Elisabeth [2]

Elisabeth [2]

[653] Elisabeth, Königin von England, geb. 1533, eine der geistreichsten gekrönten Frauen, ausgestattet mit seltenen Regententugenden, großem Verstande, hoher Liebenswürdigkeit, mit dem sie aber vollendete Heuchelei, kleinliche Eitelkeit und unerträglichen Stolz verband, war die Tochter von König Heinrich VIII. von England und Anna Boleyn (s.d.), wegen der er sich von seiner ersten Gemahlin, Katharina von Aragonien, scheiden ließ und die er erst 31/2Monat vor E.'s Geburt zur rechtmäßigen Königin erklärte.

Nach Heinrich VIII. (gest. 1547) Testamente sollte zunächst sein aus seiner dritten Ehe geborener Sohn Eduard, dann Maria, Katharinens Tochter und erst, wenn diese Beiden keine Erben hinterließen, E. auf dem Throne folgen. Unter Eduard's Regierung, der 15 Jahre alt starb, wurde sie gut, desto übler unter der ihrer Stiefschwester Maria behandelt, von der E. sowol wegen ihrer Anhänglichkeit an den evangelischen Glauben, als auch wegen der Liebe, welche sie in England genoß, bitter gehaßt ward. Sie ließ E. sogar eine Zeit lang in den Tower sperren, schickte sie endlich nach dem Schlosse Woodstock, wo sie unter strenger Aufsicht stand, bis sie ihr auf dem Schlosse Hatfield zu leben erlaubte. Diese Abgeschiedenheit benutzte sie, ihren Geist durch Unterricht und Lecture auszubilden, erlangte sogar in der lat. und griech. Sprache Fertigkeit, und da Maria 1558 starb, gelangte E., 25 Jahre alt, von ihren Unterthanen mit Begeisterung begrüßt, auf den Thron. Sie hielt in London zu Pferde ihren Einzug und als sie den Tower, nach der [653] Gewohnheit antretender Könige, besuchte, dankte sie auf den Knieen inbrünstig für die Erhaltung ihres Lebens unter so mancherlei Gefahren. Eine Bibel, die man ihr überreichte, drückte sie an Herz und Lippen und versprach, oft darin zu lesen, und besonders rühmlich war, daß sie an keinem ihrer frühern Verfolger sich rächte, sondern alle Beleidigungen vergessen zu haben schien. Eine ihrer ersten Regierungshandlungen war die Aufhebung der Verfolgung der Evangelischen und die Einführung der Reformation. Alle Beamten, welche sich nicht fügen wollten, wurden abgesetzt, eine Strenge, die um so nöthiger war, da der Papst sie als Königin nicht anerkennen wollte; aber am Leben ließ sie der Religion wegen Niemand strafen. Bald nach ihrer Thronbesteigung hielt Philipp II., König von Spanien, um ihre Hand an, erhielt aber eine abschlägige Antwort, sowie später alle Fürsten, Prinzen und engl. Große, die ähnliche Anträge machten; denn E. wollte ihre Freiheit nicht aufopfern, und setzte eine Ehre darein, daß man einst auf ihr Grab werde setzen können: »Hier ruht eine jungfräuliche Königin.« Sonst war sie den Männern nicht abhold und namentlich genossen ihre Gunst Robert Dudley, Graf von Leicester, jüngster Sohn des Herzogs von Northumberland, und Graf Essex, jener in jüngern Jahren, dieser in ihrem Alter.

Der schwärzeste Punkt ihres Lebens ist ihr Benehmen gegen Maria Stuart (s.d.), deren Großmutter ihres Vaters Schwester gewesen war und die sich verleiten ließ, Ansprüche auf den engl. Thron zu machen, weil E. in unrechtmäßiger Ehe geboren und also zur Regierung unfähig sei. Dazu kam noch der Haß, den Beide wegen Verschiedenheit der Religion und aus persönlicher Eitelkeit gegeneinander hegten. Als der Dauphin und Gemahl Maria's 1559 als Franz II. den franz. Thron bestieg, fuhr er und Maria Stuart fort, das engl. Wappen zu führen, ja er schickte sogar franz. Truppen nach Schottland, die wahrscheinlich in England einfallen sollten. Zwar nöthigte E. diese, sich wieder nach Frankreich einzuschiffen und Franz II. starb schon 1560, allein da bald darauf die Mutter der Maria Stuart ebenfalls verschied, welche an deren Statt in Schottland regiert hatte, so kehrte Maria dahin zurück, um selbst den Thron zu besteigen. Vergeblich hatte E. sie vorher zur Entsagung auf die Krone von England und Irland zu bewegen gesucht und selbst ihrer Reise alle möglichen Hindernisse in den Weg gelegt; ward daher auch der Schein eines guten Vernehmens zwischen beiden Königinnen erhalten, so dauerte doch die bitterste Feindschaft fort, und E. ließ nichts unversucht, die Abneigung der ohnedies fanatisch wider den röm.-katholischen Glauben eingenommenen Schotten gegen ihre Königin zu vermehren, die allerdings größtentheils durch Mariens unüberlegtes Benehmen hervorgerufen war und endlich zum offenen Aufruhr wurde. Maria mußte fliehen und warf sich in ihrer Noth E. in die Arme, die sie aber unter nichtigen Vorwänden gefangen setzte, und endlich nach einer herben Gefangenschaft von 19 Jahren 1587 hinrichten ließ. Die 44jährige Regierung E.'s gehört übrigens zu den glänzendsten Abschnitten der Geschichte Englands (s.d.). Während derselben ist der Grund zur Seeherrschaft desselben gelegt worden; Franz Drake (s.d.), Thomas Cavendish und Walther Raleigh zeichneten sich durch kühne Unternehmungen aus, und als Philipp II. die große Armada 1588 gegen England ausrüstete, bekämpften Drake und Admiral Effingham im Kanal diese sogenannte unüberwindliche Flotte. die, von Stürmen auseinandergetrieben, nur theilweise zurückkehrte, ohne England Schaden zugefügt zu haben. Die letzten Jahre E.'s waren traurig; sie hatte 1600 ihren Günstling, den Grafen Essex (s.d.), der sich als Befehlshaber ihrer Truppen in Irland gegen sie empört hatte, hinrichten lassen und der Kummer darüber machte sie völlig trübsinnig; trotz der zunehmenden Verschlimmerung ihres Zustandes wies sie alle Heilmittel zurück und wünschte den Tod. Zehn Tage lang schien sie, auf Kissen sitzend, den Finger auf den Mund gelegt, die Augen an den Boden geheftet, nur für die Gebete Aufmerksamkeit zu besitzen, welche der Bischof von Canterbury bei ihr hielt. Auf seinen Rath ernannte sie den König von Schottland zu ihrem Nachfolger, versank endlich in Betäubung, starb zu Anfang April 1603 und ward in der Nähe ihrer Gegnerin Maria in der Westminsterkirche zu London begraben.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 653-654.
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