Jesus

[502] Jesus war der Sohn der Maria, einer Jungfrau aus dem Stamme David's, geboren zu Bethlehem im jüd. Lande, welcher die von uns als göttliche Wahrheit anerkannte Religion stiftete und darum selbst als Sohn Gottes und längst verheißener und erwarteter Erlöser des Menschengeschlechts von der Gewalt der Sünde und des Todes, als (hebr.) Messias oder (griech.) Christus verehrt wird. Messias, Christus heißt der Gesalbte, und zu einem solchen, zu einem König und Herrn über Alle, die durch den Glauben an ihn in sein Reich und damit in Gottes Himmelreich aufgenommen sind, hat ihn Gott bestellt. Über seine Geburt berichten die heiligen Urkunden, daß er auf wunderbare Weise, durch den Einfluß des heiligen Geistes von der unschuldigen und reinen Jungfrau Maria empfangen, und nach einer überirdischen Vorherverkündigung geboren worden sei. Von dem Jahre, in welchem der Christ geboren worden, zählen gegenwärtig alle seine Bekenner die Jahre und es liegt bei dieser Jahresrechnung eine Annahme zu Grunde, welche durch neuere genaue Untersuchungen als nicht genau richtig sich erwiesen hat, indem I. einige Jahre früher geboren worden ist, als in der gewöhnlichen Rechnung angenommen wird. Hiernach fällt das Geburtsjahr Christi 4–5 Jahre vor Anfang der christlichen Zeitrechnung. Joseph, ein Zimmermann, der Verlobte Maria's und, wie sie, aus dem Stamme David's, wollte die Jungfrau verlassen, aber belehrt von einer himmlischen Erscheinung, nahm er sie als sein Gemahl zu sich, und nachdem I. geboren war, erzog er ihn als seinen Sohn. Joseph hatte mit Maria Nazareth in Galiläa, wo er gewöhnlich lebte, verlassen und war, weil der röm. Kaiser Augustus eine Schatzung ausgeschrieben hatte, zufolge welcher jeder Jude in den Ort sich begeben mußte, zu dem er nach seiner Abstammung gehörte, nach Bethlehem, der Stadt David's, gekommen. Hier ward I. in einem Stalle geboren und in eine Krippe gelegt. So niedrig war die Geburt des Heilands der Welt, aber Engel verkündeten seine Erscheinung den Hirten auf dem Felde und diese kamen zur Stadt, das Kindlein zu sehen. Vornehme und gelehrte Männer im Morgenlande hatten aus der Erscheinung eines wunderbaren Sterns geschlossen, daß der Messias geboren sei, und zogen aus, denselben anzubeten. So kamen sie nach Jerusalem und fragten nach dem neugeborenen Könige der Juden. Herodes, der damals König in Jerusalem war, gedachte der Weissagung seines Volks und weil er fürchtete, der Messias werde ein irdischer König sein und ihn vom Throne stürzen, gedachte er das Kind zu tödten. Die alte Weissagung nannte Bethlehem als Geburtsort des Messias, und dahin schickte Herodes die Weisen, hieß sie nach dem Kinde forschen und wenn sie es gefunden, ihm ansagen. Die Weisen fanden das Kind, beteten es an, gingen aber, gewarnt von einem himmlischen Gesicht, nicht zu Herodes zurück. Joseph erhielt von Gott die Weisung, daß er mit Maria und I. nach Ägypten ziehe und blieb dort, bis Herodes gestorben war, welcher zu Bethlehem und in der Umgegend alle Kinder hatte tödten lassen, welche ungefähr um die Zeit geboren waren, als den Weisen der Stern erschien. Joseph lebte nachher in Nazareth und kam alljährlich mit Maria und I. nach Jerusalem zum Osterfeste. Da geschah es, daß I. als ein zwölfjähriger Knabe seinen Ältern, die Jerusalem schon wieder verlassen hatten, aus den Augen gekommen war. Sie kehrten zurück und fanden ihn erst am dritten Tage, wie er im Tempel unter den Lehrern saß, sie fragte und ihnen Antwort ertheilte, sodaß Alle über des Knaben Verstand verwundert waren. Später war Johannes, welchen Gott zu einem Vorläufer und Verkündiger des kommenden Messias bestellt hatte, aufgetreten, predigte Buße und taufte die Bußfertigen im Jordan. Da kam auch I. zu Johannes und ließ sich taufen; es geschah aber, als er getauft worden war und betete, ein göttliches Zeichen und erscholl eine Stimme, welche ihn als den Sohn Gottes verkündete. Als I. 30 Jahre alt geworden war, begab