Ottingen [2]

[515] Ottingen, ein uraltes, bes. im Riesgau in Schwaben angesessenes Geschlecht, welches von Grajo dem Streitbaren im 10. Jahrh. abstammen soll u. bereits 934 Grafen genannt wurde. Von 1089 an kommt es häufig in Urkunden vor, u. 1250 verpfändete Kaiser Konrad IV. dem Grafen Ludwig mehre Städte, darunter Nördlingen u. Dinkelsbühl. 1273 theilten Ludwig VII. u. Konrad, die Söhne des Grafen Ludwig VI., ihre Lande, u. Ludwig VII. stiftete die Linie im Ries, Konrad die von Wassertrüdingen (im Eichstädtischen); letztere starb 1313 aus, u. die Besitzungen fielen an die ältere Linie zurück. Diese theilten nach dem Tode des Grafen Ludwig VII. dessen Söhne in die Friedrichsche (ältere) u. die Ludwigsche (jüngere) Linie. 1330 erhielten die Ö. die Belehnung mit Flochberg, 1333 mit Birkhausen u. 1354 mit Katzenstein u. Donstellingen. Zu Anfang des 14. Jahrh. erheirathete das Geschlecht einen Theil von Unterelsaß, welcher aber 1358 an das Hochstift Strasburg verkauft wurde (s. Elsaß, Gesch. B); 1398 erwarb es das Recht, Münzen zu schlagen. 1440 schlossen die Grafen einen Erbvertrag, nach welchem die Güter unzertrennt bei der Familie bleiben sollten; dieser Erbvertrag wurde durch nachfolgende Verträge näher bestimmt u. der letzte von 1522 gilt gegenwärtig als Hausgesetz. Der 1423 verstorbene Graf Friedrich III. ist der allgemeine Stammherr aller folgenden Glieder des Grafenhauses. Seine Söhne gründeten drei Linien: Johann die alte Wallersteinsche, welche mit seinem Sohne 1486 wieder ausstarb; Ulrich die Flochbergische, die mit seinem Enkel Martin 1549 ausstarb; Wilhelm die alte Öttingsche, welche allein Bestand hatte; Wilhelms Sohn, Graf Ludwig XV., welcher zur Zeit der Reformation lebte, dem Schmalkaldischen Bunde beitrat u. nebst seinem ältesten Sohne lutherisch wurde, ist der Stammvater zweier Linien: A) Ö.-Öttingen, welche von dessen erstem Sohn Ludwig XVI. gegründet wurde, der Lutherischen Confession folgte u. 1674 vom Kaiser Leopold in den Reichsfürstenstand erhoben wurde, ohne jedoch Sitz auf dem Reichstag zu erhalten, 1731 aber ausstarb, worauf ihre Güter an die jüngere Wallersteinsche Linie fielen; B) die Ö.-Wallersteinische, gestiftet durch den dritten Sohn Ludwigs XV., Friedrich, welcher katholisch blieb u. deshalb nach Zerstörung des Schmalkaldischen Bundes von Karl V., nebst seinem ebenfalls katholisch gebliebenen Bruder, Wolfgang (geb. 1629, wurde Reichshofrath, 1683 Reichshofrathspräsident, war 1699 k.k. Plenipotentiarius primarius auf dem Congreß zu Carlowitz, 1702–5 Großbotschafter bei der Pforte u. st. 1708), die Grafschaft erhielt. Er erbte später, als Ludwig XV. wieder eingesetzt war, die Hälfte der väterlichen Güter. Schon unter den Kindern seines Sohnes Wilhelm theilte sich 1602 seine Linie in drei Äste, von denen jetzt noch zwei blühen, deren Besitzungen s.u. Öttingen (Geogr) 1) a) Ö.-Öttingen od. Ö.-Spielberg, gestiftet von Wilhelms ältestem Sohn, Wilhelm dem Jüngern, wurde 1734 nach dem Recht der Erstgeburt u. 1765 mit Ausdehnung auf alle Nachkommen in den Fürstenstand erhoben. Jetziger Chef der Linie ist: 1) Fürst Otto, Sohn des 7. Mai 1855 verstorbenen Fürsten Aloys III., geb. den 14. Jan. 1815, folgte seinem Vater, in Folge dessen Cession, am 29. Sept. 1843; er ist Senior des fürstlichen Gesammthauses Ö., Kronobersthofmeister u. erbliches Mitglied der Reichsräthe des Königreichs Baiern u. Mitglied der Kammer der Standesherrn in Württemberg; vermählt seit 6. Nov. 1843 mit Georgine geb. Gräfin von Königsegg-Aulendorf (geb. 1. Aug. 1825); der Erbprinz Albrecht ist geb. 1847. b) Ö.-Wallerstein, gestiftet 1774 von Wolfgang, zweitem Sohn Wilhelms, u. in demselben Jahre in den Reichsfürstenstand erhoben, erbte 1798 die Besitzungen der erloschenen gräflichen Linie zu Ö.