Provinz

[654] Provinz, 1) (röm. Ant.), ein dem Römischen Reich unterworfenes Land, welches von einem aus Rom jährlich dahin gesandten Statthalter verwaltet wurde. Wenn ein Land zu einer P. gemacht war, so sendete der Senat aus Rom 10 Legaten dahin, welche mit dem siegreichen Feldherrn die Verfassung der P. (Lex provinciae) feststellten, wobei möglichst auf die Eigenthümlichkeiten u. die bisherige Verfassung des Landes Rücksicht genommen wurde. Anfangs, bis 149 v. Chr., wurden die römischen Provinzen von ausdrücklich dazu erwählten Prätoren, in der Folge von gewesenen Consuln u. Prätoren als Proconsuln u. Proprätoren (s. b.) verwaltet, daher unterschied man Provincia consularis u. P. praetoria, in letzter war in der Regel keine Militärmacht. Früher ertheilte das Volk die P-en; kraft der Sempronia lex aber losten die Consuln u. Prätoren um die 2 Provinciae consulares u. 6 P. praetoriae, seltner bestimmte sie der Senat. Den Statthalter begleitete außer den Legaten noch ein Quästor, welcher von Rom aus die für die P. nöthigen Gelder erhielt u. die Abgaben in der P. einnahm; dazu gehörte nicht die Vectigalia (s.d.), welche von den Censoren in Rom an besondere Publicani (s.d.) verpachtet wurden; sodann die Cohors praetoria (s.d.); die Zahl der Lictoren war 12 für den Proconsul, 6 für den Proprätor. Wenn der Statthalter in der P. angekommen war, begann er sogleich seine Regierung, u. sein Vorgänger mußte längstens innerhalb 30 Tagen die P. verlassen. Die Geschäfte des Statthalters betrafen die Verwaltung der Jurisdiction u. der sonstigen Angelegenheiten der P., u. wenn Truppen dawaren, das Commando derselben. Was das Justizwesen anlangte, so richtete sich der Statthalter bei seinen Entscheidungen nach dem bei seinem Amtsantritt bekannt gemachten Edictum provinciale, doch konnten die in der P. anwesenden od. wohnenden römischen Bürger ihr Recht in Rom verlangen. Von Zeit zu Zeit reiste der Statthalter in der P. umher, um Gerichtstage (Conventus) in größern Städten zu halten, wohin er die Einwohner der Umgegend lud; wohin der Statthalter nicht selbst kommen konnte od. wollte, dahin schickte er einen Legaten, von dessen Entscheidung jedoch Appellation an den Statthalter vergönnt war; wegen der Entscheidungen des Statthalters konnte nicht appellirt werden. Zu den Gerichtsverhandlungen hatten auch die Vornehmern in der P. (gewöhnlich 20) als Assessores honorarii (Consiliarii, Recuperatores), die Magistratur bildend, Zutritt. Wenn es die Umstände nöthig machten, so konnte der Statthalter unter den in der P. lebenden römischen Bürgern eine Conscription veranstalten u. Hülfstruppen der Provincialen befehlen. Die Leistungen der Provincialen an die Statthalter waren durch die Lex Julia de provinciis vom I. 63 v. Chr. festgesetzt u. bestanden eigentlich, da sie alles von Rom aus erhielten, blos in Lieferung der Fourage für das Zugvieh u. den Bedürfnissen für die Reise durch die P., doch wurden die Provincialen oft mißbräuchlich noch sehr in Anspruch genommen, bes. durch Getreidelieferungen u. freiwillige Geschenke, namentlich bei der Verwaltung der Justiz, u. Erpressungen waren nichts ungewöhnliches. Die gewöhnliche Frist der Statthalterei war ein Jahr, aus strategischen Rücksichten wurde sie zuweilen verlängert (vgl. Cäsar). Nach seiner Rückkehr nach Rom konnte der Statthalter zur Rechenschaft gezogen werden wegen Repetundae, Peculatus u. beleidigter Majestät des Staats, z.B. Verrath der Armee an den Feind, Bekriegung eines Landes außerhalb seiner P. ohne Erlaubniß des römischen Volks. Seit Augustus waren die Provinzen zwischen dem Kaiser u. dem Senat getheilt; die kaiserlichen P-en (Provinciae imperatoriae, P. Caesaris, P. propraetoriae) waren die, wo es zur Aufrechterhaltung der Ruhe noch eines Heeres bedurfte (daher auch kriegerische P-en genannt); hier waren die vom Kaiser eingesetzten Statthalter Legaten mit proprätorischer Gewalt; die senatorischen Provinzen (P. proconsulares, auch friedliche Provinzen genannt) erhielten ihre Statthalter von Senat u. Volk durchs Loos aus Männern, welche wenigstens fünf Jahr vorher eine Magistratur bekleidet hatten, sie hießen Proconsuln, u. hatte kein Truppencommando. Die senatorischen Provinzen waren: Africa propria, Numidien, Kyrene, Asien (d.h. die Länder längs der Propontis u. dem Ägäischen Meere, Phrygien, Mysien, Lydien, Karien), Bithynien, Pontos, Griechenland, Epiros, Dalmatien, Macedonien, Sicilien, Sardinien, Kreta, Hispania baetica; die Kaiserprovinzen: Hispania tarraconnensis. Lusitanien, Gallien, Kölesyrien, Phönicien, Cilicien, Cypern u. Ägypten, in der Folge noch andre. Durch Einrichtung eines Gehaltes für die Statthalter u. durch die Festsetzung schwerer Strafen auf Erpreßungen erleichterten die Kaiser die gedrückte Lage der Provinzen wesentlich; unter den spätern Kaisern gab es blos kaiserliche P-en. 2) In neuerer Zeit größere Abtheilungen eines Staates, welchen ein Gouverneur (Statthalter) od. Oberpräsident vorsteht, unter dem dann eine od. mehre Regierungen (Gubernien) das Land verwalten, od. 3) das übrige Gebiet eines Staats im Gegensatz der Hauptstadt; 4) gewisse Abtheilungen der Mitglieder eines Ordens od. einer geheimen Gesellschaft, z.B. der Jesuiten u. Illuminaten (s. b.).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 654.
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