Spectralanalyse

[514] Spectralanalyse, die chemische Untersuchung von Körpern durch prismatische Zerlegung des durch sie gefärbten Lichtes u. Beobachtung des dadurch gebildeten Spectrums. Wollaston beobachtete zuerst 1802, daß das Spectrum des Sonnenlichtes nicht ein continuirlicher Lichtstreifen, sondern durch dunkle Linien senkrecht zu seiner Länge unterbrochen sei Die erste genaue Untersuchung u. Beschreibung dieser dunklen Linien lieferte Fraunhofer 1815, nach welchem dieselben Fraunhofersche Linien genannt worden sind. Derselbe fand, daß die relative Lage dieser Linien unabhängig sei von der Natur des Prismas u. der Größe des brechenden Winkels, u. daß unter Anwendung derselben Lichtquelle dieselben Linien zum Vorschein kommen; daher bediente er sich ihrer zur Bezeichnung gewisser Stellen im Farbenbilde u. zur Bestimmung der Brechbarkeit der verschieden gefärbten Strahlen in verschiedenen Mitteln; er benannte die stärksten u. auffallendsten Linien mit Buchstaben, so die Linien A, a, B u. C im Roth, D) an der Grenze zwischen orange u. gelb, E u. b im Grün, F im Blau, G an der Grenze zwischen Indigo u. Violett, H im Violett. Einige dieser Linien sind sehr sein, entweder isolirt od. in Gruppen neben einander gestellt, so daß sie bei weniger scharfer Analyse als ein zarter Schatten erscheinen. Im Spectrum des Mondes u. der Venus fand Fraunhofer dieselben Linien wie im Sonnenspectrum, in welchem er mehr als 600 genau bestimmte; andere Linien zeigten sich im Spectrum des Sirius, andere in dem des Castor. Unter den Linien des Prokyonspectrums erkannte Fraunhofer die Linie D u. im Spectrum der Capella die Linien D u. b des Sonnenspectrums wieder. Im Lichte gewöhnlicher Lampen u. Kerzen konnte er solche Linien nicht erkennen, dagegen erschien an der Stelle der Linie D auf der Grenze von Orange u. Gelb ein heller röthlichgelber Streifen, welcher, wie die dunkle Linie D im Sonnenspectrum, aus zwei sehr seinen hellen Linien besteht. Dieser helle Streifen im Spectrum des Lampenlichts verdankt seine Entstehung, wie erst später erkannt wurde, dem in der Flamme enthaltenen Natron u. ist noch bei der geringsten Menge Natron in einer Flamme mit Leichtigkeit im Spectrum derselben zu erkennen. Andere Metalle od. deren Verbindungen geben andere helle Linien. Die dunklen Linien im Spectrum des Lichts der Sonne, der Planeten u. der Fixsterne bezeichnet man als Kosmische Linien. In Bezug auf diese machte Becquerel 1842 die Entdeckung, daß die inactiven Streifen im sichtbaren Theile des Sonnenspectrums genau den Fraunhoferschen Linien entsprechen; Draper u. Stokes bestätigten dies, Letzter auch für die unsichtbaren Strahlen, indem er die Linien des ultravioletten Theils vom Spectrum durch fluorescirende Mittel dem Auge sichtbar machte. Von den Kosmischen Linien verschieden sind die schwarzen Linien im Spectrum, welche durch Absorption entstehen, die Absorptionslinien. Brewster fand 1832, daß die Sonnenstrahlen beim Durchgang durch salpetrigsaures Gas zum Theil absorbirt würden, wodurch im Spectrum dunkle Streifen entstehen; er beobachtete Linien u. Bänder im Roth u. Grün des Spectrums, welche außerdem nur dann sichtbar sind, wenn die Sonne nahe am Horizont steht, u. welche daher dem Absorptionsvermögen der Atmosphäre zuzuschreiben sind. In gleicher Weise beobachtete man später während eines Gewitters im Spectrum des zerstreuten Tageslichts plötzlich eine Anzahl Linien, deren Deutlichkeit mit der Heftigkeit des Gewitters ab- u. zunahmen u. verschwanden, als der Regen aufhörte. Diese Erscheinungen zeigen deutlich, daß wenigstens ein Theil der dunklen Fraunhoferschen Linien in der Absorption der atmosphärischen Luft beruhen (Atmosphärische Linien). Außer salpetriger Säure