Naumburg [2]

[720] Naumburg, 1) Kreis im Regierungsbezirk Merseburg der preußischen Provinz Sachsen, aus einem Theile des vormaligen Hochstifts gleiches Namens u. aus dem Schulamt Pforta u. einzelnen Theilen des vormaligen Amtsbezirks Tautenburg, Eckartsberga u. Weißenfels gebildet; 21/4 QM., 24,740 Ew.; erzeugt den Naumburger Wein, von welchem bes. der rothe geschätzt ist; 2) (N. an der Saale), Kreis stadt darin u. Sitz des Appellationsgerichts für den Regierungsbezirk Merseburg u. die 5 Kreise Erfurt, Weißensee, Langensalza, Ziegenrück u. Schleusingen des Erfurter Regierungsbezirks, unweit der Saale u. der Thüringer Eisenbahn (Halle-Eisenach); besteht aus der eigentlichen Stadt, in welche jetzt die Herrenfreiheit u. die sonstigen Vorstädte, von welchen nur der Georgenberg noch als Vorstadt gilt, mit eingeschlossen sind. Der durch Niederreißung der Mauern zwischen der ehemaligen Stadt u. der Domfreiheit gewonnene Raum bildet jetzt eine Promenade; hat Residenzhaus auf dem Markt (gewöhnlich Schloß genannt, jetzt Kreisgericht u. Steueramt), evangelisches Hochstift, 4 Pfarrkirchen, darunter die Domkirche (mit 3 Thürmen [der vierte ist nur bis zum Kirchendach aufgeführt], 3 Schiffen über der Erde u. einer Krypte, dem hohen Chor nach Osten u. wieder einem Chor nach Westen; der ursprüngliche Bau ist im Romanischen, das Übrige im Germanischen Styl aufgeführt; u. die Wenzeslaus- (Stadt od. Markt-) kirche; Rathhaus, mit 37 Verkaufsgewölben unter demselben, Appellationsgerichtsgebäude (früher Bischofshof, später Dompropsteicurie), Schwurgerichtshof, Domgymnasium, mehre Fabriken u. ansehnlichen Handel, die Petripaulmesse, den 20. Juni beginnend, vom Kaiser Maximilian I. 1514 als schon vorhanden bestätigt, welches Privilegium von allen seinen Nachfolgern erneuert wurde. Der Versuch, den Naumburger Meßhandel durch Verlegung der Petripaulmesse in das Frühjahr u. Einführung einer zweiten Messe (Wintermesse) zu heben (1831), verfehlte seinen Zweck, u. der Beitritt Sachsens (1834) zum Zollverband hatte zur Folge, daß jene zurückverlegt u. diese wieder aufgehoben wurde; Freimaurerloge: Die drei Hammer; 13,600 Ew. Bei N. öffentlicher Vergnügungsort der Bürgergarten, seit 1796 eingerichtet. In der reizenden Umgegend der Gasthof zur nackten Henne, die S chönburg, Starke's Weinberg, das Dorf Altenburg, Kösen, Goseck, [720] Rudelsburg etc. – N. war schon im 10. Jahrh. eine den Brüdern Eckard II. u. Hermann gemeinschaftlich gehörige Domäne, welche diesen Ort dem Stifte Zeitz unter der Bedingung schenkten, daß der Bischöfliche Stuhl hierher verlegt würde; unter gleichen Bedingungen wurde dem Orte von Konrad II. Stadt- u. Marktrecht ertheilt, u. 1023 das Zeitzer Bisthum wirklich hierher verlegt. Nach einer Sage soll 1432 Procopius mit 40,000 Hussiten vor N. gezogen sein u. der Stadt gänzlichen Untergang gedroht haben, weil einst der Naumburger Bischof, Gerhard von Goch, auf der Kostnitzer Synode für Hussens Verbrennung gestimmt habe. Vergebens hätten die Bürger dem feindlichen Feldherrn vorgestellt, daß sie ganz unschuldig wären, daß der beschuldigte Bischof todt u. sein Nachfolger geflüchtet sei. Da sei ein kluger Bürger, Wolf, auf den Einfall gekommen, die 559 Kinder der Stadt in weiße Sterbegewänder zu kleiden u. dieselben, Citronen in der Rechten u. grüne Zweige in der Linken, in das feindliche Lager zu schicken, um knieend den Feldherrn um Gnade für Eltern u. Stadt anzuflehen. Dieser sei auch dadurch so gerührt worden, daß er von N. wieder abgezogen sei. Zur Erinnerung daran wird jährlich das Schul- od. Kirschfest gefeiert; indeß schreibt sich der Ursprung dieses Festes wahrscheinlich von einem ähnlichen Ereignisse im Bruderkriege her. In neuerer Zeit hat dieses Fest sich zu einein Volksfeste gestaltet. Von mehren, 1211–1614 hier gehaltenen Fürstentagen ist berühmt der von 1448, wo ein Waffenstillstand im Bruderkriege geschlossen, u. 27. Jan. 1451, wo dieser Krieg durch einen Frieden geendigt wurde. Hier am 24. Febr. 1554 Vertrag (Naumburger Vertrag) zwischen dem entsetzten Johann Friedrich dem Großmüthigen nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft u. Kurfürst August, in welchem Ersterem einiges Land abgetreten wurde (s.u. Sachsen, Gesch.); 28. Apr. 1457 Schließung des Naumburger Erbvertrags zwischen Brandenburg, Hessen u. Sachsen (s. ebd.); 20. Jan. bis 8. Febr. 1561 Versammlung evangelischer Fürsten u. Stände (Naumburger Fürstentag), um die Augsburgische Confession von 1530 von Neuem zu unterschreiben, die Spaltungen in der Evangelischen Kirche zu beseitigen u. wegen des Tridentiner Concils gemeinschaftliche Beschlüsse zu fassen. Das Tridentinum wurde einhellig nicht anerkannt, Einheit im Glauben aber nicht erreicht. 29. Ang. 1631 wurde N. von Tilly u. 29. Octbr. 1632 von Gustav Adolf erobert; 1642 von den Schweden unter Königsmark vergebens belagert. N. litt von 1298–1798 39 bedeutende Feuerschäden; am 30. Novbr. 1833 flog der hiesige Pulverthurm auf. Vgl. K. P. Lepsius, Die Sage von den Hussiten vor N. u. der Ursprung des Naumburger Kirschfestes, Zeitz 1811; Gelbke, Der Naumburgische Fürstentag. Lpz. 1793. 3) N. am Queis, Stadt im Kreise Bunzlau des Regierungsbezirks Liegnitz der preußischen Provinz Schlesien, am Queis, sonst dem 1810 aufgehobenen Benedictinerkloster gehörig; Töpferei, Tuchweberei, Viehmärkte; 1700 Ew. Im Österreichischen Erbfolgekrieg 23. Novbr. 1743 hier Sieg der Preußen über die Österreicher; 4) N. am Bober, herzoglich Sagansche Stadt im Kreise Sagan des Regierungsbezirks Liegnitz der preußischen Provinz Schlesien, rechts am Bober, Christiansstadt gegenüber; Schloß, Hospital, Kupferhammer, Mineralquellen; 850 Ew. Dabei eine aufgehobene Augustinerpropstei; 5) Amt im Kreise Wolfhagen der kurhessischen Provinz Niederhessen; 2800 Ew.; 6) Amtssitz darin, Stadt an der Elbe (Nebenfluß der Eder); 1840 Ew.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 720-721.
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