Kautschuk

[399] Kautschuk (Caoutschuk, Caoutchouc, Elastisches Gummi, Gummi elasticum. Federharz, Resina elastica, Elastic gum, India rubber), der eingetrocknete Milchsaft verschiedener Bäume der tropischen Gegenden. Nach seiner Abstammung unterscheidet man amerikanisches u. ostindisches K.: das amerikanische K., das bessere, kommt von Siphonia elastica (S. cahachu, Iatropha elastica, Hevea guianeusi,) u. von Siph. Schomburgkiana, welche in Brasilien u. Guiana einheimisch sind. Das ostindische K. stammt von einigen Ficusarten, bes. Ficus elastica, F. indica, F. religiosa, F. racemosa u. von einem in Sumatra u. Singapore wildwachsenden Schlingstrauche Tabernaemontana elastica (Urceola elastica). Außerdem findet sich das K. in vielen andern Gewächsen, so Papaver somniferum, Lactuca sativa, Cichorium intybus Das Einsammeln des K. erfolgt in der Art, daß man am Fuße des Baumstammes tiefe Einschnitte macht, aus welchen der graugelbe od. gelblichweiße Saft ausfließt; er ist klebrig u. enthält über die Hälfte seines Gewichts Wasser. Diesen läßt man in flache, länglich viereckige Gruben laufen, wo sich das K. auf der Oberfläche der Flüssigkeit als eine 2_–3 Zell eicke Platte (Gummispeck) ansammelt. Oder man streicht den Saft aus hohle Körper von ungebranntem Thon, welche nach dem Trocknen des K. zerbrochen od. in Wasser aufgeweicht u. aus der Kautschukhülle entfernt werden; man trägt 40–60 Schichten über einander auf, welche alle über Feuer schnell getrocknet werden, ehe man eine zweite Lage darauf bringt. Meist gibt man auf diese Weise dem K. die Form birnförmiger Flaschen, welche von verschiedener Größe (1–5 Zoll im Durchmesser) u. bis 2 Zoll dick sind. Eine andere Art K. ist das Dapicho (Zapis), welches in den Morästen des Javitagebirges an den Wurzeln von Si phonia elastisa u. anderen Bäumen gefunden wird. Auch der frische Milchsaft findet sich ungetrocknet hie u. da in dem Handel, er kommt aus Amerika in Flaschen von Kupfer od. K., ist dicklich, blaßgelb, dem Rahm ähnlich, von säuerlichem, fauligem Geruch, specifisches Gewicht 1, 011; beim Erhitzen, sowie durch Versetzen mit Alkohol, gerinnt er sogleich; in dünnen Lagen der Luft ausgesetzt, erhärtet er zu einer zähen elastischen Masse von brauner Farbe. Das K. ist im reinen Zustande farblos, durchsichtig, in dicken Lagen gelblich, specifisches Gewicht: 0, 925, kann durch Verdünnen des frischen Milchsaftes mit Wasser erhalten werden, wo es sich auf der Oberfläche der Flüssigkeit ansammelt. Das K., wie es in den Handel kommt, ist sehr biegsam u. elastisch, bei gewöhnlicher Temperatur weich, in der Kälte hart u. steif, sein specifisches Gewicht ist 0, 933 in Wasser ist es vollständig unlöslich, ebenso in Alkohol, löslich dagegen in reinem Äther, Chloroform u. manchen Ölen (bes. Kautschuköl, Steinkohlenöl, Benzin), besteht aus C8H7; Säuren u. Alkalien greifen es nicht an. Vorsichtig erwärmt wird es weich u. kann sehr bedeutend ausgedehnt werden, ohne zu zerreißen. In diesem ausgedehnten Zustande erkaltet, schrumpft es nicht wieder zusammen, kann aber von Neuem ausgedehnt werden. Auf diese Weise lassen sich die Kautschukflaschen zu großen, sehr dünnwandigen Ballons aufblasen u. kurze Streifen zu langen dünnen Fäden ausziehen. Es läßt sich an u. für sich nur schwierig zerschneiden, sehr leicht dagegen, wenn man die Seite, von woher der Schnitt erfolgen soll, straff anzieht; frische reine Schnittflächen kleben mit großer Festigkeit an einander an. Erhitzt man das K. vorsichtig bis 100°, so vereinigen sich unter Anwendung eines angemessenen Druckes alle reinen Oberflächen desselben zu einer Masse, u. man kann auf diese Weise aus kleinen Stücken einen großen Klumpen von gleichförmiger Beschaffenheit hervorbringen. Bei 125° schmilzt das K. zu einer klebrigen Masse, welche auch nach dem Erkalten nicht fest wird, bei höherer Temperatur entzündet es sich u. brennt mit rußender Flamme; bei der trockenen Destillation erhält man ein dunkles Öl, das Kautschuköl, s.d.