u. atmosphärischer Luft geben auch andere Gase Veranlassung zu Absorptionslinien, doch läßt, wie Miller fand, die Farbe derselben keinen Schluß daraus ziehen, ob u. wo die Absorptionslinien entstehen. Einfache u. zusammengesetzte Körper geben Linien; auch kommt der Fall vor, daß zwei Elemente keine Linien bilden, während ihre Verbindung dies thut; so machen Sauerstoff, Chlor u. Stickstoff für sich keine Linien, wohl aber Oxyde von Chlor u. Stickstoff; umgekehrt gibt Joddampf Linien, Jodwasserstoffsäure nicht. Das Spectrum des elektrischen Funkens wurde zuerst von Wollaston, dann von Fraunhofer untersucht, Beide fanden es verschieden vom Spectrum des Sonnen- u. des Kerzenlichts. Wheatstone entdeckte 1835, daß der elektrische Funken, von Quecksilber abspringend, sieben bestimmte Strahlen hat, u. zwar zwei orangefarbene, einen glänzend grünen, zwei bläulichgrüne, einen prächtig purpurrothen u. einen violetten; daß die Linien wesentlich andere sind, wenn statt des Quecksilbers geschmolzenes Zink, Kadmium, Zinn, Wismuth u. Blei angewandt werden, so daß es möglich sei, auf diese Weise die genannten Metalle von einander zu unterscheiden. Dabei ist es gleichgültig, ob der Funke im luftleeren Raume, in Sauerstoff, Kohlensäure od. in atmosphärischer Luft überspringt. Die Linien rühren also nicht von der Verbrennung des Metalls her, wie denn auch Wheatstone gezeigt hat, daß das Licht bei der Verbrennung dieser Metalle in Sauerstoffgas ein andres Spectrum liefert. Bestehen die beiden Conductoren aus verschiedenen Metallen, so sieht man die Spectra beider Metalle. Masson erhielt (1851 u. 55) aus dem Lichte bei der Entladung der Leydener Flasche unter Anwendung verschiedener Metalle als Conductoren, sowie beim Glühen dieser Metalle im galvanischen Strom, complicirtere Spectra als die von Wheatstone beobachteten, weil bei der hohen Temperatur die glühende Atmosphäre ein Spectrum neben dem des glühenden Metalls erzeugt. Angström stellte die den einzelnen Metallen speciell zukommenden Linien unter Berücksichtigung der Absorptionslinien fest. Eine für die S. höchst wichtige Thatsache entdeckte Foucault 1849. Derselbe zeigte nämlich, daß, wenn der elektrische Flammenbogen in ein Strahlenbündel gebracht wird, die der Linie D entsprechenden Strahlen absorbirt werden, so daß die Linie D im Sonnenspectrum wesentlich dunkler wird, wenn beide Spectra aufeinander fallen; liegen dagegen die beiden Spectra nur theilweis über einander, so erscheint die Linie D im Spectrum des galvanischen Bogens glänzend hell; man kann sich auf diese Weise leicht von der Coïncidenz beider Linien überzeugen. Wirst man das reflectirte Licht der Kohlenspitzen, welche selbst keine Linien erzeugen, auf den Flammenbogen, so erscheint im Spectrum die Linie D ebenso wie bei Anwendung von Sonnenlicht.[514] Die Coïncidenz der Natriumlinie (D) mit der dunklen Linie D im Sonnenspectrum läßt sich auf directem Wege nachweisen. Ein durch den galvanischen Strom glühend gemachter, vollkommen reiner Platindraht erzengt ein gleichförmig verlaufendes Spectrum ohne dunkle Linien; läßt man aber das Licht des glühenden Drahtes, bevor es auf das Prisma fällt, durch eine natronhaltige Alkoholflamme gehen, so erscheint an der Stelle D des Spectrums die dunkle Linie, welche in jeder Beziehung mit der Linie D des Sonnenspectrums übereinstimmt, auch wie diese aus zwei dicht neben einander liegenden Linien besteht. Wendet man statt des glühenden Platindrahtes das Drummondsche Kalklicht an, so zeigt sich dieselbe Erscheinung. Sieht man das Sonnenlicht durch eine natronhaltige Alkoholflamme gehen, bevor es zur Brechung gelangt, so erscheinen die beiden dunklen Linien D in viel größerer Deutlichkeit als bei directer Analyse des Sonnenlichts.

