) tragen den Charakter der Schule von Claude Lorrain in ihren letzten Ausläufern; in Komposition und Lichtwirkung edel empfunden, leiden sie an konventioneller Glätte. Vgl. Lagrange, Joseph V. et la peinture an XVIII. siècle (Par. 1863).

2) Antoine Charles Horace, genannt Carle V., Sohn und Schüler des vorigen, geb. 14. Aug. 1758 in Bordeaux, gest. 17. Nov. 1836 in Paris, studierte in Rom und ward 1788 Mitglied der Pariser Akademie, 1810 Mitglied des Instituts. V. war hauptsächlich Darsteller Napoleonischer Schlachten, malte aber auch Bildnisse und Jagden und zeichnete sich namentlich in der Darstellung von Pferden und Hunden aus. Hervorragend ist er auch im komischen Genre, und seine Darstellungen von zeitgenössischen Sittenbildern sind von kulturgeschichtlichem Wert.

3) Horace, Maler, Sohn des vorigen, der berühmteste der Familie, geb. 30. Juni 1789 in Paris, gest. daselbst 17. Jan. 1863, machte seine ersten Zeichenstudien bei seinem Vater und setzte sie bei dem Zeichner Moreau, dem Architekten Chalgrin und dem Maler Vincent fort. Mit einem Bilde: die Einnahme einer Redoute, wagte der 20jährige Künstler, den damals herrschenden Regeln der klassischen Schule Davids entgegenzutreten und durch kräftigen Realismus auf eine neue Bahn einzulenken. Er erwarb sich die Gunst des kaiserlichen Hofes und führte in den letzten Jahren des ersten Kaiserreichs mehrere von Maria Luise und dem König von Westfalen bestellte Gemälde aus, wie den Hund des Regiments, den Soldaten von Waterloo und das Pferd des Trompeters, die seinen Namen rasch populär machten. Nach dem Sturze des Kaiserreichs stellte er sich die Aufgabe, die eben zum Abschluß gekommene große militärische Epoche zu illustrieren, und malte von 1817–23 unter anderm die Verteidigung der Barriere von Clichy, die Schlachten von Tolosa, Jemappes, Valmy, Hanan, Montmirail, die Niedermetzelung der Mameluken und Poniatowskis Tod, die jedoch in jener Zeit der Reaktion meist von der Ausstellungsjury zurückgewiesen wurden. Bald aber erteilte ihm Karl X. selbst Aufträge, wie sein Reiterbildnis bei einer Truppen revue, dann ein zweites mit den Herzogen von Angoulême und Orléans, die Ausmalung eines Plafonds im Louvremuseum, und gestattete ihm auch 1827, eins seiner Hauptbilder, die Brücke von Arcole, auszustellen. 1828 zum Direktor der französischen Akademie in Rom ernannt, verweilte V. dort bis 1835 und widmete sich dem Studium der italienischen Schule, dessen Ergebnis eine Reihe historischer Genrebilder, wie Raffael und Michelangelo im Vatikan (im Louvre), die Beichte des sterbenden Räubers, Papst Leo XII. auf dem Wege nach der Peterskirche, waren. Nach Paris zurückgekehrt, widmete sich V. wieder der Schlachtenmalerei und stellte im Salon 1836 die vier großen Bilder: Friedland, Wagram, Jena und Fontenoy aus (sämtlich in der Schlachtengalerie zu Versailles). 1838 bereiste er im Auftrage Ludwig Philipps Nordafrika, um eine Anzahl Schlachtenbilder für die Konstantinegalerie in Versailles zu malen. Die drei größten stellen den Beginn der Beschießung von Konstantine, die Eröffnung des Sturmes und die Einnahme der Stadt dar. Das Studium des orientalischen Lebens brachte ihn auf den Gedanken, biblische Stoffe im Gewand des modernen Orients zu behandeln (Abraham verstößt Hagar, Rebecka und Elieser am Brunnen, Judith auf dem Wege zum Holofernes). Größern Beifall fanden seine afrikanischen Sittenbilder (Eberjagd, Löwenjagd, Sklavenmarkt, Post in der Wüste). 1843 ging er nach Rußland, ward dort vom Kaiser Nikolaus mit großer Auszeichnung empfangen und begleitete ihn einige Monate auf Reisen und Musterungen, unter andern in den Kaukasus. 1844 kehrte V. nach Frankreich zurück und malte nach einer abermaligen[90] Reise nach Algier im Auftrage des Königs die 21 m lange Wegnahme der Smalah Abd el Kaders (1845) und die Schlacht bei Isly (1846). Außer einer großen Anzahl historischer Gemälde hat er auch zahlreiche Bildnisse gemalt, unter andern die Napoleons I., des Herzogs von Orléans, der Marschälle Saint-Cyr und Gérard, Thorwaldsens, Ludwig Philipps und seiner Söhne, Napoleons III. V. war einer der fruchtbarsten französischen Maler. Seine Werke zeigen Erfindungsreichtum und Lebendigkeit, sind aber meist oberflächlich und ohne eigentlich malerische Vorzüge. Vgl. Durande, Joseph, Carle et Horace V. (Par. 1865); Rees, V. and Delaroche (Lond. 1880); Dayot, Les V. (das. 1898); Blanc, Les trois V. (neue Ausg., Par. 1907).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 90-91.
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