er sich in die Wüste, übte Gebet und Fasten und bestand die Versuchungen, welche ihm nahe traten. Nachher ging er zurück in das galiläische Land und fing an das Volk zur Buße zu rufen und zu belehren. Er sammelte auch um sich die Männer, welche Apostel, d.h. Boten oder Verkündiger seiner Lehre, werden sollten. Bald sammelte sich eine große Menge Volks um ihn, welche theils um seiner Lehre willen, theils wegen der Wunderwerke, die er zur Bestätigung seiner göttlichen Sendung verrichtete, an ihn glaubte. Er selbst aber tadelte Diejenigen hart, welche Zeichen und Wunder sehen wollten, um zu glauben, denn er wollte, daß man, um der seiner Lehre inwohnenden, überzeugenden und beseligenden Kraft willen an ihn glauben solle. I. lebte streng nach dem jüd. Gesetz, sagte auch, daß er nicht gekommen sei, dasselbe aufzuheben, sondern es zu erfüllen, indem es nicht genug sei an der äußerlichen Gerechtigkeit der Werke, sondern es darauf ankomme, daß die Gesinnung heilig sei, welche den Werken zu Grunde liege. Seine Jünger bereitete er auf ihre große Sendung vor und obschon sie ihn vielfach misverstanden, indem sie, wie die Menge, auf ein irdisches Reich des Messias hofften, so wurden diese Lehren an ihnen doch fruchtbringend, nachdem Christus von ihnen geschieden und durch sein Sterben ihnen die höhere Ansicht über die Bestimmung seiner Sendung aufgegangen war. Seine Lehre schloß sich der Fassungskraft seiner Zuhörer an; er trug sie ihnen meist in Beispielen und Gleichnissen vor, sprach aber oft auch mit der Begeisterung eines Propheten. Durch seinen eignen Wandel war er ein leuchtendes Vorbild der Tugend und Sittenreinheit, und selbst seine erbittertsten Feinde konnten ihm nie einen Vorwurf in dieser Beziehung machen. Dabei war seine Frömmigkeit und Ergebenheit in den Willen Gottes, den er als liebenden Vater des Menschengeschlechts anbeten lehrte, weit entfernt von aller empfindelnden Schwärmerei; er war vielmehr stets heiter und freute sich mit den Fröhlichen, sowie er die Betrübten tröstete. Er duldete die Sünder, auch erbarmte er sich der Gefallenen, indem er sie zu retten hoffte, aber er eiferte gegen sie, wenn sie frech in der Verunehrung des Heiligen auftraten. Zum [502] Osterfeste strömten alle Juden nach Jerusalem und auch I. kam jedesmal zu diesem Feste dahin und trat lehrend, strafend, ermahnend, aufrichtend auch hier im Tempel Salomo's auf. Die verkehrten Vorstellungen, welche die Juden vom Messias hatten, als welcher I. bereits laut verkündigt wurde, schufen ihm unter den Mächtigen und Denen, die sich klug dünkten, viele Feinde, die ihn bis zum Tode verfolgten und denen er wohl hätte entgehen können, sowie auch die Zahl seiner Anhänger so groß war, daß er seinen Feinden mit Gewalt hätte entgegentreten und die ehrgeizigen Wünsche mancher seiner Anhänger befriedigen können. Aber I. wollte weder Dieses noch Jenes, sondern gab sich selbst in die Hände seiner Feinde, sein Schicksal voraussehend und voraussagend, um alle Irrthümer, an denen seine Bekenner noch festhielten, zu vernichten, die Christuslehre in ihrer ganzen Reinheit und himmlischen Herrlichkeit darzustellen und die Wahrheit derselben mit seinem Tode zu besiegeln. Als er zum dritten Male auf das Osterfest nach Jerusalem kam, empfing ihn das Volk öffentlich mit jubelndem Zurufe als den gottgesandten Propheten. Da überlegte die Partei der ungläubigen Reichen und Vornehmen, wie sie ihn singen und tödteten. Einer der Jünger des Herrn, Judas, genannt Ischarioth, kam aber zu ihnen und bot ihnen an, daß er für Geld I. in ihre, Hände liefern wolle. I. speiste mit seinen Jüngern nach der alterthümlichen Weise seines Volks das Osterlamm. Er wußte den Verrath und kannte den Verräther und sagte seinen Jüngern voraus, was geschehen würde. Das Abendmahl aber, welches er mit seinen Jüngern hielt, machte er zu einem Gedächtnißmahle für künftige Zeiten. Er gab ihnen Brot und Wein, damit sie seines für das Heil der Welt