Mailand

Mailand

[24] Mailand. Das ehemalige Herzogthum M. in Oberitalien erhielt seinen Namen von der Stadt M., welche 400 Jahre v. Chr. von einwandernden Galliern gegründet wurde, um 220 v. Chr. unter röm. Botmäßigkeit kam, in den letzten Zeiten des weström. Reichs oft die Residenz der Kaiser war und die der im 4. Jahrh. n. Chr. lebende röm. Dichter Ausonius als die sechste von den 15 vornehmsten [24] Städten der damals bekannten Erde rühmt.

Im 5. Jahrh. ward M. mit dem ganzen nördl. Italien von Attila (s.d.) verheert, war dann den Gothen unterthan, wurde 538 von Belisar (s.d.) für das griech. Kaiserthum, 570 aber von den Longobarden erobert, deren Herrschaft Karl der Große 774 stürzte und ganz Oberitalien unter dem Namen des lombardischen Reichs mit dem fränk. vereinigte, nach dessen mehrfachen Theilungen und Vererbungen es 880 durch Kaiser Karl den Dicken dem deutschen Reiche unterworfen wurde. Die Stadt M. scheint sich nach allem ausgestandenen Misgeschick immer schnell wieder erholt zu haben, gehörte im Mittelalter zu den mächtigsten Städten der Lombardei, war stets bereit, sich gegen die deutsche Oberherrschaft zu empören und strebte zugleich nach der Herrschaft über ihre Nachbarn. Kaiser Friedrich der Rothbart ließ daher wegen ihrer unaufhörlichen Widersetzlichkeit, nachdem er sie 1162 nach zweijähriger Belagerung erobert, einen Theil der Befestigungen der Stadt zerstören und befahl, daß die Einwohner auswandern sollten; allein sie erhob sich dennoch schnell wieder aus den Trümmern und wurde 1176 sogar eine freie Stadt. Zu Anfang des 14. Jahrh. bemächtigte sich jedoch die Familie Visconti der Gewalt, unterwarf sich nach und nach die blühendsten lombard. Städte, und ein Sprößling derselben erhielt 1395 vom Kaiser Wenzel die Herzogswürde. Nach dem Erlöschen des Mannsstamms der Visconti erwarb Francesco Sforza, der Gemahl einer natürlichen Tochter des letzten Visconti, 1450 das Herzogthum M., welches immer noch deutsches Lehn war, für sich und seine Familie, dessen Besitz ihm jedoch Frankreich wiederholt streitig machte. Nachdem aber 1555 auch der Mannsstamm der Sforza ausgestorben, vergab Kaiser Karl V. das Herzogthum M. an Philipp II. von Spanien, von dem es in Folge des span. Erbfolgekriegs an Östreich abgetreten wurde. Im J. 1796 ward es, durch die Franzosen erobert, in eine cisalpinische Republik verwandelt, dann 1801 zur ital. Republik und 1805 zum Königreich Italien geschlagen, nach dessen Auflösung M. 1814 wieder an Östreich kam und dem neuerrichteten lombardisch-venetianischen Königreiche einverleibt wurde. – Die Stadt Mailand mit 128,600 Einw. ist die Hauptstadt desselben und liegt in einer herrlichen Ebene an der Olona, zwischen dem Tessino und der Adda, mit denen und der Stadt Pavia sie durch drei Kanäle in Verbindung steht. M. hat einen Umfang von zwei deutschen Meilen, ist zwar unregelmäßig gebaut, gehört aber doch zu den prächtigsten und größten ital. Städten, heißt daher mit Recht »das große M.« und ist die Residenz des Vicekönigs, eines Erzbischofs und der Sitz der höchsten Landes- und der mailänder Provinzialbehörden, zahlreicher Bildungsanstalten, darunter auch eines k. k. Instituts der Wissenschaften und Künste, einer Akademie der schönen Künste und einer Musikschule (Conservatorium). Berühmt ist die vom Cardinal F. Borromeo 1609 hier gestiftete Ambrosianische Bibliothek; ein botanischer Garten, eine Sternwarte, eine Gemäldegalerie und andere öffentliche Institute[25] befinden sich bei dem ehemaligen Jesuitencollegium von Brera. Es besteht hier eine Leihbank, jetzt Monte Teresa (vorher Monte Napoleon) genannt, und von den zahlreichen Wohlthätigkeitsanstalten zeichnen sich vorzüglich das große Hospital für 4000 Kranke mit 500 dienenden Personen, das St.-Katharinenhospital nebst Gebär- und Findelhaus für 4000 Kinder aus. Die schönste Straße M.'s, der Corso, ist des Abends der Sammelplatz der eleganten Welt, die hier spazieren fährt, reitet oder geht; von den neun Theatern ist das 1778 erbaute della Scala nach dem S.-Carlo-Theater in Neapel das größte in Italien und faßt in sechs Logenreihen übereinander gegen 7000 Menschen; auch ließ Napoleon auf dem Platze der ehemaligen Citadelle ein Amphitheater nach röm. Art zu Wettrennen für 50,000 Zuschauer erbauen und den Grund zu einem ganz von weißem Marmor zu errichtenden Triumphbogen legen, der nachher von Kaiser Franz I. mit derselben Pracht fortgeführt wurde und jetzt als Friedensbogen (Arco della pace) der Vollendung nahe ist. M. besitzt zahlreiche Paläste und 79 Kirchen, unter denen der umstehend abgebildete, innerlich und äußerlich mit weißem Marmor bekleidete und der h. Maria und h. Thekla geweihte Dom, nach der Peterskirche in Rom die größte Kirche in Italien und eins der berühmtesten Baudenkmale neuerer Zeit ist. Er liegt im Mittelpunkte der Stadt an einem schönen Platze, wurde unter Joh. Galeazzo Visconti 1386 angefangen, ist noch nicht vollendet und wird von den Mailändern das achte Wunder der Welt genannt. Über 4000 Bildsäulen zieren Dach, Vorsprünge, Thürmchen und Ecken des Tempels, der 449 F. lang, 270 F. breit, dessen Kuppel 232 F., dessen höchster durchbrochener Thurm 335 F. hoch ist und der ursprünglich im neugothischen Styl aufgeführt werden sollte, welchen jedoch spätere Baumeister nicht immer festgehalten haben. Napoleon ließ ihn mit großem Aufwande der Vollendung nahe bringen, wozu auch seit 1819 monatlich 12,000 Lire angewiesen sind; unter den Kunstwerken, prächtigen Kapellen und Grabmälern im Innern zeichnet sich das Grabmal des h. Borromäus (s.d.) vorzüglich aus. Von den übrigen Kirchen ist die von S.-Lorenzo wegen sechs antiker Säulen an ihrem Eingange merkwürdig, welche von einem Herculestempel herrühren und die einzigen derartigen Überreste in M. sind; an einer Wand des Refectoriums des ehemaligen Dominikanerklosters befindet sich das leider sehr beschädigte, berühmteste Gemälde von der Einsetzung des h. Abendmahls, von Leonardo da Vinci, von dem eine Abbildung den Artikel Abendmahl (s.d.) begleitet. Auch in Bezug auf Fabriken und Manufacturen, die sich besonders mit Seide, Tuch, Baumwolle, Papiertapeten und Chocolade beschäftigen, sowie als Wechsel- und Handelsplatz gehört M. zu den wichtigsten Städten Italiens.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 24-26.
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