Glas

1. Das erste Glas beisst wie der Tod, das zweite schmeckt zu Brot; wenn's dritte fehlt, ist grosse Noth.

Um zu bezeichnen, wie sich das Laster des Trunkes nur allmählich des Menschen bemächtigt. Die Ruthenen haben dafür das folgende Sprichwort: Das erste Glas geht wie auf dem Eise, das zweite wie auf Honig, nach dem dritten frage nicht, gib's her, 's hat rasche Reise.

Ruth.: Perwyj keliszok jak po łedu, drûhij jak po medu, a za tretyj ne pytaj łysze dawaj. (Wurzbach I, 280.)


2. Das Glas bläst sich nicht am kalten Ofen.


3. Das Glas erkennt man am Klang, den Mann am Wort und Gang.

Aehnlich die Russen Altmann VI, 448.


4. Das schönste Glas bricht auch in Scherben. Parömiakon, 1851.

Das schönste Glas zerbricht, sagen die Russen, wenn's auf einen Stein fällt. (Altmann VI, 429.)


5. Die Gläser aus, so wird ein fröhlich Bruder draus.

6. Drei Gläser gehören zum Mahl: für Gesundheit, für Freiheit und die Freunde zumal.

Die Dänen haben den Trinkspruch: Det er dydens skaal, og frydens skaal, og alle gode venners skaal. (Prov. dan., 120.)


7. Drei Gläser mit Wein auf eine schimmlige Nuss, ist eine harte Buss.Fischart.


8. Ein Glas ist am andern zerschellt.Körte, 2173.


9. Ein Glas lehret uns all fein, dass wir gebrechliche Fässer sein.Henisch, 1627, 16.


10. Ein Glas mehr erfreut mich sehr, ein Glas weniger noch mehr.


11. Ein Glas und ein Weib haben einen zerbrechlichen Leib.

Frz.: Une femme et un verre sont toujours en danger.


12. Ein Glas zieht das andere nach sich.

Man sei ja, sagt man, nicht auf Einem Bein gekommen.

Holl.: De eene pint trekt de andre pint, tot dat de gast zich dronken vindt. (Harrebomée, I, 203.)


13. Ein glass ist subtil vnnd bricht bald, das thut nicht so leicht ein silber becher.Lehmann, 738, 28.

Dän.: Fiin glas brister snart. (Prov. dan., 241.)

Frz.: Il ne faut que quasser un verre. (Leroux, II, 157.)


14. Ein leeres Glas, was nützt mir das.

Holl.: Vrouw, maak mij toch den beker eens nat, zei de zuiper, hij is zoo droog als en meelzak. (Harrebomée, I, 45.)


15. Ein volles Glas wirft ins Gras.


16. En grot Glas half, en lütt Glas heel, so krigt en jeder sin bescheden Dêl.Diermissen, 76.


17. Es gibt mehr Glas als Rubinen.


18. Es ist nur um das erste Glas zu thun.

Nur um den Anfang.

Frz.: Il n'y a que la première pinte qui coûte. (Lendroy, 1215.)


19. Glas und Weib, ein jeder für seinen Leib.

Holl.: Elk zijn glas en elk zijn wijf. (Harrebomée, I, 240.)


20. Gläser und Kinder hat man nie zu viel.

Poln.: Sklanek i dzieci nie ma nigdy nadto.


21. Gläser und Töchter sind stets in Gefahr. Winckler, XIII, 94.

Engl.: Glasses and lasses are brittle ware. (Bohn II, 361.)


22. Hält man das Glas so hoch, wie hoch die Perle.

Das Glas ist aber jedenfalls nützlicher, und die Russen sagen im Sprichwort: Hätte es erfunden werden sollen, wir hätten noch heute kein Glas. (Altmann VI, 405.)


23. Hast du kein Glas, trink aus dem Fass.

Oder lass es lieber ganz.


24. Im Glase ertrinken auch alte Leute.


25. Im Glase ertrinken mehr als im Meer (oder: als in allen Wassern).Mayer, II, 145.

Holl.: Daar verdrinken er meer in glas, dan in de zee. (Harrebomée, I, 239.)


[1692] 26. Je feiner die Gläser, desto leichter zerbrechen sie.Winckler, VIII, 71.

Holl.: Hoe fijner glas, hoe spoediger gebroken. (Harrebomée, I, 239.)


27. Man kann das Glas in Gold fassen, es wird nicht zum Edelgestein.


28. Man kann nur Ein Glas auf einmal trinken.

Frz.: Il ne peut plus boire qu'un verre à la fois. (Leroux, II, 157.)