Diese Erscheinungen, für welche man bis in die neueste Zeit keine Erklärung gefunden hatte, sind der Gegenstand eingehender Untersuchungen Kirchhoffs geworden. Derselbe erklärte sie durch die Annahme, daß eine Natriumflamme (eine Flamme, welche den Dampf von Natrium od. einer Natriumverbindung enthält) eine Absorption auf die Strahlen von der Brechbarkeit derer ausübt, welche sie selbst aussendet, für alle andern aber ganz durchsichtig ist; u. zwar ist die Absorption um so leichter wahrnehmbar, je geringer die Leuchtkraft der Flamme, je niedriger also ihre Temperatur ist. Dieser Einfluß der Temperatur kann nach Crookes durch folgenden einfachen Versuch gezeigt werden. Verbrennt man in einem Zimmer eine kleine Menge Natrium, so brennt die Flamme in Folge der der Luft beigemengten seinen Theilchen van Natriumverbindungen mit gelbem Licht; stellt dann eine kleinere Flamme vor eine größere, so daß man die letztere hinter der ersteren sieht, so erscheint die kleine Flamme wie mit einem schwarzen Rauch gesäumt; dieser Saum rührt von Natrontheilchen her, welche kälter sind als die in der Flamme befindlichen. Wenn man Natrium in einer mit Wasserstoff gefüllten u. zugeschmolzenen Röhre bis zum schwachen Glühen erhitzt, so erscheint der Natriumrauch, wenn er von einer Kochsalzflamme beleuchtet wird, als schwarzer Rauch, welcher einen kräftigen Schatten wirst; er ist dagegen ganz unsichtbar im Lichte einer gewöhnlichen Flamme. In derselben Weise, wie die helle Natriumlinie umgekehrt, d.h. in eine dunkle verwandelt wird, sind durch Kirchhoff u. Bunsen die hellen Linien des Spectrums von Lithium, Kalium, Strontium, Calcium u. Barium umgekehrt worden. Kirchhoff u. Bunsen haben dies dadurch bewerkstelligt, daß sie Gemenge von den chlorsauren Salzen dieser Metalle mit Milchzucker im Sonnenlicht verpufften u. das Licht analysirten. Kirchhoff nimmt nun an, daß jedes glühende Gas ausschließlich die Strahlen von der Brechbarkeit derer, welche es selbst aussendet, durch Absorption schwächt, d.h. daß das Spectrum jedes glühenden Gases umgekehrt werden muß (die hellen Streifen in dunkle verwandelt werden müssen), wenn durch dasselbe Strahlen einer Lichtquelle treten, welche hinreichend hell ist u. an sich ein continuirliches Spectrum gibt. Kirchhoff hat die Richtigkeit dieser Annahme auf mathematischem Wege nachgewiesen u. zwar nicht blos für die Lichtstrahlen, sondern für Wärmestrahlen überhaupt. Unter der Voraussetzung, daß die Körper allein in Folge der Erwärmung Strahlen aussenden u. daß die Strahlen, welche sie absorbiren, ganz in Wärme verwandelt werden, führt der von Kirchhoff entwickelte Satz zu dem Resultat, daß für Strahlen jeder Gattung das Verhältniß zwischen dem Emissionsvermögen u. dem Absorptionsvermögen für alle Körper bei derselben Temperatur dasselbe ist. Es folgt daraus unmittelbar, daß ein glühendes Gas für solche Strahlen vollkommen durchsichtig ist, welche in seinem Spectrum fehlen, u. daß es Strahlen von einer Farbe, welche in seinem Spectrum vorkommt, um so vollkommener absorbirt, je größer die Helligkeit dieser Strahlen in seinem Spectrum ist. Die Spectra gefärbter Flammen wurden zuerst von Brewster 1822 u. fast zu gleicher Zeit von Herschel untersucht; Letzter sprach es auch bereits aus, daß es auf diese Weise möglich sei in manchen Fällen äußerst geringe Spuren von gewissen Substanzen nachzuweisen. Dasselbe bemerkte Fox Talbot u. erklärte, daß Strontian u. Lithion, trotz der Ähnlichkeit ihrer Flammen, leicht u. mit großer Sicherheit durch die S. von einander unterschieden werden können. Eingehende Untersuchungen über die Spectra gefärbter Flammen stellte A. Miller in London 1845 an; er löste die zu untersuchende Substanz in Alkohol auf u. analysirte die Flamme desselben durch ein Prisma; zur Feststellung der Linien benutzte er die Fraunhoferschen Linien des Sonnenspectrums u. veröffentlichte zuerst colorirte spectralanalytische Abbildungen.

