Vandalen

[355] Vandalen (Vandali), ein germanischer Volksstamm, welcher im nördlichen Theil des Riesengebirgs (Vandalici montes) u. in der Lausitz wohnte. Zunft erscheinen sie in der Geschichte im 2. Jahrh. als Waffengefährten der Markomannen gegen die Römer unter Marc Aurel; doch bald befreundeten sie sich mit den Römern u. unter Caracalla erscheinen sie als Gegner der Markomannen. Unter Kaiser Probus im 3. Jahrh. traten sie dann in Dacien mit den Gothen u. Gepiden wieder gegen die Römer in Kampf, doch ließen sie sich von diesem Kaiser bewegen nach Dacien zu wandern. Hier lebten sie unter Königen aus dem Geschlechte der Astingen (Asdingen), bis sie mit den Gothen in Krieg geriethen; der größte Theil mit ihrem König Visumar fiel an der Maros gegen die Gothen, der Rest erhielt vom Kaiser Constantin Sitze in Pannonien. Hier standen sie unter römischer Herrschaft u. wurden zum Christenthum, u. zwar nach der Arianischen Auffassung, bekehrt. Die Völkerwanderung veranlagte auch die ruhigen B., verbunden mit Alanen u. Sueven, ihr Land zu verlassen. Sie wanderten 406 unter Godegisel u. dessen Sohn Gundarich, welcher 407 ihr König wurde, nach Gallien; nachdem sie Strasburg, Worms, Mainz u.a. Städte verwüstet u. die Aranken geschlagen hatten, zogen sie durch Gallien, gingen 409 mit Sueven u. Westgothen verbunden über die Pyrenäen nach Spanien u. gründeten in Südcastilien, bei Zamora u. Segovia, das Vandalenreich (Vandalusia, woraus später Andalusien entstand). Andalusien u. einen Theil von Estremadura bekamen die Silinger, ein Stamm von ihnen. Schon 416–418 wurden die Silinger von den Römern u. Westgothen fast ganz vernichtet u. auch die Alanen so geschwächt, daß sie genöthigt waren sich Mit den V. zu verschmelzen. 419 griffen beide auch die V. an, vertrieben sie aus Bracara u. warfen sie nach Bätica zurück. Aber in einer Schlacht besiegten sie die Feinde u. trieben sie mit 20,000 M. Verlust nach Tarraco zurück. Nun ging Gundarich in die Offensive über, eroberte 423 die Balkaren u. Carthagena u. 425 Hispalis (Sevilla), wo er 428 starb. Sein Bruder Geiserich (Genserich) folgte ihm als König. Er wurde von Bonifacius, dem römischen Statthalter in Afrika, eingeladen dahin zu kommen u. ihn in der Empörung gegen seinen Kaiser zu unterstützen. Als er im Begriff war sich einzuschiffen, fielen die Sueven in sein Gebiet; er schlug sie bei Emerita u. ging dann im Mai 429 mit V., Alanen u. Gothen (50,000 M.) nach Afrika über u. bemächtigte sich binnen zwei Jahren aller Städte Mauretaniens. Nachdem sich Bonifacius mit dem Kaiser ausgesöhnt hatte, wollte er die V. zur Rückkehr nach Spanien bewegen; allein selbst Waffengewalt vermochte nichts gegen sie, u. Geiserich versprach blos in einem 435 geschlossenen Friedensvertrag sich mit Mauretanien u. Numidien zu begnügen. Indeß nach Kurzem trat er, mit den Mauren verbunden, wieder als Eroberer auf, unterwarf sich die ganze Provinz Afrika u. nahm 439 Carthago, welche Stadt er nun zum Sitze des Vandalischen Reiches machte u. dasselbe 440 u. 441 über die Insel Sicilien, Sardinien, Corsica u. die Balkaren ausdehnte. Dadurch wurde er auch der Beherrscher des westlichen Mittelmeeres, welches er bis Griechenland durch Seeräubereien beunruhigte. Von der Kaiserin Eudocia gegen Martinus nach Italien gerufen, ging Geiserich 455 dahin, erschien alsbald vor Rom u. ließ diese Stadt vom 15.