29. Man muss die Gläser nicht zerschlagen, wenn auch der Wein sauer schmeckt.


30. Met a Glas me proeft an Tunne. (Franz. Flandern.) – Firmenich, III, 698, 15.


31. Mit zerbrochenen Gläsern kann man den Wirth nicht bezahlen.


32. Nicht aus jedem Glas wird ein Spiegel gemacht.


33. Nicht jedes Glas ist ein Spiegel.


34. So vil das glas oder eisen härter ist, so vil eher bricht es.Henisch, 1627, 28.


35. Trau' nicht dem Glase (Trinkglas), dahinter steht der Teufel.

Gegen unmässigen Genuss geistiger Getränke.


36. Trau' nicht dem Glase (Spiegel), dahinter steht die Kokette.

Gegen Eitelkeit. Es ist übrigens hinter beiden Gläsern derselbe Teufel, nur in andern Formen.


37. Wenn das glas will springen lernen, so gibts einen klang von sich.Henisch, 1627, 30.


38. Wenn das Glass verbrochen ist, so acht man der Scherben nicht.Lehmann, 272, 7.

Die Dänen verbinden damit unter anderm den Sinn: Wenn die Jungfrauschaft verloren, hat das Mädchen keinen Werth.

Dän.: Naar glasset er sønder, duer stykkerne intet. (Prov. dan., 242.)


39. Wenn ein glas ein schandmal hat, das wirdt allein im fewer rein.Henisch, 1627, 33; Petri, II, 651.

»Mit laug vnd saltz lässt es sich nicht ausswaschen oder ausskratzen.«


40. Wenn ich ins Glas gucke, begiesse ich mir doch nicht die Nase.


41. Wenn man ans Glas klingt, so hört man, ob's einen Riss hat.

Holl.: Doe een glas klinken, als gij 't wilt boproeven, de klank zal 't gebrek aanwijzen. (Harrebomée, I, 239.)


42. Wer aufs Glas schlägt, darf sich nicht wundern, wenn's springt.Altmann VI, 425.


43. Wer das Glas zerbricht, muss es bezahlen.

Wer den Schaden anrichtet, muss ihn vergüten.

Frz.: Qui casse les verres les paye. (Bohn I, 48; Lendroy, 279; Leroux, II, 157; Cahier, 277.)

Holl.: Die de glazen gebroken heeft, moet het gelag betalen. (Harrebomée, I, 239.)


44. Wer die Gläser austrinkt, lässt keine Reste; der Wein für Geld ist (hier) der beste.

Ueberschrift eines Weinhauses.


45. Wer etwas im Glas über läst, derselb dem Teuffel ein Opffer läst.Gruter, III, 106; Lehmann, II, 873, 180.


46. Wer nur aufs Glas die Augen richtet, dem ist die ganze Welt eine Ebene.


47. Wer sein Glas auf einmal austrinkt, ist ein Söffling, wer es in zweimal austrinkt, ist anständig, wer es in drei malen austrinkt, gehört zu den Hochmüthigen.


48. Wie das Glas, so scheint das Licht durch.


49. Wie man das Glas schneidet, so bricht's.Altmann VI, 409.


50. Zwischen Gläsern und Kannen gibt's weniger Weise als Narren.

Frz.: Entre les verres et les pots, moins de sages que de sots. (Kritzinger, 709b.)


51. Zwischen Glas und Lippe gibt's noch manche Klippe.


*52. Aus einem Glase ins andere giessen.

Sterne braucht es, indem er sagt: »Sollen wir denn immer kleinere Münzen verwechseln und das Kapital so wenig vermehren und immer neue Bücher machen, wie die Apotheker neue Mixturen.« Also gegen die Oberflächlichkeit und Wiederkäuerei in der Wissenschaft, gegen das ewige Wiederholen alter Dinge in neuen Formen.


[1693] *53. Aus keinem leeren Glase trinken.


*54. Durch ein trübes Glas sehen.Eiselein, 239; Braun, I, 825.

Lat.: Per transennam inspicere. (Eiselein, 239.)


*55. Ein Glass mit Nussschalen schwencken. Lehmann, 835, 16.

Um nutzloses Thun zu bezeichnen.


*56. Er hat das volle Glas in den Händen und lässt den Wein vergiessen.

*57. Er hat ein Glas zu viel.

Holl.: Hij heeft een glaasje te veel. (Harrebomée, I, 240.)