gebrochenen Leibes und vergossenen Bluts sich erinnern sollten, und wusch ihnen selbst die Füße, auf daß seine Bekenner in demüthiger Liebe miteinander umgingen, weil ihr Herr und Meister sich nicht zu hoch geachtet, Knechtesdienste für sie zu verrichten. Nach dem Mahle ging I. mit seinen Jüngern nach dem Ölberge, der vor Jerusalem liegt, in den Garten Gethsemane. Hier betete er inbrünstig zu Gott, während seine Jünger schlummerten. Seine menschliche Natur erbebte wol vor den Leiden, die ihm bevorstanden, aber er bezwang sie und fügte sich ganz in den Willen Gottes. Endlich weckte er die Jünger und ging mit ihnen dem Verräther Judas entgegen, welcher mit Bewaffneten nahte. Durch einen Kuß verrieth Judas seinen Herrn und dieser gab sich ruhig in die Hände seiner Feinde und wehrte den Jüngern, welche ihn befreien wollten. Bei dem Hohenpriester Kaiphas waren die Schriftgelehrten und Ältesten versammelt, und vor diese wurde I. geführt. Falsche Zeugen wurden gegen ihn herbeigebracht, um ihn zu verderben, man verdrehte die Worte, die er zum Volke gesprochen hatte, um eine Schuld zu finden. I. antwortete diesen Zeugen nicht; als ihn aber der Hohepriester einen feierlichen Eid abverlangte, ob er sei Christus, der Sohn Gottes, antwortete er: »Du sagst es!« Nun erklärte ihn der Hohepriester für Einen, der Gott gelästert habe, und die Anwesenden verdammten ihn zum Tode, mishandelten und verhöhnten ihn. Es durften aber die Juden die Todesstrafe nicht ohne Weiteres vollziehen, weil ihnen die Römer einen Landpfleger gesetzt hatten, welcher auf Ausübung der Gerechtigkeit zu sehen hatte. Dieser war damals Pontius Pilatus, und vor ihn brachten sie I. und klagten ihn an, daß er Aufruhr stiften wolle und sich für den Messias, also für den König der Juden, ausgäbe. Pilatus hielt Gericht über I. und fand ihn unschuldig, welches er auch laut und öffentlich erklärte. Aber der Volkshaufe, welchen die Feinde I. angestiftet hatten, schrie so laut, daß ihn Pilatus kreuzigen lassen solle, daß dieser, als ein schwacher Mann, um nicht einen Aufruhr zu erregen, I. in ihre Hände gab, damit sie ihn kreuzigten. Römische Kriegsknechte trieben ihren frechen Spott mit I., der sich, wie sie sagten, für einen König der Juden ausgegeben hätte. Auf der Richtstätte Golgatha, d.h. Schädelstätte, nagelten sie I. an das Kreuz und hefteten an dasselbe eine Inschrift, welche die Ursache seines Todes angab: »Jesus von Nazareth, der Juden König«. Zwei gemeine Verbrecher wurden mit ihm gekreuzigt. I. betete am Kreuze für seine Feinde und verschied, eher als sonst ans Kreuz Geschlagene zu enden pflegen. Im 34. Jahre seines Lebens, am 15. des Monats Nisan, in der dritten Nachmittagsstunde, starb I. und es erbebte die Erde und der Vorhang im Tempel, welcher das Allerheiligste abschied, zerriß. Joseph von Arimathia, ein Anhänger der Christuslehre, war ein reicher Mann und hatte sich ein eignes Grabmal in einen Felsen hauen lassen, der erbat sich von Pilatus den Leichnam I.'s, um ihn in jenes Grab zu legen. Seine Bitte wurde bewilligt, I. in das Grab gelegt und vor dasselbe ein großer Stein gewälzt, welcher den Eingang verschloß. Da nun aber seine Feinde wußten, daß I. vorausgesagt hatte, daß er am dritten Tage auferstehen werde, so ließ Pilatus, damit der Leichnam nicht etwa heimlich entwendet werde, das Grab versiegeln und Wachen davorstellen. Am dritten Tage aber erbebte die Erde, ein Engel wälzte den Stein des Grabes hinweg, die Krieger, welche es bewachten, bebten zurück vor der leuchtenden Erscheinung. Christus entstieg lebend der Gruft. Noch 40 Tage wandelte er unter seinen Jüngern und belehrte sie, und wurde darauf zu Bethanien, nachdem er sie gesegnet, gen Himmel getragen. Wir glauben als Christen, daß er bei Gott ist und dermaleinst am Ende aller Tage Gericht halten werde über uns im Namen Gottes.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 502-503.
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