Bombay [1]

[188] Bombay, Präsidentschaft des britisch-ind. Kaiserreichs, an der Westküste Vorderindiens (s. Karte »Ostindien«), zwischen 13°53'–28°45' nördl. Br. und 60°40'–76°30' östl. L., begrenzt von Belutschistan, Pandschab, Radschputana, Zentralindien, Zentralprovinzen, Berar, Haidarabad, Madras, Maissur und dem Arabischen Meer, 502,722 qkm mit (1901) 25,434,965 Einw., wovon 323,903 qkm mit 18,543,274 Seelen auf den unmittelbaren britischen Besitz, 178,819 qkm mit 6,891,691 Seelen auf die Tributärstaaten entfallen. Administrativ stehen unter dem Gouverneur von B. auch Aden mit Perim, den arabischen Schutzgebieten, die Somalküste, Sokotra und die Kuria Muria-Inseln, zusammen 41,222 qkm mit 338,000 Einw. Die portugiesischen Besitzungen Goa, Daman und Diu sind Enklaven. Man kann zwei Regionen unterscheiden, mit der Narbada als Grenze: eine nördliche, Gudscharat, die Halbinsel Kathiawar, Katsch und Sind umfassend, eine niedrige Alluvialebene und zum großen Teil Wüste; eine südliche, ein schmaler, fruchtbarer Küstenstreifen, den im O. die steil aufsteigenden Ghats begrenzen, woran sich das Plateau anschließt. Rauhe Pässe, Bor-Ghat, Thall-Ghat u. a., durchschneiden das Gebirge. Von Flüssen ist nur der Indus von Bedeutung, von der Narbada und Tapti gehört nur der kurze Unterlauf der Präsidentschaft an. Die Ghats bestehen aus porphyrischem Trapp; in den nördlichen Gegenden finden sich versteinerungsreicher Sandstein und Konglomerate. Das große Basaltgebiet Indiens, das bei Nagpur beginnt, bildet fast die ganze Küste von Goa und B. bis zum Golf von Cambay; hier auch bedeutende Erdbeben. Ein schwarzer, für den Baumwollbau geeigneter Boden bildet den ganzen mittlern Teil der Präsidentschaft. Das Klima ist fast überall ungesund. B. hat eine mittlere Temperatur von 27,5°, in Gudscharat steigt das Thermometer über 43,3° und fällt bis 4,4°. Der jährliche Regenfall beträgt in B. 2032 mm, in Puna nur 500, in Karatschi 152–203, in Haidarabad 63,5 mm. Die Flora ist den klimatischen Bedingungen angepaßt; schöne Tiekwälder bedecken die Ghats, die Konkanküste hat ungeheure Striche mit Kokos- und andern Palmen, Surat und Sind wilde Datteln und Babut (Acacia arabica), Sandelholz allein Kanara. Die Waldregion bedeckt 7,173,920 Acres, wovon der größte Teil unter Verwaltung der Regierung steht. Wilde Tiere und Schlangen finden sich auch hier in Menge; durch dieselben wurden 1890 getötet 1122 Personen und 1883 Stück Vieh, dagegen erlegt 836 wilde Tiere und 406,092 Schlangen. Die Bevölkerung, die seit 1891 durch Pest und Hungersnot um etwa 11/2 Mill. abgenommen hat, besteht vornehmlich aus Marathen, aber auch aus Parsen, Belutschen, Persern, Pathan und Arabern. Der Religion nach waren 1901: 19,916,438 Hindu, 4,567,295 Mohammedaner, 216,118 Christen, 535,950 Dschaina, 78,552 Parsen, 10,860 Juden, 177,104 Naturanbeter. In der Mitte und im S. spricht man hauptsächlich Mahrati und Kanaresisch, im NW. ist die Sprache der Kaufleute meist Gudscharati, in Sind spricht man Sindi, einen Dialekt des Sanskrits, westlich vom Indus Balutschi. Die Volksbildung steht auf sehr niedriger Stufe; von der Gesamtbevölkerung sind nicht weniger als 25,050,590 Analphabeten; 1891 wurden sämtliche 11,977 Lehranstalten von 620,498 (69,282 weiblichen) Zöglingen besucht. Die Universität zu Bombay ist nur eine Prüfungsbehörde, sie hatte 1900: 1012 Studenten. Von höhern Schulen bestehen 5 Colleges, eine medizinische, juristische und gewerbliche Schule, von wissenschaftlichen Gesellschaften ein Zweig der Royal Asiatic Society (B.