*58. Er hat lieber ein Glas in der Hand als eine Bibel.

Holl.: Hij heeft liever den beker dan den bijbel in de hand. (Bohn I, 326.)


*59. Er hat nie us 'em leere Glas trunke. (Solothurn.) – Schild, 79, 253.

Er ist das Trinken gewohnt.


*60. Er hat zu tief (viel) ins Glas geguckt.Sailer, 77; Körte, 2173; Frischbier2, 445; Braun, I, 824; Lohrengel, II, 522.

Hat zu viel getrunken, hat einen Rausch u.s.w. (S. Ansehen 29 u. Boden 38.) Die Franzosen haben für: sich berauschen, bezechen, volltrinken, die Redensart: Dem Hänfling vorpfeifen (Siffler la linotte), deren Entstehung folgende sein soll. M. Cureau de la Chambre, den der Cardinal Richelieu im Jahre 1641 zum Arzt des Königs beförderte, hatte einen Bedienten, der unter dem Namen »der schöne Pfeifer« bekannt war und wegen seiner Kunst in allen Cirkeln zugezogen wurde, was die üble Folge hatte, dass er sich dem Trunke ergab. Sein Herr wollte ihn entlassen, aber zuvor doch noch einen Besserungsversuch mit ihm anstellen. Er übergab ihm einen Hänfling mit dem Bemerken, er wolle ihm seinen Lohn verdoppeln, wenn er demselben innerhalb drei Monaten pfeifen lehre. Der Bediente ging darauf ein, entdeckte aber nach einiger Zeit aus seinem Gemach den Weg in den Weinkeller, wo er sich für seine Entbehrungen gründlich entschädigte. Sein Herr ertappte ihn darüber und jagte ihn sofort aus dem Hause. Der Grund dazu ward allgemein bekannt. Die Geschichte ging von Mund zu Munde und gab Veranlassung, von einem Trinker zu sagen: Er pfeift dem Hänfling vor. (Lendroy, 1376.)

Frz.: Le vin lui a barbouillé l'armet. (Kritzinger, 717a.)


*61. Er kann das Glas eben tragen.Kirchhofer, 257.


*62. Er würde kein zerbrochenes Glas darum geben.

Frz.: Je n'en donnerois pas un verre rompu. (Kritzinger, 709b.)


*63. Es ist ein Glas am andern zerschellt.


*64. Es ist ja nicht von Glas. (Rottenburg.)

Die Sache ist nicht so empfindlich, heiklig.

*65. Glas so theuer verkaufen als Perlen.


*66. He het to têf in't Glas käken. (Rastede.) – Firmenich, III, 29, 127; Eichwald, 643; für Altmark: Danneil, 100.

Holl.: Hij heeft te diep in het glaasje gekeken. (Harrebomée, I, 240.)


*67. Sein Glas ist voll zum Ueberlaufen.


[Zusätze und Ergänzungen]

68. Beim Glase lernt man die Menschen besser kennen als in der Kirche.


69. Beim vollen Glas ist es leicht den Helden spielen.

Böhm.: Netĕžko při plných číších býti hrdinou. (Čelakovský, 103.)


70. Ein Glas, Eine Schüssel – Ein Herz, Ein Wille.

Lettischer Verlobungsspruch. »Zum Beginn des Mahles war ein Glas Branntwein, Salz und Brot vor die Verlobten gestellt. Beide tranken aus Einem Glase, jeder brach ein Stück des Brotes, tunkte es in das Salzfass und ass es auf.«


[1350] 71. Ein Glas schenkt ein Glas einem andern Glas; rathe, was ist das?

Lat.: Dat vitrum vitro Jonae, Vitrum ipse Lutherus, se similem ut fragili noscat uterque vitro. (Monatsblätter, V, 143, 39.)


72. Glas und Gras, wie lange lebet das.Heinmar, II, 35.


73. Im letzten Glase liegt der Rausch.

It.: L' ultimo bicchiere è quello che ubbriaca. (Giani, 230.)


74. In ein leeres Glas quartiert sich der Teufel ein.


75. Wenn das Glas am schonsten scheint, so zubricht es.Fischer, Psalter, 238, 2.


*76. Das Glas muss voll seyn nach dem Habermaass.Callenbach, 51.


*77. Durchs gemalte Glass kuken.Mathesius, Sarepta, CXCIXa.


*78. Er kann ein Glas vertragen.

Holl.: De man kan wel een' braven roemer bij zich steken. (Harrebomée, II, 224a.)


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867.
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