Die Verarbeitung u. Anwendung des K. war den Eingebornen von Ostindien u. Südamerika schon längst bekannt, in Europa aber war die Kenntniß des K. bis Mitte des 18. Jahrh. noch sehr unvollkommen. De la Condamine sandte ums Jahr 1740 eine größere Quantität K. aus Südamerika nach England, die Anwendung blieb aber nur eine beschränkte, bis 1823 der Schotte Mackintosh die Bereitung wasserdichter Kleiderstoffe erfand. Seitdem hat sich die Kautschukindustrie bes. in Nordamerika u. England immer mehr vervollkommnet, u. schon 1842 betrug in England die Einfuhr von K. gegen 800,000 Pfund. Die Verarbeitung des K. ist verschieden je nach dem Rohproduct u. je nach den daraus zu fertigenden Gegenständen; man verarbeitet ihn entweder als natürlichen Saft od. in Form von Platten od. als Auflösung. a) Verarbeitung des natürlichen Milchsaftes. Derselbe wird schichtenweis auf thönerne Formen gestrichen, wie bei der Herstellung der Kautschukflaschen; diese Methode gibt die besten Producte, ist aber sehr zeitraubend; früher wurden aus Amerika Schuhe eingeführt, welche auf diese Weise gefertigt waren; sie sind den aus eingetrocknetem K. gearbeiteten weit vorzuziehen. In Europa kommt der frische Saft selten zur Verarbeitung, weil der Transport zu theuer ist u. der Saft selbst leicht verdirbt. b) Herstellung u. Verarbeitung von Platten. Am häufigsten kommt das K. als Blöcke od. Flaschen in den Handel. Wenn die Flaschen möglich gleichmäßig sind, so erhält man aus ihnen durch Zerschneiden kleine Platten, welche durch Pressen in der Wärme flach gemacht werden; od. man erweicht die Flaschen durch Kochen mit Wasser u. bläst sie stark auf, läßt sie so einige Tage lang hängen u. schneidet sie auf; die dünnen Stücke können dann ebenfalls durch Pressen geebnet werden Häufig enthalten die Flaschen Unreinigkeiten, welche entfernt werden müssen; man zerschneidet sie in Stücke u. läßt diese zwischen zwei Walzen gehen, welche verschiedene Geschwindigkeiten haben, während[399] ein auf die Walzen geleiteter Wasserstrahl die Unreinigkeiten auflöst u. wegspült. Die so gereinigten Kautschukstücke werden nun in eine Knetmaschine gebracht, welche aus einem mit vielen Zacken besetzten eisernen Cylinder u. einem ebenfalls mit Zacken versehenen trommelartigen Gehäuse besteht. Durch die rasche Umdrehung des Cylinders wird das K. geknetet u. erwärmt sich zugleich, wodurch es sich zu einem Klumpen von gleichmäßiger Beschaffenheit vereinigt; es wird dann noch heiß zwischen Platten gepreßt u. zerschnitten. Hat man es mit K. in Blöcken zu thun, so werden diese mittelst vertical stehender sich rasch umdrehender Stahlscheiben in dünne Blätter zerschnitten u. dann zwischen den Walzen gereinigt. Dünne Platten werden auch zwischen zwei hohlen, mit Wasserdampf geheizten Walzen ausgewalzt u. noch warm zwischen einem baumwollenen Gewebe auf eine Walze gerollt (daher haben solche Platten immer den Abdruck dieses Gewebes). Aus Platten fertigt man nun allerhand Gegenstände, indem man dieselben wie Leder zerschneidet u. über Formen zusammenklebt. Auf diese Weise werden die Kautschukschuhe (Gummischuhe), Kautschukröhren etc. gemacht. Auf besonderen Maschinen schneidet man aus ihnen auch die Kautschukfäden, diese werden mit Seide od. Baumwolle übersponnen u. entweder als einzelne elastische Schnüre benutzt od. zur Herstellung elastischer Gewebe, wie Tragbänder, Gürtel etc. verarbeitet. Damit ein solches fertiges Gewebe sich genügend ausdehnen kann, werden