Sinto

[134] Sinto (Sin, Sinsja, d.i. Weg [Verehrung] der einheimischen Götter, od. Kami-Mits, einheimischer Götterglaube), die ursprünglich in Japan herrschende Religion. Ihre Bekenner hießen Sinsju. Zwar ist in derselben auch die Rede von einem unendlichen Urwesen in dem unendlichen Himmel u. anderen hohen Göttern in dem sichtbaren Firmament des Himmels, aber da diese sich um die niedere Erde nicht bekümmerten, so wurden sie nicht verehrt; nur geschworen wird bei ihnen Dagegen wurden die Gottheiten, welche der Regierung der Welt u. der einzelnen Geschöpfe vorstehen, desto eifriger angebetet; so: Jehisu, der Gott des Meeres, der Fischer u. Seeleute; Kurokusi u. Fottei, Götter des Glücks, des Reichthums u. der Gesundheit; Fatzmann, der Gott des Krieges; Giwa, Gott des Handels u.a. Glaubenslehren: Im Anfange der Dinge trieb ein Chaos (Konton) umher, aus diesem entstanden durch den Geist Ki (d.h. Kraft) die Ten Dsin Sitzi Dai, d.h. der himmlischen Geister sieben Geschlechter von geistiger Natur; dann Dsi sin go Dai, der irdischen Götter fünf Geschlechter, welche vollkommene Substantialität hatten. Der erstere der letzteren war Ten Sso Dai Sin, der Schöpfer Japans; die folgenden Geister kamen durch Emanation aus dem vorhergehenden, aber stufenweise an reiner Geistigkeit abnehmend, hervor, s. Japan (Gesch.). Alle zusammen regierten 2,332,467 Jahre. Auch die von ihnen beherrschten Menschen waren noch halbgöttlicher Natur, bis Awa se Dsuno Mikotto die jetzigen Menschen u. ihre Beherrscher schuf. Diese letzteren heißen Oo Dai, d.i. die großen Geschlechter, u. führen den Titel Mikaddo (Kaiser). Jeder Mikaddo ist also ein Gott, u. jährlich besuchen ihn die unsichtbaren Götter; ja er hat das Recht Andere zu Göttern zu erheben, wenn sie sich durch Wunderthaten dieser Ehre würdig machen. Er erbaut ihnen einen Mia (Tempel), u. bald verbreitet sich dann ihre Verehrung durch das ganze Reich. Wenn der Kaiser sehr beliebt ist, werden ihm noch bei Lebzeiten Mias erbaut. Die Regierung dieser geistlichen Erbkaiser begann mit 660 v. Chr. u. hat bis jetzt ohne Unterbrechung gedauert. Da es keine heiligen Bücher, keine Traditionen über die Weltregierung durch die Götter od. den Zustand nach dem Tode gab, so schlich sich mit dem Eindringen fremder Religionen auch so manches Fremde ein, u. daraus entstand eine Spaltung in zwei Secten, die Juritz, welche die alte Glaubens- u. Lebenslehre strenge beibehält, deren Anhänger aber jetzt fast nur noch im Priesterstande zu finden sind; u. die Riobu, welche Vieles aus den neuen Religionen angenommen u. in ein System gebracht hat. Nach ihrer Meinung war es die Seele des Amida, des Gottes der Budsdoreligion, welche in dem Ten Sjo Dai Dsin wohnte. Die Kami (d.h. die öffentlich verehrten Götter) sind die Beherrscher aller Dinge in der unterhimmlischen Welt, der höhere Himmel aber ist den Seelen zugeeignet. Selbst der Dairi mit seinem Hofe u. der weltliche Kaiser bekennen sich zu dieser Secte. Auch gibt es fast keinen Anhänger der S., welcher sich im Sterben nicht der Sorge der Budsdopriester übergäbe. Ein böses Wesen kennen sie nicht, sondern blos böse Geister (Ma), welche in Füchsen hausen sollen. Der Glaube an Seelenwanderung findet bei den Anhängern des S. nicht Statt, doch enthalten sie sich des Tödtens u. des Genusses der vollkommneren Thiere, bes. deren, welche dem Menschen Dienste leisten. Nach dem Tode kommt die Seele des Guten sogleich in den höchsten der 33 Himmel (Takama no Fara); die Seelen der Bösen bleiben davon ausgeschlossen, u. darin besteht ihre Strafe.

Der äußere Cultus beruht auf vier Hauptpunkten: a) Reinigkeit des Herzens, besteht darin, das zu thun u. zu lassen, was das Gesetz der Natur u. der Obrigkeit befiehlt u. verbietet; u. äußere Reinheit, d.h. Enthaltung von Blut, von Fleischessen u. von Leichen Wer dagegen sündigt, ist unrein (Pusjo) u. darf eine Zeitlang keine heilige Stätte besuchen; b) Feier der Feste u. Tempeltage, man badet sich u. geht in einem reinen Kleid mit Überkleid zum Tempel, wäscht sich im Vorhof die Hände, geht mit niedergeschlagenen Augen auf die Gallerie vor dem Tempel, betet, wirst ein Almosen in den Kasten, schlägt an eine dort hängende Glocke, geht nach Hause u. vergnügt sich den Nachmittag; c) Besuchung der heiligen Stätte Itsju u. d) Kasteien des Leibes. Die Tempel, Mias, sind niedrige u. mit dürrem Gras bedeckte Häuser; sie bestehen aus dem großen Hauptplatz, wo die Tempeldiener sitzen, u. einer kleinen Kapelle im Hintergrund, wo der Gott seinen Sitz hat. Ein Spiegel in dem Haupttempel ist das Symbol der Allwissenheit des Gottes; um den Tempel stehen mehre Massias, den kleineren Göttern geweihete Kapellen u. Wohnungen zur Aufnahme der Pilgrime u. Wallfahrer. Die Priester heißen Ninxit, der Oberpriester, welcher den Rang nach den Dairi hat, u. Tondas, die Priester des zweiten Ranges, welche der Ninxit wählt; ein religiöser Orden sind die Dschammabos (s.d.). Die Sjannin (Negi, Kannusi) od. Tempeldiener sind nicht Priester, sondern weltliche. verheirathete Personen, welche sich von höherer Abkunft als die Priester halten; sie tragen im Dienste weite weiße od. gelbe Chorröcke[134] über die gewöhnliche Kleidung, den Kopf ungeschoren u. mit einer länglichen, schwarz lackirten Mütze bedeckt. Als Tempeldiener stehen sie unter der Herrschaft des Mikaddo, in bürgerlichen Streitigkeiten gehören sie unter die Dsi Sja Bugio, die vom weltlichen Kaiser bestimmten Tempelrichter. Die Feste heißen Reibi (Besuchstage), die Feier derselben heißt Majirn. a) Die kleinen Feste sind die auf den 1., 15. (Vollmond) u. 28. (Neumond) jeden Monats fallenden Complementirtage, man widmet den Morgen dem Gottesdienste, den übrigen Tag Besuchen. b) Die mittleren Feste werden Göttern zu Ehren gefeiert; das merkwürdigste ist das Fest Giwas, es ähnelt den deutschen Kirchweihen; auch gehören dazu die jährlichen zwei allgemeinen Bezahltage u. das Fest Simotsuki-Zugontsi, wo man den fünfjährigen Kindern das Haupthaar wachsen zu lassen beginnt u. den siebenjährigen Knaben den Complimentirmantel anzieht. c) Große Feste (Self) sind: aa) das Neujahr (Soquatz); am ersten Tage des ersten Monats, man kleidet sich möglich prächtig, besucht sich des Morgens gegenseitig u. wünscht sich Glück, wobei eine Schachtel mit mehren Fächern präsentirt wird, auf welche ein Stück getrocknetes Fleisch von der Muschel Awabi, als Zeichen des Wohlstandes u. Glückes geklebt ist. Der Nachmittag wird mit einem Schmause bei den Vornehmsten der Familie zugebracht. Das Becomplimentiren dauert auch die drei nächsten Tage noch fort, das gegenseitige Schmausen aber den ganzen Monat. Manche verrichten auch ihre Andacht in den Tempeln; bb) das Puppenfest od. Pfirsichfest (Sanguatz Sanitz), am dritten Tage des dritten Monats zur Ehre der Göttin Benseiten gefeiert; man feierte es als Frühlingsfest, wo alle Bäume in Blüthe standen, mit Vergnügungen im Freien u. mit einem Gastmahle, damit die Töchter der Familie glücklich gedeihen möchten; cc) das Fest am fünften Tage des fünften Monats; dd) das Sternenfest (Sitsiguatz Vanuka) am siebenten Tage des siebenten Monats; außer den gewöhnlichen Festlichkeiten richten die Schulknaben hohe Bambusröhre auf u. behängen dieselben mit den Proben ihrer in der Schule gemachten Fortschritte; ee) Das Lampen- u. Laternenfest- (Bongo), am neunten Tage des neunten Monats, den Todten gewidmet, wo man die Gräber der Gestorbenen besucht u. auf jedem Grabe eine bunte Laterne anbrennt u. in ein Behältniß daneben den Namen des Verstorbenen mit Thee u. Backwerk thut. Die heiligste Wallfahrt ist die nach Sanga u. die nach Itsju, wo die Höhle Amano Watto mit den beiden vornehmsten Tempeln des Ten Sjo Dai Sin stehen. Zu einer solchen Wallfahrt ist jeder Japaner verbunden u. erhält dadurch Reinigung von seinen Sünden, die Seligkeit nach dem Tode u. mancherlei leibliche Vortheile. Meist wird sie in den Monaten März, April u. Mai angestellt, von Fürsten gemeiniglich durch Stellvertreter, von Reichen mit allen Bequemlichkeiten, von Armen zu Fuß. Nach geschehenem Aufbruche des Wallfahrers ziehen die Seinigen ein Strohseil mit weißen Papierschnitzeln über die Hausthür, damit kein Unreiner hineintrete u. dadurch über den Pilger Unglück bringe. Dieser selbst muß unterwegs die größte Enthaltsamkeit beobachten. Nach der Ankunft in Itsju begeben sie sich in die beiden Haupttempel, dann zu den Massias, wo sie von den Taije bewirthet werden, u. erhalten einen Ablaß (Ofarrai), ein kleines viereckiges Schächtelchen von seinem Tannenholze u. im Inneren mit dünnen Stückchen desselben Holzes, mit Papier umwunden, angefüllt. Diese werden zu Hause sorgfältig aufgehoben. Außerdem gibt es aber noch andere Wallfahrten, an welchen auch die Budsdoisten Theil nehmen. Auch Hochzeiten u. Begräbnisse gehören zu den religiösen Feierlichkeiten.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 134-135.
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