Vienne

[575] Vienne (spr. Wienn), 1) Fluß im westlichen Frankreich, entspringt auf dem Plateau von Millevaches unweit des Mount Odouze im Departement Corrèze, geht durch die Departements Ober-V. u. V., nimmt die Flüsse Maude, Tharton, Briance, Clain, Creuse, Vende u.a. auf, wird vor Chatellerault in V. schiffbar, fällt nach einem Laufe von 49 Meilen im Departement Indre et Loire zwischen Tours u. Saumur in die Loire. Folgende zwei Departements haben von ihr den Namen. 2) (Haute-V., Ober-V.), französisches Departement, s. Ober-Vienne: 3) Departement V., an Ober-V., Indre, Indre et Loire, Maine et Loire, Beide Sèvres u. Charente grenzend, besteht aus Theilen der früheren Landschaften Poitou u. Saumurois; 125,33 QM., meist flaches, nur an einigen Orten hügeliges Land, hier u. da Haiden, doch im Allgemeinen fruchtbarer Boden mit schönen Wiesen; bewässert durch die V. mit dem Clain, Gartempe, Creuse, Dive, Charente u.a. Flüsse, durch mehre Teiche, hat auch Sumpfgegenden; Klima mild u. im Ganzen gesund; Producte: außer den Zuchtthieren Wild, Geflügel, Fische, Holz, Eisen, Marmor, Mühlsteine etc. Man treibt Ackerbau (doch nicht mit gehörigem Fleiß, indem viel gutes Feld unbenutzt liegen bleibt), Viehzucht (ebenfalls nicht ausgezeichnet), Obstbau (viele Kastanien), Weinbau (doch ohne gute Behandlung u. mit Verwendung zu Branntwein), Bergbau (auf Eisen u. Blei), einige Industrie in Wolle u. Baumwolle, Leder u. Messerschmiedearbeiten u. etwas Handel mit Landesproducten. Die Eisenbahn von Tours nach Bordeaux durchschneidet das Departement. Eintheilung in die fünf Arrondissements: Poitiers, Chatellerault, Civray, Loudun, Montmorillon mit 32 Cantonen u. (1861) 322,028 Ew., meist Katholiken, am Alten u. Hergebrachten hängend. Hauptstadt: Poitiers. Das Departement gehört zur 18. Militärdivision u. zum 5. Militärobercommando (Tours). 4) Arrondissement im Departement Isère; hat fast 34 QM., 154,800 Ew., 9 Cantone; 5) Hauptstadt desselben, am Einfluß der Gere in die Rhone u. an der Eisenbahn von Lyon nach Marseille; amphitheatralisch um einen Berg gebaut, mit Quai an der Rhone, jenseit welcher St. Colombe liegt; Sitz eines Erzbischofs, Handelsgerichts; hat Brücke, 14 Kirchen, darunter[575] die Kirche Notre-Dame de la Vie (einst Tempel od. Prätorium der Römer, mit Mausoleum des Cardinals Latour d'Auvergne), St. Maurice, viele Alterthümer aus der Römerzeit (Obelisk [Aiguelle], Triumphbogen, Amphitheater, Tempel des August, Wasserleitungen u.a.), Überbleibsel der Dauphinenburg; V. hat Theater, Bibliothek, Museum, Zeichnenschule, Börse; man fertigt Leinwand, Tuch, Papier, Glas, Gewehre, Kanonen, Tapeten, Leder, Metallwaaren; Eisen- u. Kupferhämmer, Silbern. Bleiwerke, Weinbau u. Handel; 20,800 Ew. In der Nähe wächst der berühmte l'Heremitagewein u. Her Côte rotie. – V. hieß sonst Vienna, war die Hauptstadt der Allobroger im Narbonensischen Gallien u. lag am Rhodanus in weinreicher Gegend; früher ein bloßer Flecken, wurde sie nachmals eine bedeutende Stadt. Hierher soll Pontius Pilatus wegen seiner Ungerechtigkeit verwiesen worden sein u. sich von einem Thurme gestürzt haben, dessen Reste man noch zeigt. Die Römer erhoben sie zu einer Colonie u. sie wurde unter den späteren Kaisern die Hauptstadt der Provinz Viennensis, welche das Land zwischen Lugdunensis prima, dem Narbonensischen Gallien, dem Meere u. den Alpen begriff. Im 5. Jahrh. wählten sie die burgundischen Könige zu ihrer Residenz. 880 belagerte hier Karlmann den König Boso. Nachmals war sie eine souveräne Grafschaft, welche unter Ludwig XI. mit der Dauphine (s.d.) vereinigt wurde. Hier wurden mehre Concilien gehalten, namentlich 1112, wo Kaiser Heinrich V. wegen des beanspruchten Investiturrechts, mit dem Banne belegt wurde, u. 1311 (das 15. Ökumenische Concil), in dessen Folge 1312 der Tempelherrnorden aufgehoben wurde. Im Januar 1854 brannte die Stadtbibliothek ab. Vgl. C. Roy, Monumens romains et gothiques de V., 1828, Fol. 6) V. le Château, Marktflecken im Arrondissement St. Menehould des Departements Marne; Glashütten, Fayencefabriken, Webereien; 1700 Ew.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 575-576.
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