Schulenburg

[62] Schulenburg, von der, altes, ehedem in den Rheinlanden, jetzt besonders in der preußischen Provinz Sachsen, in Brandenburg, Hannover und Braunschweig begütertes, seit 1563 reichsfrei herrliches Adelsgeschlecht. Es blüht in einer weißen Linie, die 1728, und einer schwarzen Linie, die 1790 die Reichsgrafenwürde erhielt; die erstere ist wieder geteilt in die ältere weiße Linie, bestehend aus den Häusern Hehlen und Betzendorf mit den Speziallinien Wolfsburg (mit noch zwei Nebenlinien), Betzendorf und Detzel, und die jüngere weiße Linie, aus den Häusern Trampe, Altendorf (freiherrlich), Emden, Altenhausen, Bodendorf, Burgscheidungen, Vitzenburg und Angern bestehend; die Linie Kehnert erlosch 1815 im Mannesstamm. Die schwarze Linie besteht nur noch aus dem gräflichen Haus Lieberose, dessen Haupt (gegenwärtig Graf Dietrich, geb. 15. Aug. 1849) erbliches Mitglied des preußischen Herrenhauses ist. Es gingen aus dem Geschlecht 4 Feldmarschälle, 25 Generale, 3 Heermeister des Johanniterordens, 6 Staatsminister und 4 Bischöfe hervor. Sein Wappen besteht aus drei roten Greifenklauen in Silber. Vgl. »Stammtafeln des Schulenburgischen Geschlechts«, herausgegeben von Friedrich Albrecht, Graf v. d. S. (Wien 1821); Danneil, Das Geschlecht der v. d. S. (Salzwedel 1847, 2 Bde.); G. Schmidt, Das Geschlecht v. d. S. (bisher Bd 2 u. 3, Berl. 1899). – Die namhaftesten Sprößlinge sind:

1) Johann Matthias, Reichsgraf von der, Erbherr auf Emden, Feldmarschall der Republik Venedig, geb. 8. Aug. 1661 in Emden bei Magdeburg, gest. 14. März 1747 in Verona, trat 1685 in den Dienst des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel, machte seit 1687 sieben Feldzüge gegen die Türken mit, kämpfte auch in Flandern gegen die Franzosen, diente seit 1698 als Generalmajor und Chef eines deutschen Regiments dem Herzog Viktor Amadeus von Savoyen, ward 1699 bei Unterdrückung des Aufruhrs der Waldenser verwendet und führte 1701 eine Brigade unter Marschall Catinat. 1702 Generalleutnant im Heere Augusts II. von Polen geworden, befehligte S. in der für die Sachsen unglücklichen Schlacht bei Klissow (19. Juli 1702) den linken Flügel der sächsischen Infanterie. Im Winter 1704 in Polen Kommandeur[62] der ganzen Feldarmee, bewerkstelligte S. einen meisterhaften Rückzug nach Schlesien. An der Spitze eines aus Sachsen und Russen gebildeten Korps im Januar 1706 abermals in Polen einrückend, ward er von den Schweden bei Fraustadt 13. Febr. geschlagen, focht 1708 mit einem sächsischen Hilfskorps in Flandern unter Marlborough, wohnte der Schlacht von Oudenaarde bei, half Lille und Tournai belagern, befehligte bei Malplaquet (11. Sept. 1709) 40 Bataillone Sachsen und Reichstruppen, nahm dann an der Belagerung von Mons sowie 1710 unter Eugen an der von Douai teil und zwang Béthune (28. Aug.) zur Übergabe. Im April 1711, den sächsischen Dienst verlassend und vom Kaiser in den Grafenstand versetzt, trat er 15. Okt. 1715 in die Dienste der Republik Venedig. Die von ihm geleitete Verteidigung Korfus vom 25. Juli bis 20. Aug. 1716 ist eine der berühmtesten Leistungen der neuern Kriegsgeschichte. Ihr folgten die Einnahmen der Festung Butrinto und die Besetzung von Santa Maura. 1718 fiel S. in Albanien ein, mußte sich aber infolge des Friedens von Posharewatz zurückziehen. In den folgenden 29 Jahren sorgte er für die Entwickelung der Streitkräfte Venedigs. Die Republik ließ ihm zu Korfu 1718 ein Denkmal errichten. Vgl. Fr. Albr. v. d. Schulenburg (s. unten), Leben und Denkwürdigkeiten des Joh. Matth. v. d. S. (Leipz. 1834, 2 Bde.).

2) Achaz von der, geb. 1669 zu Apenburg in der Altmark, gest. 1731, trat 1690 in brandenburgische Kriegsdienste, tat sich in dem Spanischen Erbfolgekrieg hervor und war 1730 Vorsitzender des Kriegsgerichts über den Kronprinzen und Katte.

3) Adolf Friedrich, Graf von der S., geb. 1685 in Wolfenbüttel, stand von 1705–13 in hannoverschen Diensten, machte als Major die Schlachten bei Oudenaarde und Malplaquet mit, trat hierauf in die preußische Armee und nahm an den Feldzügen in Pommern und am Rhein (1734) teil. Von Friedrich Wilhelm I. hochgeschätzt, fiel er als Generalleutnant der Kavallerie 10. April 1741 bei Mollwitz.

4) Levin Rudolf von der S., geb. 1727, gest. 1788, während des Siebenjährigen Krieges beständiger Begleiter Friedrichs d. Gr., war zuletzt Generalleutnant und Chef des Militärdepartements des Generaldirektoriums.

5) Friedrich Wilhelm, Graf von der S., aus dem mit ihm erloschenen Haus Kehnert, geb. 22. Nov. 1742, gest. 1815, trat 1757 in ein Kürassierregiment, machte den Siebenjährigen Krieg mit, ward 1767 Landrat in Salzwedel, 1771 Vizepräsident des Generaldirektoriums, 1782 Chef der Seehandlung, 1786 Graf, 1790 Präsident des Oberkriegskollegiums, 1791 Kabinettsminister, 1798 Generalkontrolleur der Finanzen und 1800 Generalpostmeister. Als Gouverneur von Berlin verkündete er 18. Okt. 1806 die Niederlagen von Jena und Auerstedt mit den bekannten Worten: »Die erste Bürgerpflicht ist Ruhe«.

6) Karl Friedrich Gebhardt, Graf von der S., aus dem Haus Wolfsburg, geb. 21. März 1763 in Braunschweig, gest. 25. Dez. 1818 in Wolfsburg. Jurist, stand bis 1796 im Dienste des Braunschweiger Hofes, war 1808 und 1810 Präsident der westfälischen Reichsstände und wurde nach dem Tode des Herzogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig (s. Friedrich 16) 1815 vom Prinz-Regenten Georg von England an die Spitze der Landesverwaltung gestellt.

7) Friedrich Albrecht, Graf von der S., aus dem mit ihm ausgestorbenen Hans Kloster-Roda, geb. 18. Juni 1772 in Dresden, gest. 12. Sept. 1853 in Kloster-Roda, wurde 1794 Attaché der kursächsischen Gesandtschaft in Wien, 1799 außerordentlicher Gesandter am dänischen und 1800 am russischen Hof, hielt sich 1804–10 in Frankreich auf, vertrat 1814 den König von Sachsen beim Wiener Kongreß und unterzeichnete 15. Mai 1815 den Traktat mit Preußen, Österreich und Rußland. Sodann war er bis 1830 Gesandter in Wien, seit 1828 als Konferenzminister.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 62-63.
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