–29. Juni Plündern u. führte Kunstwerke u. Kostbarkeiten nebst Tausenden vornehmer Gefangener mit sich nach Afrika. Alle folgenden Kaiser zitterten vor ihm, nur Majorianus wagte ihm eine Flotte entgegenzustellen, welche aber bei Alicante geschlagen wurde. Als Arianer verfolgte Geiserich die Katholiken in Afrika auf das Grausamste, er zwang sie zur Auswanderung, die Zurückbleibenden aber wurden gemißhandelt u. zu Sklaven gemacht. Geiserich st. 15. Januar 477. Nach seinem Testament sollte stets der Älteste der Familie regieren. Zunächst folgte sein ältester Sohn Hunerich, aber um seinen Söhnen die Nachfolge zu sichern, verfolgte er seine Verwandten, ließ die durch Geistesgaben ausgezeichnete Gemahlin seines Bruders Theoderich enthaupten, ihren Sohn, den Ältesten des Hauses, umbringen, den ältern Sohn seines jüngsten Bruders Genzo, Gedag, nebst Gemahlin u. seinen Bruder Theoderich in Verbannung stoßen. Die Verfolgung gegen die Katholischen wurde auf die unmenschlichste Weise fortgesetzt, u. als diese durch nichts zum Übertritt zum Arianismus bewegt werden konnten, berief Hunerich alle katholischen Bischöfe 484 zu einer Versammlung mit den Arianern zusammen, wo sie ihre Ansicht von dem Wesen Christi beweisen sollten. Ihr Glaubensbekenntniß wurde zwar verlesen, allein darauf das königliche Gebot erlassen, daß bis zu einem bestimmten Tage alle katholischen Kirchen geschlossen u. alles Gut ihrer Kirchen u. Bischöfe confiscirt, vom 1. Juni an aber eine allgemeine Verfolgung ergehen sollte. Diese begann an den Bischöfen u. erstreckte sich dann über die Vornehmen u. Reichen dieser Confession; von jenen wanderten die meisten aus., die andern starben den Märtyrertod. Die Mauren, welche sich empörten, konnte Hunerich nicht wieder zum Gehorsam bringen; er st. 484. Ihm folgte Gundamund, seines Bruders Genzo Sohn; er stellte die Verfolgung der Katholischen ein, ließ die Bischöfe zurückkehren u. gab ihnen ihre Kirchen wieder; er st. 496. Sein Bruder Thrasamund begann die Verfolgung von Neuem, wogegen unter Hilderich, Hunerichs Sohn, seit 523 König, Ruhe u. Toleranz gegen die Andersgläubigen eintrat. Aber dadurch u. wegen seiner Abneigung gegen den Krieg verlor er die Liebe des Volkes. Gegen die empörten Mauren schickte er seines Neffen Hoamar, welcher aber geschlagen wurde. Der einstige Thronerbe Gelimer entsetzte ihn daher 531 u. schlug ihn in Bande. Justinian d. Gr. verlangte aber dessen Befreiung u. sendete, da sich Gelimer dessen weigerte, 534 Belisar mit 600 Schiffen u. 35,600 Soldaten nach Afrika, welcher die V. nach einem dreimonatlichen Kampf (Vandalischer Krieg) bei Bulla bezwang u. ihrem Reich ein Ende machte. Gelimer wurde zu Constantinopel im Triumph aufgeführt; die V. wurden zum Theil[355] als griechische Soldaten an die persische Grenze in Schlösser verlegt; der Rest verlor sich unter den afrikanischen Provinzialen. Den Krieg beschrieb Prokopios (s.d.); vgl. Krantz, Wandalia, Frankf. 1580; Mannert, Geschichte der V., Lpz. 1785; Papencordt, Geschichte der vandälischen Herrschaft in Afrika, Verl. 1837; Victor, Historia persecutionis africanae; Ruinart, Historia persecutionis Vandalicae, Par. 1694, Ven. 1732.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 355-356.
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