-Brauch), eine medizinische und physikalische Gesellschaft, das Sassun-Handwerkerinstitut mit 11,269 Bänden, 223 Spitäler. Es erscheinen 269 Zeitungen, davon 78 einheimische, 20 englische, 11 in Anglo-Marathi, 30 in Marathi, 4 in Anglo-Gudscharati, 27 in Gudscharati, die übrigen in Urdu, Hindi und Persisch. Der Ackerbau erzeugte 1900 auf 24 Mill. Acres besonders Hirse und Hülsenfrüchte, dann Reis[188] und Weizen, vorzügliche Baumwolle, Ölsaaten, Tabak, Indigo, Zuckerrohr. Künstlich bewässert wurden (besonders in Sind) 3,043,147 Acres. Der Viehstand betrug 1901: 164,459 Pferde, 7,258,521 Rinder, 1,667,370 Schafe, 2,664,169 Ziegen, 104,702) Kamele; (in Sind); die Abnahme ist allgemein, während der Hungersnot 1900 allein sollen 1,825,000 Stück Vieh verloren gegangen sein. Die vornehmsten Industrien sind Baumwollspinnerei und -Weberei und Salzgewinnung; die Baumwollspinnerei beschäftigte 1901 in 134 Fabriken 3,461,595 Spindeln und 31,187 Webstühle, 108,840 Arbeiter; außerdem werden erzeugt Seidenstoffe, Gold- und Silberdraht, Stickereien, Lederwaren, Eisenwaren, Holz- und Elfenbeinschnitzereien. Der sehr bedeutende Handel nimmt seinen Weg vornehmlich über die Stadt B. 1900/1901 betrug die Einfuhr 263,405,990, die Ausfuhr 271,677,963 Rupien, eine Gesamtabnahme gegen das Vorjahr von etwa 81 Mill. Rupien. Die unter Kontrolle der Regierung stehenden Eisenbahnen hatten 1900 eine Länge von 12,110 km, im Bau waren 101 km. Durch 583 Telegraphenämter wurden auf 12,840 km Linien 168,503 Depeschen befördert mit einer Einnahme von 1,769,555 Rupien. Die Post beförderte in 1518 Postämtern und 888 Zweigpostanstalten über 100 Mill. Briefe. Der vom König von England ernannte Gouverneur steht unter dem Generalgouverneur von Indien, ressortiert aber in einigen Beziehungen direkt von dem Minister für Indien in London. Er wird unterstützt durch einen Rat und eine Gesetzgebende Versammlung, deren Mitglieder der Gouverneur ernennt. Die Präsidentschaft wird eingeteilt in vier Regierungsbezirke (divisions): einen nördlichen, zentralen, südlichen und Sind. Die Rechtspflege üben ein Oberrichter und vier Richter mit Distrikts- und Bezirksrichtern aus. Die Einnahmen betrugen 1900: 135,703,045, die Ausgaben 108,715,882 Rupien. Die Bombay-Armee zählt 47,022 Mann; ihr Hauptquartier ist Puna. Die Marine besteht aus 10 Dampfern, von denen 2 in Aden, 2 im Persischen Golf stationiert sind, 2 Panzerturmschiffen und 2 Schulschiffen. Vgl. Murray-Eastwick, Handbook to the presidency of B. (2. Aufl., Lond. 1881); Sir W. Hunter, Bombay 1885 to 1890 (das. 1892); Rogers, The land revenue of B. (das. 1892, 2 Bde.); Crawford, Our troubles in Poona (das. 1897); I. Douglas, Glimpses of old B. and Western India (das. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 188-189.
Lizenz:
Faksimiles:
188 | 189
Kategorien: