Kentucky

[838] Kentucky (spr. -töckĭ, abgekürzt Ky. oder Kent.), einer der nordamerikan. Unionsstaaten (s. Karte »Vereinigte Staaten«, östliches Blatt), zwischen 36°30'–39°6' nördl. Br. und 82°2'–89°40' westl. L., dem südlichen Teile des Ohiobeckens angehörig, mit 104,630 qkm Areal, wird von Missouri (im W.) durch den Mississippi, von Illinois, Indiana und Ohio (im O.) durch den Ohio, von West-Virginien (im O.) durch den Big Sandy River und von Virginien (im S.) durch den Kamm des Cumberlandgebirges getrennt, während seine Grenze gegen Tennessee (im S.) geradlinig und willkürlich verläuft. Nur ein kleiner Teil im äußersten Westen ist aus quartärem und tertiärem Schwemmboden gebildetes Niederland (bei Paucah 86 m ü. M.). Der mittlere Hauptteil ist Hügel- und Tafelland von 200–400 m Höhe, in das die Flüsse malerische Täler und Schluchten eingegraben haben, mit karbonischem und silurischem Kalk- und Sandstein als den vorherrschenden Felsarten und einem namhaften Anteil an dem großen »zentralen« Kohlenfeld der Union. Weit verbreitet sind hier wasserarme Tafellandflächen mit Kalksteinuntergrund, die mehr oder minder reichen Gräser- und Kräuterwuchs sowie verstreuten Buschwuchs tragen, und die teils als »Barrens« (s. Barren), teils von dem darauf vorherrschenden Blaugras (Poa pratensis) als Blaugrasgegenden bezeichnet werden. Die letztern sind die hervorragendsten Stätten der kentuckyschen Pferdezucht geworden. In großartigem Maßstab ist der Kalkstein in K. von Höhlen durchsetzt; im Gebiete des Green River hat man auf einer Fläche von 750 qkm nicht weniger als 500 Höhlenöffnungen gezählt, darunter die der riesigen Mammuthöhle (s. d.), der Colossal Cave, der Salt Cave u. a. Den Osten des Landes, etwa ein Fünftel vom Ganzen, durchziehen mehrere mauergleiche, gipfellose Rücken des Cumberlandgebirges (die Pine Mountains, Log Mountains, Kentucky Ridge), die etwa 900 m hoch sind, während der Big Black Mountain der Hauptkette 1170 m erreicht. Ihre karbonischen Schichten umschließen einen beträchtlichen Teil des großen appalachischen Kohlenfeldes (s. Appalachen) und sind zugleich reich an gutem Braun- und Roteisenstein. Die Kohlenfläche von K. mißt auf diese Weise über 40,000 qkm. – Mit natürlichen Schiffahrtsstraßen ist K. verhältnismäßig reich ausgestattet, da nicht bloß der Mississippi, Ohio, Tennessee und Cumberland, sondern durch Kanalisierung auch der Green River mit dem Barrens und Rough River (bis Bowling Green, 275 km weit), der Kentucky River (bis Little Hickman, 225 km) und der Big Sandy River (42 km) schiffbar sind. In den oberflächlichen Einsenkungen der Kalkregion finden sich flache, salzhaltige Sümpfe, sogen. Saltlicks, die ehedem von Hirschen, Elentieren und Büffeln besucht wurden und in der geologischen Vorzeit von Mastodonten, Megalonyx, Pferden etc., deren Knochen noch in der Umgegend gefunden werden; eins der merkwürdigsten ist das Große Knochenlick südwestlich von Cincinnati. Das Klima ist im allgemeinen gesund, mit heißen Sommern und feuchten, bisweilen für kurze Zeit empfindlich kalten Wintern. Rinder und Schafe können meist das ganze Jahr hindurch im Freien bleiben. Die mittlere Jahrestemperatur von Louisville beträgt 13,2°, die Julitemperatur 25,8°, die Januartemperatur 1,2°, die Niederschlagsmenge 1142 mm. Im Sommer sind schon 26tägige Hitzeperioden, die alle Tage 32° brachten, beobachtet worden, im Winter bis -28,6°. Heftige Gewitter sowie Tornados sind nicht selten. Die Bevölkerung zählte 1791, als K. zum Staat erhoben wurde, etwa 75,000,1800 aber bereits 220,955,1850: 982,405 und 1900: 2,147,174 Seelen (1,090,227 männliche, 1,056,947 weibliche). Die Zahl der Farbigen (284,706) macht 13,3 Proz. von der Gesamtbevölkerung aus. Indianer gab es nur 102. Im Auslande waren nur 50,249 geboren, in Deutschland 27,555. Die öffentlichen Schulen mit 9501 Lehrern wurden 1902 von 498,989 Kindern besucht, doch können 22 Proz. der über zehn Jahre alten Weißen und 70 Proz. der Schwarzen nicht