Dortmund

[140] Dortmund (lat. Tremonia, altfranz. Tremoigne; hierzu Stadtplan mit Karte der Umgebung, u. Registerblatt), Stadt (Stadtkreis) im preuß. Regbez. Arnsberg, an der Emscher, liegt in der unter dem Namen Hellweg bekannten fruchtbaren Ebene zwischen der Lippe und dem Haarstrang, 87 m ü. M. Die ehemaligen Wallgräben sind seit 1863 in Anlagen verwandelt und jetzt mit drei Kriegerdenkmälern geschmückt. Unter den kirchlichen Gebäuden (6 evangelische, 6 katholische, eine altkath. Kirche und eine Synagoge, außerdem 2 kath. Kapellen in Verbindung mit dem Elisabeth-Waisenhaus und dem Josephinenstift) zeichnen sich aus. die Reinoldikirche mit restaurierten Glasgemälden im gotischen Chor, die Marienkirche (Schiff aus dem 11. Jahrh.), die Petrikirche mit merkwürdigem Altar, die Liebfrauenkirche und die Dominikaner- oder Johanniskirche mit schönem Kreuzgang im ehemaligen Kloster. Von den frühern Klöstern und Konventen sind das Jungfrauenstift zum Kohlgarten (jetzt Rentenstift) und ein Teil der »Klausen« übriggeblieben, die in Pflegehäuser verwandelt sind. Unter den Profanbauten ist besonders das alte Rathaus aus der Übergangszeit vom romanischen zum gotischen Stil (1897 bis 1899 restauriert) bemerkenswert, ferner das neue Rathaus, die Oberpostdirektion, die Hafengebäude, das Elektrizitätswerk und das Reichsbankgebäude (im Bau). D. besitzt Denkmäler der Königin Luise, der Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III., von Jahn und Schüchtermann.

Wappen von Dortmund.
Wappen von Dortmund.

Ein Denkmal Bismarcks (am Süderwall) geht (1903) seiner Vollendung entgegen. Die Zahl der Einwohner beläuft sich (1900) auf 142,733 Seelen, davon 74,331 Evangelische, 65,937 Katholiken und 1924 Juden. Die Industrie verdankt ihren Aufschwung der Lage inmitten des westfälischen Kohlenbeckens. Die im Stadtbezirk liegenden Steinkohlenzechen Vereinigte Westfalia, Tremonia und Friedrich Wilhelm förderten 1901 bei einer Belegschaft von 4504 Arbeitern 947,509 Ton. Kohlen. Darauf gestützt, entwickelte sich eine großartige Eisenindustrie, vertreten durch Hochöfen, Eisen- u. Stahlwerke und Maschinenfabriken. Das größte Werk dieser Art ist die Union, Aktiengesellschaft für Bergbau, Eisen- u. Stahlindustrie,[140] das im Geschäftsjahre 1901/1902: 9829 Arbeiter und Beamte beschäftigte und 1,040,934 Ton. im Werte von 62,1 Mill. Mk. produzierte. Hervorzuheben ist ferner das Eisen- u. Stahlwerk »Hösch« mit 3744 Arbeitern u. Beamten und einer Jahresproduktion von 202,236 Ton. im Werte von 24,3 Mill. Mk. Spezialitäten sind: Artikel für Berg-, Eisenbahn-, Schiff-, Brücken- und Gasanstaltsbau, Maschinen aller Art, Grob- und Feinbleche, Ofen, Bottiche, Dachkonstruktionen etc. Die Zinkhütte der Aktiengesellschaft zu Stolberg und in Westfalen in D. produzierte 9315 Ton. Rohzink im Werte von 3,2 Mill. Mk. D. hatte 1901: 28 Brauereien, darunter die Germania-, Kronen-, Löwen-, Union- und Dortmunder Aktienbrauerei, von denen die Unionbrauerei allein 190,800 hl Bier produzierte. Die Gesamtproduktion bezifferte sich auf 1,221,512 hl. 22 Ringöfen lieferten 48 Mill. Ziegelsteine. Von Bedeutung sind ferner die Spiritusbrennerei, Drahtseilerei, die Fabrikation von Geldschränken, Nähmaschinen, Stearinlichten, Gummi, Seife, Ammoniak etc., die Mälzerei und die Dampfmahl- und -Sägemüllerei. Der Handel, der sich außer auf die dort hergestellten Fabrikate auf Getreide und Holz erstreckt, ist sehr bedeutend und z. T. überseeisch. D. hat eine Handelskammer, eine Börse, eine Reichsbankhauptstelle (Umsatz 1902: 2293 Mill. Mk.), einen Bankverein sowie zahlreiche Unterstützungskassen und ist mit vier Bahnhöfen Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Duisburg-Hamm, Ruhrort-D., Duisburg-Welver, Langendreer-D., D.-Gronau-Enschede und andrer Linien. Wichtig für den Verkehr ist auch der Dortmund-Ems-Kanal (s. d.), für den hier große Hafenanlagen erbaut sind. Den Verkehr in der Stadt und mit der nähern Umgebung vermittelt eine elektrische Straßenbahn. An Bildungsanstalten hat D. ein Gymnasium, ein Realgymnasium, eine Oberrealschule, die vereinigten königl. Maschinenbauschulen, eine höhere Handelsschule, eine landwirtschaftliche Winterschule, eine reiche historische Sammlung und mehrere wissenschaftliche Vereine. Die Stadt ist Sitz eines Oberbergamts, dreier Bergreviere (Ost-, West- und Süd-D.), eines Landgerichts (s. Tafel »Gerichtsgebäude I«, Fig. 6), eines Hauptsteueramts, des Landratsamts für den Landkreis D. etc. Die städtischen Behörden zählen 19 Magistratsmitglieder und 48 Stadtverordnete. Die städtischen Einnahmen und Ausgaben umfaßten 1902 je 10,2 Mill. Mk. (darunter 3 Mill. Mk. außerordentliche), die Schuld (1901) 32,7 Mill. Mk., denen ein Vermögen von 49,8 Mill. Mk. gegenüberstand. Als ein Denkmal der Vergangenheit zeigt man auf dem Bahnhof der Bergisch-Märkischen Eisenbahn in der Nähe des Stationsgebäudes eine uralte, morsche Linde und vor derselben einen Tisch und eine Bank von Stein. Auf dem Tisch ist der Reichsadler ausgehauen. An dieser Stelle sollen weiland die Femgerichte, für welche D. ein Oberstuhl war, gehalten worden sein, und König Friedrich Wilhelm IV. befahl deshalb, bei dem Eisenbahnbau die Stelle zu schonen. – Zum Landgerichtsbezirk D. gehören die acht Amtsgerichte zu D., Hamm, Hörde, Kamen, Kastrop, Soest, Unna und Werl.