-Katzenstein-Baldern u. erhielt 1808 als Thronlehen das Obersthofmeisteramt des Königreichs Baiern. Berühmt aus ihr sind: 2) Fürst Ludwig, geb. 31. Jan. 1791 in Wallerstein, succedirte seinem Vater Kraft Ernst 1802 in der Herrschaft Ober- u. Unterwallbach u. Eberstall unter Vormundschaft seiner Mutter, der Fürstin Wilhelmine Friederike geb. Prinzessin von Württemberg; sein Fürstenthum wurde, da er sich weigerte, in französische Dienste zu treten, 1806 mediatisirt; 1807–10 studirte er in Landshut, namentlich[515] unter Savigny, wurde 1809 Kronobersthofmeister u. Reichsrath im Königreich Baiern, erhielt 1812 einen geheimen Auftrag nach Paris u. wurde 1813 General u. Commandant der Landwehren; 1815 begann er sein politisches Wirken auf dem württembergischen Landtage u. trug hier zur Vollendung der Verfassung wesentlich bei. Auf den baierischen Landtagen 1819–22 vertrat er die Nothwendigkeit des constitutionellen Princips, sprach aber so freimüthig über die Mängel des Beamtenwesens, daß die Regierung ihm sein Kronamt u. den Sitz in der Kammer entzog; 1823 vermählte er sich mit Crescentia Bourgin (geb. 1806, st. 1853), Tochter seines Garteninspectors, u. trat deshalb sein Fürstenthum an seinen jüngern Bruder Friedrich (s. unten 3) ab. Bei der Thronbesteigung des Königs Ludwig 1825 erhielt er seine Würde u. sein ständisches Amt zurück, wurde 1828 Regierungspräsident in Augsburg u. nach dem Landtage von 1831, wo er zwischen der reactionären Partei u. der Opposition eine vermittelnde Stellung behauptete, Minister des Innern. Da er auch als Minister seine Stellung zwischen den Parteien festhielt, so waren beide gegen ihn, u. er nahm 1838 seine Entlassung, trat auch aus dem Staatsrath u. behielt nur das Kronobersthofmeisteramt u. seinen Sitz im Reichsrath. Da er hier 1840 auf dem ständischen, Recht der freien Disposition über Kassenüberschüsse bestand, so kam er darüber mit dem Minister von Abel in der Kammer in Streit. (Vgl. Abel u. Wallerstein, Beiträge zur neuesten Geschichte baierischer Zustände, Stuttg. 1840). Ende 1843 u. Anfang 1844 besorgte er außerordentliche diplomatische Missionen in Bezug auf die Griechische Angelegenheit in Paris u. London; 1846–47 ging er wieder als außerordentlicher Gesandter nach Paris u. nahm dann an den Kammerverhandlungen als Vicepräsident bei den Reichsräthen wieder thätigen Antheil. Am 29. Novbr. 1847 wurde er Minister des Äußern, trat aber bereits am 11. März 1848 zurück (s. Baiern [Gesch.] X., S. 209), u. nahm wieder seinen Platz im Reichsrathe, machte aber hier so heftige Opposition gegen die Regierung, daß er sich bald ganz isolirt sah; deshalb gab er sein Amt als Kronobersthofmeister auf u. schied aus dem Reichsrath aus, worauf er in die zweite Kammer gewählt wurde, wo er in früherer Weise zu wirken fortfuhr. Er ist seit 1857 in zweiter Ehe vermählt mit Albertine geb. Gräfin von Larisch-Männich u. hat nur eine Tochter. 3) Fürst Friedrich, Bruder des Vor., geb. 16. Oct. 1793, succedirte dem Vorigen bei dessen Resignation 1823 u. st. 5. Novbr. 1842; er war vermählt seit 1827 mit Sophie, geb. Landgräfin von Fürstenberg (st. 1829), u. in zweiter Ehe seit 1830 mit Marie geb. Gräfin Trauttmansdorff. Jetziges Haupt ist 4) Fürst Friedrich, Sohn des Vor., geb. 16. Sept. 1840, folgte seinem Vater 1842 unter Vormundschaft u. wurde 20 Juni 1860 vom König von Württemberg für majorenn erklärt. c) Ö.-Baldern, deren Besitzungen (2 QM. mit 3500 Ew.) in den württembergischen Oberämtern Neresheim u. Ellwangen lagen, gestiftet von Ernst, Wilhelms drittem Sohn, u. 1798 ausgestorben. Aus ihr ist berühmt: 5) Graf Krato Anton Wilhelm, geb. 1684, bekannt durch seine Schatzgräbereien u. alchymistischen Versuche auf dem Schloß Katzenstein; er st. 1751. 6) Graf Franz, geb. 1710, studirte in Helmstedt Jurisprudenz, war zuletzt Dom- u. Capitularherr in Augsburg u. Ellwangen u. st. 1789 in Ellwangen; er war Kenner der Orientalischen Sprachen u. schr.: Epistola ad inclytos orbis eruditi philologos etc., Helmst. 1733; Commentatio in legem Mosaicam; Ephemerides philologicae in legendis et ponderaudis aevi remoti orientis codd. graecis, ebr., chald., syr., rabb., talmud. et arabicis, quae versavit intuente et admirante H. van der Hardt, ebd. 1734. Vgl. I. Rauchpar, Öttinger Geschlechtsbeschreibung, mit Anmerkungen von I. P. Lang, Nördl. 1771; Strelin, Genealogische Geschichte des Grafen von Ö., ebd. 1799; G. A. Michel, Ö-s Bibliothek, Ansb. 1758–68, 3 Thle; Dessen Beitrag zur Öttingenschen Geschichte, Ötting. 1772–79, 3 Thle.; I. P. Lang, Materialien zur Öttingenschen Geschichte, Wallerst. 1771–75, 5 Thle.; Ders., Historisch-heraldische Grundlinien des Öttinger Wappens, Wallerst. 1778;

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 515-516.
Lizenz:
Faksimiles:
515 | 516
Kategorien: