Theater

[399] Theater nennt man mit einem ursprünglich griech. Worte jetzt die Schauspielhäuser und namentlich auch die Bühne, auf welcher dramatische Kunstwerke aufgeführt werden, in übertragener Bedeutung auch die Gesammtheit der dramatischen Werke eines Dichters oder eines Volks. Im Alterthum bezeichnete man mit diesem Worte auch das ganze Schauspielhaus, vorzüglich aber den Theil desselben, auf welchem sich die Zuschauer befanden, niemals dagegen die Schaubühne. Da die dramatischen Darstellungen der Alten nicht blos, wie dieses gegenwärtig der Fall ist, auf Unterhaltung und Zeitvertreib berechnet waren, sondern stets eine höhere Bedeutung hatten, als eine Art Gottesdienst betrachtet, auch dem Gotte Bacchus geheiligt waren, so waren die Theater, wie die Tempel, öffentliche Gebäude, auf deren Ausführung man eine ganz besondere künstlerische Sorgfalt verwendete. Die ersten theatralischen Aufführungen entstanden aus den dithyrambischen Chören der Bacchusfeste, indem zuerst Thespis, ein aus einem Flecken in der Nähe von Attika gebürtiger Zeitgenosse des Solon, einen Zwischensprecher bei diesen Chören einführte, welcher gewöhnlich einen Mythus erzählte, während der Chor schwieg. Seine Bühne war ein Wagen, und daher rührt die gebräuchliche Redensart: der Karren des Thespis. Weil er für seine Mühwaltung einen Bock (griech. Tragos) zum Geschenk erhielt, so nannte man seine Vorstellungen Tragödien, mit welchem Worte man gegenwärtig die großartigsten dramatischen Dichtwerke bezeichnet. In der Folge wurden aus einem Sprecher zwei und mehre und der Mythus wurde nicht blos erzählt, sondern als Begebenheit dargestellt. Auf diese Weise bildete sich die griech. Tragödie aus, welche als Merkmal ihres Ursprungs noch bis in die letzten Zeiten derselben die Chorgesänge beibehielt, die sich indeß auch den dargestellten Begebenheiten immer mehr anschlossen, sodaß sie die Theilnahme aussprachen, welche die von dem Chor vorgestellten Personen an dem Gange der Begebenheit nahmen, doch stets mit dem Hinblicke auf das Göttliche und häufig noch zum Lobgesang auf die Götter werdend. Susarion, welcher um 562 v. Chr. satirische Stücke darstellte, bediente sich schon eines Bretgerüstes zu seinen Vorstellungen, aus welchem die Griechen nach und nach jene Meisterwerke der Baukunst schufen, welche wir noch bewundern, und in denen sie an Pracht und Umfang von den Römern noch übertroffen wurden. Das älteste uns bekannte Theater, das noch in Überresten erhalten ist, ist das zu Adria, einer Colonie der Etrusker. Überhaupt hatten die griech. Colonien in Etrurien, Unteritalien und auf Sicilien eher steinerne Theater als Griechenland selbst. In Athen wurde unter Themistokles das erste steinerne Theater in Griechenland erbaut, nachdem ein älteres hölzernes eingestürzt war. In Rom wurde das erste steinerne Theater erst auf Befehl des Pompejus aufgeführt. Dasselbe wurde erst unter Caligula vollendet und faßte 40,000 Menschen. Marcus Ämilius Scaurus baute zur Zeit des Cäsar ein prachtvolles Theater, das 80100 Menschen fassen konnte. Die Bühne war mit 360 dreifach übereinander stehenden Säulen geschmückt; die unterste Reihe war 38 F. hoch und von Marmor, dabei mit 3000 Statuen geziert; die zweite Reihe war von Glas, die dritte von vergoldetem Holze. Später bekleidete man die Bühne der großen Theater mit Marmor und faßte sie mit marmornen Säulen ein, und Nero ließ sie sogar mit Gold überziehen. Die Form der frühern Theater, d.h. des Platzes für die Zuschauer, war in der Regel die eines Halbcirkels und die Amphitheater waren elliptisch. Anfänglich kannte man nur offene Theater, und die Römer legten hinter der Bühne einen bedeckten Säulengang an, welcher den Zuschauern bei schlechtem Wetter zum Zufluchtsorte diente. Nachher bedeckte man die Theater zeltartig mit Tüchern, womit man einen großen Luxus trieb. Um Kühlung zu verbreiten, benetzte man die Gänge und Sitze mit wohlriechendem Wasser, mit Wein gemischt, ja man brachte Druckwerke an, welche von oben das ganze Theater mit einem seinen Regen dieses wohlriechenden Wassers überschütteten. Damit man die Sitze für die Zuschauer bequem einrichten konnte, sodaß die hintern über die vordern sich erhoben, wählte man gern den Abhang eines Hügels zur Aufführung eines Theaters. Die Enden des Halbcirkels, welcher das eigentliche Theater bildete, waren durch ein Quergebäude verbunden, welches die Scene, den Platz der Schauspieler, enthielt, und der Raum von der Scene bis zu den Sitzen der Zuschauer hieß das Orchester (s.d.). Zur Erleichterung der Darstellung der Handlung bedienten sich die Alten verschiedener Maschinen. Zu diesen gehörte die eigentlich sogenannte Maschine am linken Eingange über der Scene. Sie diente dazu, die in der Luft schwebenden Götter und Helden in Tragödien zum Vorschein zu bringen. Das Theologion, welches sich über der Scene befand und zur Darstellung der Götter im Olymp benutzt wurde; der Krahn, welcher dazu diente, Personen schnell von der Bühne zu entrücken; das Hängezeug, an welches die in der Luft schwebenden Götter und Heroen befestigt waren; die Hebemaschinen, um Personen von unten aufsteigen zu lassen u.a. Man sieht, daß das obere Theater der Alten auch in Bezug auf die Bühne nicht [399] minder reich ausgestattet war, wie unser Theater. Nur die Veränderung der Coulissen fehlte gänzlich. – Die modernen Theater unterscheiden sich von den alten zunächst dadurch, daß sie vollkommen bedeckt sind, während die alten offen waren, daß daher auch in den neuern bei Lampenlicht die Vorstellungen gegeben werden, während die theatralischen Vorstellungen der Alten stets bei Tage stattfanden. Das Innere der modernen Theater besteht aus einem geräumigen, mit Sitzen und Logen versehenen Saale, welcher die Zuschauer aufnimmt, und aus einer etwas erhöhten Bühne oder Scene. Die Form des Raums für die Zuschauer ist sehr verschieden, halbkreisförmig, oval, hufeisenförmig, glockenförmig, wol auch viereckig. Vor der Bühne ist noch ein Raum zum Orchester abgegrenzt, auf welchem die Musiker Platz finden. Hinter dem Orchester ist das Parket mit numerirten Plätzen und auf dieses folgt das Parterre, welches den noch übrigen Raum des Saals für die Zuschauer einnimmt, so weit dieser nicht von den Parterrelogen, welche rings herumgehen, besetzt ist. Damit die Zuschauer überall die Bühne zu übersehen vermögen, steigt der Fußboden von der Bühne bis zu dem äußersten Ende des Parterres allmälig in die Höhe. Über den Parterrelogen stehen noch mehre Reihen Logen, welche als erster, zweiter u.s.w. Rang bezeichnet werden. Zuweilen sind an diesen Logen nach Balcons oder Galerien angebracht mit numerirten Plätzen wie im Parket. So große Theater, wie man im Alterthume hatte, kennt man jetzt gar nicht mehr, die größten Theater fassen etwas über 3000 Personen. Die Bühne wird, sobald nicht gespielt wird, von dem Raume für die Zuschauer durch den Vorhang getrennt, welcher sie dem Anblicke der Zuschauer ganz entzieht. Bei Anfang der Darstellung wird er aufgezogen. Der vorderste Theil der Bühne heißt die Vorbühne, das Proscenium. In der Mitte derselben steht der Soufleurkasten. Um der Bühne selbst das Ansehen eines Zimmers, Saals, eines Waldes, einer Stadt, oder was sonst das darzustellende Stück erfodert, zu geben, bedient man sich gemalter Hinterwände und gemalter Coulissen. Diese sind so eingerichtet, daß sie schnell hinweggenommen und ebenso schnell wieder herbeigebracht werden können. Den Luftraum oder die Decken der Zimmer bilden die Suffiten. Um Personen von unten aus dem Boden aufsteigen oder in denselben versinken zu lassen, bedient man sich der Versenkungen, und um Erscheinungen von oben auftreten zu lassen, der Flugwerke. Die Beleuchtung der Bühne geschieht durch Lampen, die an der Vorderseite der Bühne und an den Gestellen hinter den Coulissen angebracht sind. Es sind Vorrichtungen angebracht, um dieselben nach Bedürfniß zu verdunkeln. Die ausgezeichnetsten Theater sind in Deutschland: in München, in Berlin, in Wien (das Theater an der Wien), in Karlsruhe und in Darmstadt; in Frankreich: in Paris (das Théâtre français), in Bordeaux; in Italien: in Neapel (das Theater San Carlo), in Mailand (die Scala), in Turin. Sehr schön ist auch das Alexandertheater in Petersburg, welches bis auf das Podium (den Fußboden der Bühne) und den Maschinenboden (über der Bühne), welche von Holz sind, ganz aus Stein und Eisen besteht. – Das Wort Theater braucht man auch im Allgemeinen als gleichbedeutend mit Schauplatz.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 399-400.
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