die Kautschukfäden entsprechend ausgedehnt u. in diesem gestreckten Zustande in das Zeug eingewebt. c) Auflösung von K. Das gereinigte K. wird mit der vierfachen Gewichtsmenge Terpentinöl zusammengerührt, wodurch zwar keine Auflösung, aber bei gelinder Wärme ein so vollständiges Durchdringen des K. erfolgt, daß dasselbe zu einem gleichartigen Brei zerrieben werden kann; nach 24 Stunden leitet man Terpentinöldampf u. Wasserdampf durch die Masse u. preßt dieselbe durch seine Siebe, wobei die noch zurückgebliebenen Unreinigkeiten entfernt werden. Dieser Teig wird in hölzernen, mit Weißblech ausgefütterten Kästen aufbewahrt. In neuerer Zeit benutzt man bes. eine Mischung von Schwefelkohlenstoff u. Alkohol; man zerschneidet das gewaschene K. zu schmalen Streifen u. übergießt es in großen Zinkflaschen mit dem doppelten Gewicht Schwefelkohlenstoff, dem man 5 Procent Weingeist zugesetzt hat; die Gefäße werden dicht verschlossen u. 12–15 Stunden lang in der Ruhe gelassen. Das K. schwillt zu einem Teig auf, der mehrmals durch Drahtsiebe gepreßt wird. Dieser Teig dient zur Herstellung von wasserdichtem Zeuge, Fäden u. Platten, zum Überziehen von Modellen, um die entsprechenden hohlen Gegenstände aus K. darzustellen, zum Gießen in Formen. Kautschukfäden werden aus dem Teig erhalten, indem man ihn durch einen Cylinder preßt, dessen Boden mit einer großen Anzahl runder Löcher durchbohrt ist; die Fäden werden dann auf eine Trommel gewunden, wo sie trocknen; durch Ausdehnen u. Erhitzen können sie sehr dünn gezogen werden. d) Herstellung von wasserdichten Zeugen. Das Zeug wird in Form eines endlosen Tuches auf zwei hölzerne Trommeln gespannt, die man durch Kurbeln in Bewegung setzt; über dem Zeug ist ein verstellbares eisernes Querlineal angebracht, welches die Stärke der aufzutragenden Schicht bestimmt. Ein Arbeiter gießt den Teig auf das Gewebe, während, ein anderer an der Kurbel dreht, so daß das Zeug mit dem daraufgegossenen Teig unter dem Lineal weggleitet. Damit die Kautschukmasse gut anhaftet u. nicht klebrig werde, trägt man mehre Schichten auf u. trocknet die vorhergehende, ehe man eine neue aufträgt. In ähnlicher Weise stellt man auch Kautschukröhren u. Schläuche her, indem man den Teig auf einen baumwollenen od. leinenen Schlauch bringt. Das sogen. Mackintosh, von dem Schotten gleiches Namens erfunden, ist ein durch K. wasserdicht gemachtes Zeug, welches man auf folgende Weise herstellt. Das K. wird in rectificirtem Steinkohlenöl aufgelöst u. mit dieser Auflösung die eine Seite des Zeuges bestrichen, ein zweites Stück Zeug darauf gelegt u. das Ganze zwischen Walzen gepreßt. Alle Zusammenfügungen bei wasserdichten Zeugen geschehen durch Kleben mit K. Blätter von K. erhält man aus dem Kautschukteig, indem man auf ein endloses Tuch eine Schicht Mehlkleister mit Syrup vermischt aufträgt u. auf diese die erforderliche Anzahl Schichten von Kautschukteig bringt, wie bei der Darstellung von wasserdichten Zeugen; das trockene Kautschukblatt kann nicht von der Unterlage befreit werden. Als wasserdichtes Zeug in der Form von Platten u. als gegossener K. findet das K. vielfache Anwendung, so zur Herstellung von Regenmänteln, Tapeten, Zelten, Segeln, Booten, elastischen Ringen u. Bändern, Schnüren, Röhren zu Dampfleitungen u. zum Gebrauch in chemischen Laboratorien, zu Schläuchen, Schuhen, Geräthen zu chemischem u. chirurgischem Gebrauch, Handschuhen für Färber u. Chemiker, Spielzeug, Buffern für Eisenbahnwagen, Beschlag zu Messerputzbretern (mit geraspeltem Kork gemischt), Radirgummi (mit eingemengtem Bernsteinpulver etc. e) Vulkanisiren des K-s. Dieses besteht in der Vereinigung des K. mit Schwefel u. hat den Zweck, das K. durch die Abwechselung von Wärme u. Kälte u. unter dem Einfluß der Feuchtigkeit weniger veränderlich zu machen. Das vulkanisirte K. besitzt eine größere u. dauerndere Elasticität als das gewöhnliche, es wird bei 32° R. nicht so weich u. unter dem Einfluß der Sonnenstrahlen nicht klebrig, bei anhaltender Kälte nicht rissig u. hart u. behält seine Elasticität; frische Schnittflächen kleben nicht zusammen; es ist unlöslich u. enthält gegen 10 Procent Schwefel. Das Vulkanisiren des K. wurde 1832 von Lüdersdorff in Berlin erfunden; nach seiner Methode wird in dem zur Auflösung des K. bestimmten Terpentinöl Schwefel aufgelöst; nach einem Verfahren von Godynar wird das geschnittene K. mit 12 Proc. Schwefelblumen vermischt, in einer Knetmaschine bearbeitet, die teigartige Masse geformt u. auf 92–104° R. erhitzt; nach Hancock taucht man das K. in geschmolzenen u. auf 92–96° R. erhitzten Schwefel; ein anderes Verfahren besteht darin, daß man die zu vulkanisirenden Gegenstände in der Kälte zwei Minuten lang in eine Mischung von Schwefelkohlenstoff u. Chlorschwefel taucht, sie erwärmt, mit Kalilauge u. dann mit Wasser abwäscht u. trocknet; diese Methode wendet man oft zum Vulkanisiren von Platten u. Röhren an; od. man läßt die Gegenstände in einem verschlossenen Gefäß drei Stunden lang in einer Auflösung von dreifach od. fünffach Schwefelkalium (KS3 od. KS5) bei 112 ° R., wäscht sie in Kalilauge u. dann mit Wasser. Das vulkanisirte K darf nicht da verwendet werden, wo es mit Metallen in Berührung kommt, weil es an diese den Schwefel abgibt u. zerstört, daher nicht[400] als Überzug der Telegraphenleitungen, zu Dichtungen etc. Eine in neuerer Zeit vielfach angewendete Abänderung des vulkanisirten K. ist das sogenannte hornisirte Gummi; es zeichnet sich durch bedeutende Härte u. Steifheit aus, während es zugleich elastisch ist, so daß es dem Horn vollkommen ähnlich ist. Daher wendet man es zu Kämmen, künstlichem Fischbein, Stöcken, Reitpeitschen, Stock- u. Regenschirmgriffen, Messerheften, Knöpfen, Kästen, Büchsen u. Schachteln, Rahmen, Schreibzeugen, Körben, Spielzeug aller Art, Brillengestellen, Meubles etc. an. Die hornähnliche Beschaffenheit erhält das K. schon durch einen größeren Schwefelgehalt (30–60 Procent); man kann jedoch auch dem vulkanisirten K. andere Stoffe beimischen, um dieselbe Härte bei einem geringeren Kostenaufwand zu erzielen, z.B. Schellack, Steinkohlenpech, gebrannte Magnesia, Kreide, Thon, Zinkoxyd, Schwefelzink, Schwefelblei, erdige Farbstoffe, Baumwolle. Zur Vereinigung dieser Stoffe mit dem K werden dieselben mit Schwefelpulver u. dem kleingeschnittenen K. in der Knetmaschine zusammengeknetet u. die teigartige Masse unter Erhitzen auf 110–120° R. in Formen gepreßt. Fertige Gegenstände aus K. werden meist noch mit einem Firniß überstrichen; einen solchen erhält man, indem man vulkanisirtes K. unter Umrühren in einem gußeisernen Gefäß schmilzt u. Terpentinöl, Steinöl u. rectificirtes Steinkohlentheeröl in kleinen Mengen zusetzt, bis die Flüssigkeit 6 Proc. K. enthält, dann mischt man die Masse mit aufgelöstem gewöhnlichen K. u. trägt sie auf.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 399-401.
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