Kirchhoff u. Bunsen in Heidelberg haben in der neuesten Zeit die S. zu einer systematischen Methode der chemischen Analyse erhoben; dadurch ist dieselbe erst eigentlich in die Wissenschaft eingeführt worden u. hat bereits eine Bedeutung für die qualitative chemische Analyse gewonnen; die Sicherheit u. Leichtigkeit, mit welcher sich durch Spectralbeobachtung noch die allerkleinsten Mengen gewisser Elemente nachweisen lassen, sichern der S. einen Vorzug vor jeder andern analytischen Methode. Auch für die Auffindung neuer Elemente ist die S. von großer Wichtigkeit. Endlich hat die S. durch die von Kirchhoff aufgestellte Theorie u. die Folgerungen, welche sich daraus für die chemische u. physikalische Beschaffenheit der Sonne ergeben, ein neues erhöhtes Interesse gewonnen. Der Apparat, dessen sich Kirchhof u. Bunsen bei der Untersuchung der gefärbten Flammen bedienten, besteht aus einem innen geschwärzten Kasten, dessen Boden die Form eines Trapezes hat; die beiden schiefen Wände sind unter einem Winkel von etwa 58° gegen einander geneigt u. tragen jede ein mit dem Objectiv in den Kasten hineinragendes Fernrohr. Das Ocular des einen Fernrohrs ist durch eine Messingplatte ersetzt, in. welcher ein durch zwei Messingschneiden gebildeter Spalt sich befindet, dessen Breite durch eine Mikrometerschraube verändert werden kann u. welcher in den Brennpunkt der Objectivlinse gestellt ist. Vor dem Spalt befindet sich eine Bunsensche Gaslampe, in deren Flamme die zu untersuchende Substanz an einen seinen Platindraht gebracht wird. Die beiden Fernrohre sind auf ein in der Mitte des Kastens um eine senkrechte Achse drehbares u. mit Schwefelkohlenstoff gefülltes Hohlprisma mit einem brechenden Winkel von 60° gerichtet. Die Achse des Prismas trägt an ihrem unteren Ende einen Spiegel, gegen welchen ein kleines Fernrohr gerichtet ist,[515] durch welches man das Spiegelbild einer in geringer Entfernung aufgestellten Scala erblickt; durch diese Vorrichtung kann die Größe der Drehung des Prismas genau abgelesen werden. Kirchhoff u. Bunsen haben ihre Untersuchungen zunächst auf die Metalle der Alkalien u. alkalischen Erden ansgedehnt u. gefunden, daß die Verbindungen, in denen sich diese Metalle befinden, sowie die Flammen, in denen dieselben erhitzt werden, ohne Einfluß auf die Lage der den einzelnen Metallen zukommenden Spectrallinien sind; es wurden die Spectra der chemisch reinen Chlormetalle verglichen mit denen der Bromide, Jodide, Oxydhydrate, der schwefelsauren u. kohlensauren Salze in verschiedenen Flammen, als der von Schwefel, Schwefelkohlenstoff, Weingeist, Leuchtgas, Kohlenoxydgas, Wasserstoffgas u. Knallgas u. stets dieselben Spectrallinien beobachtet. Dieselbe Metallverbindung gibt aber in einer dieser Flammen ein um so intensiveres Spectrum, je höher die Temperatur derselben ist; unter den Verbindungen desselben Metalls gibt die flüchtigste die größte Intensität. Natrium u. seine Verbindungen geben die empfindlichste Reaction; das Spectrum ist eine einzige helle gelbe Linie, welche mit der Fraunhoferschen Linie D zusammenfällt; nur bei sehr hoher Temperatur der Flamme zeigen sich in der nächsten Umgebung dieser Linie Spuren eines continuirlichen Spectrums. Die Natronreaction tritt noch bei Gegenwart der allerkleinsten Mengen einer Natriumverbindung hervor; Kirchhoff u. Bunsen verpufften im Zimmer 3 Milligramm chlorsaures Natron mit Milchzucker, während sie gleichzeitig eine nickt leuchtende Flamme durch den Apparat beobachteten; nach wenigen Minuten färbte sich die Flamme gelblich u. gab eine helle Natriumlinie im Spectrum; sie berechnen daraus, daß man mit Hülfe der Spectralbeobachtung im Stande sei noch ein Dreimillionstel Milligramm eines Natronsalzes mit der größten Deutlichkeit zu erkennen. Daher ist es erklärlich, daß glühende atmosphärische Luft, sowie Gegenstände, welche einige Zeit der Luft ausgesetzt waren, beim Erhitzen in einer Flamme fast immer eine deutliche Natronreaction geben. Ein vollkommen reiner Platindraht zeigt die Natronreae ion deutlich wieder, wenn man ihn einige Stunden an der Luft liegen läßt. Das Abklopfen eines bestäubten Gegenstandes in mehren Schritten Entfernung von einer Flamme genügt, um bald das heftige Aufblitzen der Natronlinie im Spectrum hervorzurufen. Kallum u. seine flüchtigen Verbindungen liefern ein sehr ausgedehntes continuirliches Speetrum, welches durch zwei Linien charakterisirt ist, die eine mit der Fraunhoferschen Linie A im Roth zusammenfallend, die andere im violetten Ende des Spectrums fast bei H; eine dritte Linie im Roth, mit der Linie B zusammenfallend, zeigt sich nur bei sehr intensiven Flammen. Die Reaction des Kaliums ist weniger empfindlich als die des Natriums, doch läßt sich ein Tausendel Milligramm Kali noch deutlich erkennen; Natronsalze verhindern die Reaction nicht, die Empfindlichkeit wird nur wenig geschwächt. Flüchtige Lithiumverbindungen geben im Spectrum eine gelbe sehr schwache u. eine rothe glänzende Linie; die Reaction ist fast so empfindlich wie die des Natriums; lithionhaltige Mineralien brauchen nur in die Flamme gehalten zu werden, um sogleich die rothe Linie in großem Glanze erscheinen zu lassen. Kirchhoff u. Bunsen haben gefunden, daß das Lithium zu den allerverbreitetsten Elementen gehört; sie haben es in vielen Mineralen, im Meerwasser, in der Asche von Seepflanzen, in vielen Brunnenwässern u. in der Seolmutterlange nachgewiesen, welche letztere zuweilen so reich an Lithion sind, daß ein Tropfen der Flüssigkeit in die Flamme gebracht, hinreicht die rothe Linie hervorzurufen. Calcium gibt im Spectrum zwei sehr charakteristische u. intensive Linien, die eine im Grün, ungefähr in der Mitte zwischen D u. E, die andere im Orange, ungefähr in der Mitte zwischen C u. D, außerdem eine deutliche blaue, einige undeutliche gelbe u. eine ebensolche rothe Linie. Außer den flüchtigen Calciumverbindungen gibt schwefelsaurer Kalk die Reaction, jedoch erst wenn er beginnt basisch zu werden, ebenso kohlensaurer Kalk, wenn die Kohlensäure entwichen ist. Kallsalze mit feuerbeständiger Säure zeigen die Reaction, wenn sie erhitzt u. mit Salzsäure befeuchtet worden sind. Strontium hat in seinem Spectrum acht charakteristische Linien, nämlich sechs rothe, eine orange, dicht neben D nach dem rothen Ende des Spectrums zu, u. eine blaue, fast in der Mitte zwischen F u. G, dagegen keine grüne; nicht flüchtige Strontianverbindungen zeigen die Reaction nicht od. nur schwach, Salze mit feuerbeständiger Säure werden mit kohlensaurem Natron ausgeschlossen, die aufgeschmolzene Masse mit Wasser ausgezogen u. mit Salzsäure befeuchtet. Barium hat ein ziemlich complicirtes Spectrum, charakteristisch sind zwei hellegrüne Linien nahe den Fraunhoferschen Linien b u. E; schwefelsaurer u. kohlensaurer Baryt geben die Reaction deutlich, Barytsalze mit feuerbeständiger Säure nach Befeuchten mit Salzsäure od. Aufschließen mit kohlensaurem Natron. Mit Hülfe der Spectralbeobachtungen ist es Bunsen gelungen zweinene Elemente zu entdecken, welche dem Kalium in vieler Beziehung sehr ähnlich sind, zwar nur in geringen Mengen, aber doch ziemlich verbreitet in der Natur vorkommen: die zwei Alkalimetalle Cäsium u. Rubidium, beide sind einander sehr ähnlich, finden sich fast stets neben einander u. in Begleitung der übrigen Alkalimetalle. Cäsium (von caesius, himmelblau) hat im Spectrum zwei schöne blaue Linien; es findet sich am reichlichsten im Kreuzmacher u. Dürkheimer Mineralwasser (10 Kilogramme des letzteren liefern nicht ganz 2 Milligramm Chlorcäsium), ferner in der Quelle Ungemach in Baden-Baden, im Carnallit, in geringen Mengen in vielen anderen Wässern u. Mineralien, in manchen Aschen etc. Das Atomgewicht des Cäsiums ist 123,38 (H = 1); das Cäsium ist der positivste aller einfachen Körper. Rubidium (von rubidius, dunkelroth) zeigt im Spectrum zwei dunkelrothe Linien jenseit der Fraunhoferschen Linie A; außerdem zwei Linien im Violett. Bunsen fand es in großer Menge in den Lepidolithen, Spuren davon in fast allen Soolquellen u. vielen Brunnenwässern; auch im Carnallit. Sein Atomgewicht ist 85, es (H = 1). Die Oxyde u. Salze der beiden neuen Metalle verhalten sich ganz ähnlich dem Kali u. Kalisalzen, ihre Chlorplatinverbindung ist etwas schwerer löslich als die Kaliumverbindung, auf diese Weise lassen sie sich vom Kalium trennen. Außer diesen beiden Metallen ist in der neuesten Zeit noch eins mit Hülfe der Spectralbeobachtungen entdeckt worden, das Thallium (s.d.). Was die übrigen Elemente anlangt, so sind ihre Spectra noch nicht vollständig untersucht, dieselben sind zum Theil sehr complicirt.[516]

Von ganz besonderem Interesse sind die spectralanalytischen Untersuchungen Kirchhoffs über die chemische Beschaffenheit der Sonnenatmosphäre u. die damit verbundene Erklärung der Fraunhoferschen Linien. Die von ihm beobachteten Coïcidenzen dunkler Fraunhoferscher Linien mit den hellen Linien der Spectra gewisser Elemente (die Coïncidenz der beiden dunklen Linien D mit den Natriumlinien hatte schon Fraunhofer, andere Brewster entdeckt) führten zu der Annahme, daß die Sonne von einer leuchtenden Atmosphäre umgeben sei, in welcher gewisse Substanzen dampfförmig enthalten seien; der Kern der Sonne sei ein fester od. tropfbar flüssiger glühender Körper u. sende daher Strahlen von aller Brechbarkeit aus; durchdringen nun diese Strahlen die Sonnenatmosphäre, deren Temperatur etwas niedriger sein muß als die des Kerns, so werden die von der Sonnenatmosphäre ausgehenden Strahlen absorbirt u. geben Veranlassung zur Entstehung der dunklen Linien im Spectrum. Die dunklen Fraunhoferschen Linien sind also Absorptionslinien, d.h. die umgekehrten hellen Linien der in der leuchtenden Sonnenatmosphäre befindlichen Substanzen. Die mit den Natriumlinien coïncidirenden Fraunhoferschen Linien D weisen also auf einen Gehalt der Sonnenatmosphäre an Natrium hin. Derartige Coïncidenzen mit Fraunhoferschen Linien hat Kirchhoff mit großer Genauigkeit für die Linien anderer Elemente nachgewiesen u. gelangt dadurch zu dem Schluß, daß in der Sonnenatmosphäre Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium, Eisen, Kobalt (Nickel?), Chrom, in geringer Menge auch Baryum, Kupfer u. Zinkdampfförmig enthalten seien; dagegen konnte er sich von der Gegenwart von Silicium, Gold, Silber, Quecksilber, Aluminium, Cadmium, Zinn, Blei, Antimon, Arsen, Strontium u. Lithium nicht überzeugen. Vgl. G. Kirchhoff u. R. Bunsen, Chemische Analyse durch Spectralbeobachtungen, Wien u. Lpz. 1861; G. Kirchhoff, Untersuchungen über das Sonnenspectrum u. die Spectren der chemischen Elemente, Berl. 1861, 2. A. 1862.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 514-517.
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