Geschichte. D., dessen Name zuerst 899 als Throtmannia erwähnt wird, führt seinen Ursprung auf Heinrich I. zurück, der hier eine Pfalz besaß. Die Ottonen hielten hier häufig Hof und hatten hier eine Münzstätte. Die Münzen aus jener Zeit (im Berliner Museum) weisen als ältesten Namen der Stadt Therotmanni nach, der dann die verschiedenartigsten Formen angenommen hat: Theromanni, Trutmanni, Dorpmunde etc. Kaiser Heinrich II. hielt in D. 1005 eine Kirchenversammlung und 1016 einen Reichstag. Zwischen 1253 und 1258 wurde das Dortmunder Recht zuerst ausgezeichnet, aber erst 1343 erwarb die Stadt die Hälfte der Gerichtsbarkeit und besaß fortan in Gemeinschaft mit dem Grafen den dortigen Freistuhl; so gewann sie die Rechte einer freien Reichsstadt. Zur Blüte aber gelangte sie vornehmlich durch ihren Beitritt zur Hansa. Wichtig wurde D. durch seine hervorragende Teilnahme an der Ausbildung des altsächsischen Städterechts, das in die Ordensländer, unter anderm bis Dorpat, verpflanzt wurde. Die Verpfändung der Stadt durch König Wilhelm an das Erzstift Köln (1248) und durch Albrecht I. an den Grafen von der Mark (1301) gab im 14. Jahrh. Anlaß zu heftigen Fehden zwischen den Pfandinhabern, in denen die Stadt nur mit Mühe ihre Reichsfreiheit behauptete. Um 1400 erreichten die Zünfte durch einen Aufstand das Zugeständnis der Vertretung im Rate. Die Stadt wurde 1504 mit der Grafschaft, deren Inhaber bisher auf der dortigen Burg gewohnt hatte, von Maximilian I. belehnt und erlangte dadurch die Herrschaft über ein Landgebiet von über 80 qkm (1,5 QM.) mit 13 Dörfern. Durch den Reichsdeputationshauptschluß kam D. 1803 an Nassau-Oranien; 1808 wurde es mit dem Großherzogtum Berg vereinigt und 1815 mit Preußen. – Hier wurde der Dortmunder Rezeß 10. Juni 1609 zwischen dem Kurfürsten Johann Siegmund von Brandenburg und dem Pfalzgrafen Philipp Ludwig von Neuburg im jülich-kleveschen Erbfolgestreit geschlossen, demzufolge beide Teile bis zur völligen Ausgleichung dieses Streites das streitige Land gemeinschaftlich verwalten ließen. Vgl. Fahne, Die Grafschaft und freie Reichsstadt D. (Köln 1854–59, 4 Bde.); Thiersch, Geschichte der Freireichsstadt D. (Dortm. 1854, Bd. 1); Becker, Das Dortmunder Wandschneiderbuch (das. 1871); »Beiträge zur Geschichte Dortmunds« (das. 1875–87, 5 Bde.); Nederhoffs »Chronica Trimoniensium« (hrsg. von Röse, das. 1880); »Dortmunder Urkundenbuch« (hrsg. von Rübel, das. 1881–1900, Bd. 1–3); Frensdorff, Dortmunder Statuten und Urteile (Halle 1882); »Chroniken deutscher Städte«, Bd. 20 (Leipz. 1887); Rübel, Dortmunder Finanz- und Steuerwesen (Bd. 1: Das 14. Jahrhundert, Dortm. 1892); Ludorff, Bau- und Kunstdenkmäler in D. (Paderb. 1895).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 140-141.
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