Wales

[807] Wales (spr. Uëhls, fälschlich oft auch Wallis genannt), ein ursprünglich selbständiges, jetzt mit dem Königreich Großbritannien vereinigtes, den westlichen Theil des eigentlichen England bildendes Fürstenthum; grenzt im Süden, Westen u. Norden an den Bristolkanal u. den St. Georgenkanal des Atlantischen Oceans, das Irländische Meer u. im Osten an die englischen Grafschaften Chester, Shrop, Hereford u. Monmouth; hat 8167 englische (384,10 geogr.) QM ist sehr gebirgig (Waleser Gebirge, in drei Reihen sich durchs Fürstenthum hinziehend; Spitze: Snowdon, 3456 F.), hat zerrissene felsige u. zackige Küsten mit vielen Vorgebirgen (Braichy-Pwil, Gowens, Wormshead etc.) u. Busen (Caernarvon, Harlech, Cardigan, Caermarthen, Swansea u.a.) u. Inseln (Anglesey, Holy, Bardsey u. m. a.), wird bewässert vom Dee, Cluyd, Conway, Tany, Tave, Severn, Wye, Uske u. anderen Flüssen, so wie von vielen kleinen, romantischen Seen u. mehren Kanälen (Swansea). Auch gibt es einige Mineralwasser. Das Land ist reich an malerischen Naturschönheiten, Klima ist Gebirgsklima, rauh, doch gesund. Producte: Kupfer, Eisen, Blei, Steinkohlen, Marmor, Schiefer etc., Fische (Lachse, Häringe), Austern, einige Perlen, Wild (bes. Kaninchen) u. Geflügel. Einw. (1861: 1,111,795), der Abstammung nach Kymren, kräftiger, doch roher Natur, etwas träg, doch gastfrei, gutmüthig, offen, gesellig, mit eigner Sprache (s. Walische Sprache); unter ihnen leben auch einige Flamänder. Man treibt Ackerbau, doch nicht ergiebig genug, da die Gebirge zu viel Hindernisse in den Weg legen; mehr Viehzucht (sehr lohnend), Fischerei (ebenfalls sehr ergiebig); der Austernfang um Glamorgan soll jährlich über 5 Mill. Stück liefern; Bergbau (Eisen, wobei gegen 50 Hochöfen thätig sind, Kupfer in noch reichern Gruben, Steinkohlen), bedeutender Handel, während die eigentliche Industrie noch ziemlich unbedeutend ist. W. besitzt mehre Kanäle u. längs der Nordküste die Eisenbahn Chester-Holyhead, längs der Südküste die von Gloucester u. Hereford nach Pembroke nebst mehren kleinen Zweig- u. Verbindungsbahnen. Eintheilung in Nordwales (zerfällt in die sechs Grafschaften: Anglesey, Caernarvon, Denbigh, Flint, Merioneth u. Montgomery) u. Südwales (zerfällt in die sechs Grafschaften: Brecknock, Cardigan, Caermarthen, Glamorgan, Pembroke u. Radnor); Hauptstadt ist Pembroke, die volkreichsten Städte des Landes dagegen: Caermarthen, Cardiff u. Holywell Von W. führt der Thronerbe von Großbritannien (wenn er Kronprinz [Prince Royal], also der Sohn des Königs, resp. der Königin ist)[807] den Titel Princes of Wales (s. weiter unten). – Zur Zeit der römischen Herrschaft in Britannien wohnten in dem jetzigen W. nördlich die Ordovices, südlich die Demetä, in der Mitte die Silures Der Einfall der Sachsen im 5. Jahrh. nöthigte einen Theil der celtischen Briten in die Wälder u. Berge von W. zu fliehen, wo sie mit den Ureinwohnern zu einem Volke von besonderer Sitte u. Sprache verschmolzen; sie nennen sich jetzt noch Kymren. W. war damals in mehre Staaten getheilt, z.B. Gwynedd (Nordwales), Demetia (Südwales), Damnonia (Westwales). Der erste König soll Cadwallader geheißen haben. Nach seiner Entfernung bemächtigte sich Ivor der Herrschaft, wurde aber 690 von Idwallo, dem Sohne Cadwalladers, wieder verdrängt. Fast 200 Jahre lang regierten nun Könige von W., bis gegen das Ende des 9. Jahrh. Koderich II. sein Land unter seine drei Söhne theilte u. dem ältesten, Amarawd, Nordwales, dem zweiten, Cadel, Südwales u. dem dritten, Mervin, Povisland gab. Deren Nachfolger theilten ebenfalls, u. bald war das Land in so viel kleine Theile zerstückelt, daß die Fürsten desselben alle Macht verloren. Schon dem sächsischen König Adelstan von England (924–941) mußte W. einen jährlichen Tribut zahlen, welcher Anfangs in Geld, später aber in Wolfsfellen bestand, indem die jagdkundigen Walen ganz England von Wölfen säubern mußten. Nach der Eroberung Englands durch die Normannen, 1066, suchten die Walischen Fürsten sich von den neuen Herrschern frei zu machen, wurden aber von Wilhelm dem Eroberer durch die Gewalt der Waffen zur Unterwürfigkeit gezwungen. Da sie fortwährend Angriffe auf England machten, so errichtete Wilhelm II. Marken gegen sie. Während der Streitigkeiten zwischen Stephan u. Mathilde, in denen es die Walischen Fürsten bald mit jenem, bald mit dieser hielten, gelang es ihnen endlich sich von dem englischen Einflüsse ganz zu befreien, aber unter Heinrich II. wurden sie, mit einander wieder in Fehden gerathen, nach der Mitte des 12. Jahrh. von Neuem unterworfen. Zwar benutzten sie den Krieg Heinrichs II. mit Frankreich, 1163, unterstützt von den Franzosen, wieder frei zu werden, aber wenngleich die englischen Waffen sie nicht bezwingen konnten, so unterwarfen sie sich doch 1171 durch Vergleich dem Könige wieder, die Fürsten des Landes bestanden fort. Als Fürst Llewellyn III dem Könige Eduard I. die Huldigung versagte, weil derselbe ihm seine Braut Eleonore de Montfort zur See weggenommen hatte u. vorenthielt, so kamen sie endlich dahin überein, daß der König 1277 dem Fürsten seine Braut freigab, wofür dieser dem Könige das Fürstenthum abtrat u. zum Prinzen von Wales ernannt wurde. Da aber die königlichen Markgrafen Marchers) im Lande willkürlich walteten, so machten die Walliser unter Llewellyn einen neuen Aufstand, aber sowohl dieser blieb im Kampfe als auch sein Bruder David wurde 1283 gefangen (u. dann hingerichtet), u. W. wurde nun als erobertes Land behandelt u. mit der Krone England verbunden, s. England S. 720. Auf den Wunsch der Walen, daß der königliche Statthalter ein Eingeborner sei, gab Eduard I. 1301 seinem auf dem Schlosse Caernarvon gebornen Erbprinzen Eduard (nachmals König Eduard II.) W. in Lehn, u. daher stammt der Titel des ältesten Sohnes des Königs designirten Kronerben als Prinz von W. Stirbt derselbe, hinterläßt aber Söhne, so nimmt der älteste den Titel Prinz Von W. an. Brüder u. Vettern des Königs können nie Prinzen von W. heißen, selbst wenn alle Präsumtion für sie ist, daß sie einst die Thronerben werden, da immer doch die Möglichkeit vorhanden ist, daß der König noch Söhne erhalte, od., ist er unbeweibt, heirathe u. dann Söhne zeuge. Da die Engländer die alte landesthümliche Einrichtung der Barden vernichten wollten, so rief Owen Glendower, ein Barde aus fürstlichem Geschlecht, 1400 einen Aufstand hervor, fiel in England ein u. hielt sich lange gegen die englischen Heere. Nach der Unterdrückung des Aufstandes wurde das Regiment der Marchers noch härter. 1536 wurde das Fürstenthum W. von Heinrich VIII. auf den Wunsch des englischen Parlaments gänzlich mit dem Königreich England vereinigt u. das ganze englische Staats- u. Justizwesen daselbst eingeführt. Vgl. Robert, The cambrian popular antiquities, Lond. 1815; F. Walter, Das alte W., Bonn 1859; The book of the Princes of W., Lond. 1860.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 807-808.
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