schreiben. Die Negerkinder werden in besondern Schulen unterrichtet. An höhern Lehranstalten bestehen eine Staatsuniversität in Lexington (s. d.) und 10 andre Colleges, mit zusammen 317 Lehrern und 3441 Schülern. Es erscheinen 310 Zeitungen. Haupterwerbszweig ist die Landwirtschaft; 1900 zählte man 234,667 Farmen mit 8,8 Mill. Hektar, wovon 2 Mill. Hektar mit Getreide bestellt waren. Geerntet wurden von 1,3 Mill. Hektar 73,974,220 Bushels Mais, von 570,000 Hektar 14,264,500 Bushels Weizen, ferner Hafer, Roggen, Gerste, Buchweizen, Baumwolle (6,6 Mill. Pfd.), Hans. Besonders hervorragend ist der Tabakbau, der 1899 auf 154,000 Hektar 314,288,050 Pfd. im Werte von 18,5 Mill. Doll. ergab und betreffs dessen K. das erste Land der Erde ist. Auch Sorghummelasse und Wein werden gewonnen. Der Viehstand betrug 1900: 497,275 Pferde, 203,748 Maultiere und Esel, 1,119,739 Rinder, 1,900,832 Schafe und 2,008,989 Schweine. Der Bergbau förderte 1902: 6,4 Mill. Ton. Steinkohlen, dazu Eisenerz, Petroleum, Salz (aus den erwähnten Saltlicks und aus Sole). Die vorhandenen Lager von Bleiglanz, Salpeter und Baryt werden dagegen nicht ausgebeutet. Die Industrie erzeugte 1900 in 9560 Betrieben mit 62,962 Arbeitern Waren im Wert von 154,166,365 Doll. Am namhaftesten ist die Tabakverarbeitung (337 Betriebe, 6838 Arbeiter, 29,922,111 Doll.), Müllerei (1145 Betriebe, 1134 Arbeiter, 14,515,161 Doll.), Sägeholzindustrie (1280 Betriebe, 7945 Arbeiter, 13,774,911 Doll.), Brennerei (177 Betriebe, 1112 Arbeiter, 9,786,527 Doll.), demnächst Eisen- und Stahlbereitung, Maschinenbau, Ölkuchenfabrikation, Gerberei, Brauerei. Den Handel fördern Eisenbahnen (1892: 4965 km) und schiffbare Flüsse (1900 mit 86 Dampfern von 14,034 Ton.). Nach der Verfassung vom 11. Juni 1850 ist die exekutive Gewalt einem Gouverneur und einem Vizegouverneur übertragen, die alle vier Jahre vom Volke gewählt werden. Die gesetzgebende Gewalt besteht aus einem Senat und einem Haus der Repräsentanten. Die 38 Senatoren werden auf 4 Jahre gewählt, die 100 Repräsentanten auf 2 Jahre, die Richter auf 2–8 Jahre. In den Senat der Union entsendet K. 2, in das Repräsentantenhaus 11 Mitglieder, bei der Präsidentenwahl hat es 13 Stimmen. Eingeteilt wird K. in 119 Grafschaften; Hauptstadt ist Frankfort, das aber hinter Louisville, Covington, Newport, Lexington an Bedeutung zurück[838] tritt. Die Finanzen sind wohlgeordnet. Das steuerbare Eigentum wurde auf 667,056,375 Doll. geschätzt, die öffentliche Schuld auf 1,171,394 Doll.

Erst 1754 entdeckte man die Mündung des Flusses K., der dem Staate den Namen gab. Derselbe soll »blutiger Fluß« bedeuten. Andre deuten ihn (Käntuck-ee) als »Land des grünen Rohrs«, nach einer schilfartigen Pflanze (Arundinaria macrosperma), die ungeheure Strecken des Bodens bedeckte. Durch einen indischen Händler, John Finlay, auf die Fruchtbarkeit jener Gegend aufmerksam gemacht, unternahm 1769 Oberst Boon eine Erforschung derselben und ließ sich 1775 mit noch fünf andern Familien im heutigen K. nieder. Sie erbauten an dem Ufer des Flusses das Fort Boonsborough, und sahen die Niederlassung von Jahr zu Jahr wachsen. 1777 bildete sie bereits einen eignen Kanton und 1782 einen Distrikt Virginias. 1786 löste K. den Verband mit Virginia, die Trennung ward 1790 vom Kongreß anerkannt und 1792 K. als eigner Staat in die Union aufgenommen. Die eingebornen Indianer wurden von 1778–1830 größtenteils verdrängt, den Zurückgebliebenen kaufte man ihre Ländereien ab. Während des amerikanischen Bürgerkrieges blieb K. der Union treu. Doch wurde es zeitweise von den Konföderierten besetzt, und die Bevölkerung war sowohl gegen die Aufhebung der Sklaverei als besonders gegen die Erteilung des Stimmrechts an die Neger. Der sogen. Kuklux-Clan (s. d.) trieb namentlich in K. sein Unwesen. Vgl. Connelly, Story of K. (Boston 1889); Kinkead, History of K. (New York 1896).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 838-839.
Lizenz:
Faksimiles:
838 | 839
Kategorien: