Zoologische Gärten

[991] Zoologische Gärten (Tiergärten), Parke, in denen einheimische und besonders ausländische Tiere zur wissenschaftlichen Beobachtung und zur Schaustellung gehegt werden. Fast alle z. G. sind auf Aktien gegründet, stehen meist gegen Entgelt jedermann offen, gestalten sich auch wohl durch Verbindung mit Konzerthallen und Gastwirtschaften zu Vergnügungsorten. Den Tieren werden in den zoologischen Gärten möglichst günstige Lebensbedingungen geboten, man sucht ihnen Verhältnisse zu bieten, die denen ihrer Heimat ähnlich sind, und die Bewohner subtropischer Klimate an das Klima ihres neuen Wohnortes zu gewöhnen. Die Folge ist größere Gesundheit und längere Lebensdauer der Tiere. Auch Züchtungen der in der Gefangenschaft gebornen Tiere geraten oft sehr gut. Mit einigen Gärten stehen Aquarien für Süßwasser- und Seetiere in Zusammenhang. Der wissenschaftliche Nutzen der Gärten ist nicht zu unterschätzen, auch haben sie Gelegenheit geboten, die früher zum größten Teil schlechten Abbildungen in zoologischen Werken durch getreu nach dem Leben aufgenommene zu ersetzen.

Z. G. hatten bereits die Chinesen; ihr »Heiliges Buch der Lieder« erwähnt einen solchen, den der Ahnherr der Tscheu-Dynastie, Wu-Wang (1150 v. Chr.), anlegen ließ und »Park der Intelligenz« benannte. Er bestand noch um die Mitte des 4. Jahrh. v. Chr. und enthielt Säugetiere, Vögel, Schildkröten und Fische. Die Griechen und Römer scheinen z. G. in unserm Sinne nicht gekannt zu haben. Die Spanier wurden bei der Eroberung von Mexiko durch den Anblick der kaiserlichen »Menagerie« (einer langen Reihe von Wasserbehältern, Vogelhäusern und Käfigen mit wilden Tieren) überrascht. Ausgezeichnet waren die Schmuckvögel aus allen Teilen des Aztekenreichs, doch fehlte es auch nicht an Schlangen. Auch in den alten Klöstern des christlichen Abendlandes, so im 10. Jahrh. in St. Gallen, unterhielt man »Zwinger« mit allerlei Wild, wie es teils in den Alpen hauste, teils als Geschenk fremder Gäste dem Kloster verehrt worden war. Tiergärten zur Jagd gab es damals viele, z. B. den Hirschgraben in Frankfurt a. M., den Tiergarten in Münzenberg (1433) und in Friedberg (1489). Bereits Harun al Raschid soll Karl d. Gr. einen Elefanten geschickt haben; häufiger kamen durch die Kreuzzüge und besonders durch die Entdeckungsreisen seit dem 15. Jahrh. fremde Tiere nach Europa und wurden gehegt. 1443 wurde ein Elefant auf der Frankfurter Messe gezeigt. – 1458 verehrte der Rat von Nürnberg dem Erzbischof von Mainz und 1460 der Königin von Böhmen einen Papagei. 1504 kamen solche aus Indien auf englischen Schiffen nach England. Im 14. und 15. Jahrh. gab es in Holland »Löwenhäuser«; Amsterdam z. B. erhielt 1477 und 1483 je zwei Löwen aus Spanien und Portugal von Kaufleuten zum Geschenk und gab einige Jahre später fünf an Lübeck. Kaiser Maximilian II. errichtete im Lustschloß Ebersdorf bei Wien und später im Schloß Neugebäu Menagerien. Die Schicksale der erstern sind unbekannt, die letztere wurde 1704 zerstört, von Kaiser Karl VI. aber wiederhergestellt. Prinz Eugen von Savoyen hatte 1719 auf seinem Schloß Belvedere bei Wien eine Menagerie erbaut, die nach seinem Tode 1737 mit der kaiserlichen vereinigt wurde; 1781 aber wurde sie aufgehoben und zur Schönbrunner Menagerie geschlagen, die 1752 errichtet wurde und noch jetzt besteht. Im 16. und 17. Jahrh. gehörte eine Menagerie zu den Requisiten des Hofes (vgl. Menagerie). Wilde Tiere wurden gehalten im Tower zu London, in Versailles, Potsdam, Turin, Dresden, Kassel, im Haag und zuletzt von 1812–17 in Stuttgart. Der erste Versuch zu wissenschaftlicher Benutzung einer solchen stehenden Menagerie wurde 1794 gemacht, indem man die in Versailles gehaltenen Tiere in den Pariser Jardin des Plantes brachte. Die Menagerie des Earl of Derby, die als Tiergarten für Wiederkäuer und Einhufer noch besteht, legte 1828 den Grund zu dem Londoner Zoologischen Garten, der von der 1825 gebildeten Zoological Society ins Leben gerufen wurde und zuerst den Tieren genügenden Raum bot. Schon 1838 hatte der Garten über 1000 verschiedene Arten [991] Säugetiere und Vögel, 1849 nahm er auch Reptilien auf, und 1852 richtete die Direktion See- und Süßwasseraquarien ein. Nachdem Amsterdam (1838) und Antwerpen (1843) gefolgt waren, entstand der erste Zoologische Garten in Deutschland, aber wesentlich auf Kosten des Staates, in Berlin. Der erste in Deutschland von Privaten (1858) errichtete Zoologische Garten ist der in Frankfurt a. M. Ihm folgten die Gärten in Köln (1860), Dresden (1861), Hamburg (1863), Breslau (1865), Hannover (1865), Leipzig u. a. Vgl. Stricker, Geschichte der Menagerien und zoologischen Gärten (Berl. 1880); Peel, The zoological gardens of Europe (Lond. 1903); Zeitschrift: »Der zoologische Garten« (jetzt »Zoologischer Beobachter«, Frankf. a. M., seit 1859).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 991-992.
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