Naumburg [2]

[467] Naumburg, 1) (N. an der Saale) Kreisstadt im preuß. Regvez. Merseburg, in schöner Lage an der Saale, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Bebra-Weißenfels, N.-Artern und N.-Teuchern, 108 m ü. M., besteht aus der eigentlichen Stadt und mehreren Vorstädten, hat 5 evangelische und eine kath. Kirche, darunter den Dom (1242 eingeweiht).

Wappen von Naumburg an der Saale.
Wappen von Naumburg an der Saale.

Das im Übergangsstil errichtete, jetzt restaurierte Gebäude hat 3 Schiffe, eine Krypte, 4 Türme (von denen der eine 1892–94 neu ausgeführt wurde), zahlreiche Denkmäler altdeutscher Kunst etc. (s. die Tafeln »Grabmäler«, Fig. 8, und »Bildhauerkunst VII«, Fig. 1). Bemerkenswert sind ferner die 1892–94 restaurierte Wenzels- und die Moritzkirche. An sonstigen hervorragenden Gebäuden, bez. Denkmälern sind zu nennen: das sogen. Schloß oder Residenzhaus und das Rathaus mit Verkaufsgewölben, das Kriegerdenkmal und Denkmäler für Jahn und Claudius. Die Zahl der Einwohner beträgt (1905) mit der Garnison (1 Bataillon Infanterie Nr. 96 und ein Feldartillerieregiment Nr. 55) 25,137 Seelen, davon 649 Katholiken und 35 Juden. Die Industrie besteht in Fabrikation von Kämmen, Elfenbein-, Strumpf- und Bürstenwaren, Spielwaren, Schaumwein, Essig, Leder, Spielkarten, Malz etc. und Bierbrauerei; nennenswert ist auch der dortige Weinbau. Den Handel, ansehnlich namentlich in Wein, unterstützt eine Reichsbanknebenstelle. Die früher berühmte Messe hat an Bedeutung sehr verloren. Dem Verkehr in der Stadt dient eine Dampfstraßenbahn. N. ist Sitz eines Oberlandesgerichts, eines Land- und Amtsgerichts, eines Domkapitels, eines Hauptsteueramts und einer Spezialkommission und hat ein Gymnasium, ein Reformrealgymnasium, eine Realschule, eine Kadettenanstalt (seit 1900), eine Rettungsanstalt etc. – Zum Oberlandesgerichtsbezirk N. gehören die 8 Land gerichte zu Erfurt, Halberstadt, Halle a. S., Magdeburg, N., Nordhausen, Stendal und Torgau, zum Landgerichtsbezirk N. die 15 Amtsgerichte zu: Eckartsberga, Freyburg a. U., Heldrungen, Hohenmölsen, Kölleda, Lützen, Mücheln, N., Nebra, Osterfeld, Querfurt, Teuchern, Weißenfels, Wiehe und Zeitz. Das bekannte, noch jährlich durch einen öffentlichen Auszug der Schuljugend gefeierte Hussiten- oder Kirschfest soll seine Entstehung der Belagerung der Stadt durch die Hussiten unter Prokopius (28. Juli 1432) verdanken, der sich durch eine Prozession der Kinder von N. zum Abzug bewegen ließ; doch ist die Tatsache nicht historisch und das Fest nur ein Brunnen- und Schulfest. N., im 10. Jahrh. den Markgrafen von Meißen gehörig, ward von diesen dem Stift Zeitz geschenkt unter der Bedingung, daß der bischöfliche Stuhl hierher verlegt werde; dies geschah 1029, nachdem Kaiser Konrad II. N. Marktrecht verliehen hatte. N. blieb im ganzen Mittelalter Bischofsstadt, aber war wie das ganze weltliche Gebiet des Bischofs stark von den ringsum herrschenden Wettinern abhängig, bis 1565 der Bischofsstaat Sachsen einverleibt wurde. Bedeutend war die von Nürnberger