Galizien [1]

[859] Galizien, 1) österreichisches Kronland, welches die Königreiche G. u. Lodomirien, die politisch zum Deutschen Bunde gehörigen Herzogthümer Auschwitz u. Zator u. das Großherzogthum Krakau umfaßt; grenzt im N. an Polen u. Rußland, im O. an Rußland, im S. an die Bukowina u. Ungarn, im W. an die beiden Schlesien; Flächengehalt 1422, 59 QM. mit 5,056,000 Einw. Das Land liegt terrassenförmig auf der Nordseite der Karpaten, die es südlich in einem großen Bogen von Schlesien an bis zur Bukowina umschließen, nordwärts sich nur bis gegen 4 Meilen landeinwärts erstrecken, dann ein fruchtbares Hügelland bilden u. sich endlich zur hügeligen Ebene verflachen, so daß der nördliche Theil eine ausgedehnte Ebene ausmacht; Flüsse sind zahlreich u. führen viel Wasser; die Weichsel durchfließt den nordwestlichen Theil des Landes, wird bei Krakau schiffbar, bildet dann die Grenze gegen Polen u. nimmt die Biala, Sola, Skawa, Raba, Donajec, Wisloka, San u. Bug auf; der Dniester fließt nach SO., nimmt links den Lipa, Stripa, Sered u. Podhorce, rechts den Stry, Swica, Lomnica, Bistriza auf u. geht dann über auf das russische Gebiet; der Pruth, zu welchem die Czeremosze fließt, verläßt das Land nach kurzem Lauf, einige Seen sind nur im O. des Landes u. die kleinen Karpatenseen (Meeraugen); dagegen gibt es Mineralquellen in großer Menge, sie werden aber wenig benutzt; im Klima ist G. das rauheste Land des Reiches, dennoch ist es im Ganzen sehr fruchtbar; Producte: der Landbau, obwohl nicht sorgfältig genug betrieben, liefert Getreide, Hafer, Buchweizen, Hirse, Flachs, Hanf, Hopfen, Tabak u.a.; die Waldungen sind im N. zwar sehr gelichtet, aber im S. noch in großem Reichthum vorhanden; von Thieren gibt es viel Rindvieh, durch Kraft u. Leichtigkeit ausgezeichnete Pferde, Schafe, zum Theil veredelt, Schweine, Geflügel, Bienen. Fische, viel Wild; Bären u. Wölfe sind selten geworden; eine Art Schildlaus liefert die polnische Cochenille; das Mineralreich bietet Marmor, Alabaster, Schwefel, Eisen, Steinkohlen, Kupfer, Galmei, Feuersteine, eine Menge nutzbarer Erden u. bes. Salz, welches theils aus Steinsalzlagern (bei Wieliczka u. Bochnia), theils aus Salzquellen gewonnen wird; die Einwohner sind zum größten Theile slawischen Stammes, u. zwar Ruthenen im östlichen, Polen im westlichen Theile des Landes; Juden leben unter den übrigen zerstreut, aber in größerer Anzahl, als in irgend einem österreichischen Lande; außerdem Deutsche, durch Kaiser Joseph dort angesiedelt, Armenier u. wenig Slowaken; dem religiösen Bekenntniß nach ist die große Mehrzahl katholisch, u. zwar über 2 Millionen römische Katholiken unter einem Erzbischof in Lemberg, mit zwei Suffraganbischöfen in Tarnow u. Przemysl u. über 2 Mill. Griechisch-Katholische, unter einem Metropoliten in Lemberg u. einem Bischof in Przemysl; die Armenier haben einen Erzbischof in Lemberg, die nichtunirten Griechen einen Bischof in Czernowitz, die Protestanten[859] einen Superintendenten in Lemberg, die Juden ein Oberrabbinat ebendaselbst; die gewerbliche u. industrielle Thätigkeit leistet wenig, ist aber doch in merklichem Steigen begriffen; das Meiste leistet die Leinweberei, Tuch- u. Wollweberei, Eisen-, Stahl- u. Lederfabrikation; sehr stark ist die Branntwein-brennerei u. Production von Feuersteinen, wiewohl letztere früher noch viel stärker war; der Handel, begünstigt durch gute Straßen u. viele schiffbare u. flößbare Flüsse, war bisher unbedeutend, fängt aber an, lebhafter zu werden; am stärksten ist der Durchfuhr- u. Speditionshandel nach Rußland u. den türkischen Donauländern; Hauptartikel sind Getreide, Vieh, Leinwand, Pottasche, Holz, Salz; der Volksunterricht ist zu beschränkt u. dem Bedürfniß nicht entsprechend; höhere Bildungsanstalten sind die Universitäten in Lemberg u. Krakau, 13 Gymnasien, ein Lyceum in Przemysl, zwei Realschulen, eine Hauptmusterschule. Münzen, Maße u. Gewichte sind gesetzlich die österreichischen. G. wurde früher von einem eigenen Landesgubernium regiert, 1853 aber eine Statthalterei errichtet, die 1854 ins Leben getreten ist; die Landesvertretung besteht aus Abgeordneten, die aus den Höchstbesteuerten, Städten u. Landgemeinden gewählt werden. Die Staatseinnahmen belaufen sich jährlich auf 8,715,000 Thlr. Zum Gebiet G-s kam 1846 das Großherzogthum Krakau, dagegen wurde die Bukowina 1850 davon abgetrennt u. zu einem Kronland erhoben; eingetheilt war es bis in die neueste Zeit in 18 Kreise, seit 1855 aber ist es in die beiden Verwaltungsgebiete Krakau u. Lemberg getheilt, dieses enthält die 12 östlichen Kreise:, Lemberg, Przemysl, Sanok, Sambor, Stry, Brzezan, Zolkiew, Stanislawow, Kolomea, Zloczow, Tarnopol u. Czortkow, welche in 110 Bezirksämter zerfallen; zu jenem gehören die 6 westlichen Kreise: Bochnia, Jaslo, Rzeszow, Sandec, Tarnow, Wadowice u. als siebenter Krakau; diese zerfallen in 67 Bezirke. Wappen: zwei goldene Kronen in rothem Felde, von Lodomerien, ein blauer Schild mit zwei roth u. weiß geschachten Querbalken; 2) s. Galicien.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 859-860.
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