Händlern besuchte Peter-Paulsmesse, namentlich vom Ende des 14. bis in den Anfang des 17. Jahrh. Wiederholt haben hier Fürstentage stattgefunden und sind Verträge abgeschlossen worden: den Bruderkrieg beendete ein solcher 27. Jan. 1451; der Naumburger Schied vom 25. Juni 1486 brachte die Teilung der Wettinischen Lande zum Abschluß; 28. April 1457 wurde der Naumburger Erbvertrag zwischen Brandenburg, Schlesien und Sachsen und 24. Febr. 1554 ein Vertrag (Naumburger Vertrag) zwischen dem seiner Länder beraubten Johann Friedrich dem Großmütigen und dem Kurfürsten August geschlossen. Vom 20. Jan. bis 8. Febr 1561 erkannten hier evangelische Stände die Augsburgische Konfession von 1530 von neuem an. Am 29. Aug. 1631 wurde N. von Tilly, 8. Nov. 1632 von den Schweden erobert, 1642 aber von dem schwedischen General Königsmark vergeblich belagert. 1814 wurde N. preußisch. Vgl. Puttrich, N. an der Saale, sein Dom und andre altertümliche Bauwerke (Text von Lepsius, Leipz. 1841–43); Mitzschke. Naumburger Inschriften (Naumb. 1876–81, 6 Hefte); Schmarsow und E. v. Flottwell, Die Bildwerke des Naumburger Doms (Magdeb. 1892); Borkowsky, Geschichte der Stadt N. (Stuttg. 1897); E. Hoffmann, N. an der Saale im Zeitalter der Reformation (Leipz. 1900); Wispel, Entwickelungsgeschichte der Stadt N. an der Saale (Naumb. 1903); »Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen«, Heft 26: Kreis N.-Land, von Bergner (Halle 1905). – 2) Stadt im preuß. Regbez. Kassel, Kreis Wolfhagen, an der Elbe (links zur Eder) und der Klein bahn Kassel-N., 320 m ü. M., hat eine evangelische und eine kath. Kirche, Synagoge, Amtsgericht, Oberförsterei, Kalk-, Basalt- und Sandsteinbrüche, Ton gruben, Töpferei, Dampfsägemühlen und (1905) 1376 Einw., davon 421 Evangelische und 53 Juden. N. gehörte bis 1266 den Grafen von N. und war dann bis 1802 zwischen Kurmainz und Hessen streitig. – 3) (N. am Queis) Stadt im preuß. Regbez. Liegnitz, Kreis Bunzlau, am Queis und an der Staatsbahnlinie Löwenberg-Siegersdorf, hat eine neue evangelische und 2 kath. Kirchen, ein ehemaliges, 1217 vom Herzog Heinrich dem Bärtigen gestiftetes Magdalenerinnenkloster (jetzt evang. Predigerseminar), ein Amtsgericht, Töpferei, ein Elektrizitätswerk, ein großes Mühl- und ein Sägewerk, Glasurmühlen und (1905) 1954 Einw., davon 759 Evangelische N. war eine der an der »Hohen Landstraße« (s. d.) gelegenen Städte und wurde 1233 gegründet. Nahebei die Kaiser-Friedrichshöhe (Joachimsberg) mit Aussichtsturm. – 4) (N. am Bober) Stadt daselbst, Kreis Sagan, rechts am Bober, Christianstadt gegenüber, an der Staatsbahnlinie Sorau-Grünberg in Schlesien, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein Schloß, Töpferei, Filzsohlenfabrik, Mühlen, eine schwefelhaltige Mineralquelle mit Bad und (1905) 804 Einw, da von 91 Katholiken. N. erhielt 1293 deutsches Stadtrecht. Vgl. Heinrich, Geschichtliche Nachrichten über N. am Bober etc. (Sagan 1900).[467]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 467-468.
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