Lepsĭus

[431] Lepsĭus, 1) Karl Richard, einer der ausgezeichnetsten Ägyptologen, geb. 23. Dez. 1810 in Naumburg, gest. 10. Juli 1884 in Berlin, Sohn des Geschichtsforschers Karl Peter L. (geb. 1775, gest. 1853), studierte in Leipzig, Göttingen und Berlin Philologie und vergleichende Sprachkunde, promovierte 1833 mit der Schrift »De tabulis Eugubinis« und setzte hierauf seine Studien in Paris fort, wo seine Schrift »Paläographie als Mittel für die Sprachforschung« (Berl. 1834; 2. Ausg., Leipz. 1842) von der Akademie den Volneyschen Preis erhielt. 1835 begab sich L. nach Italien. In Rom schrieb er seine berühmte »Lettre à Mr. Rosellini sur l'alphabet hiéroglyphique« (1837), worin er eine wissenschaftliche Theorie der Hieroglyphenschrift aufstellte. Er lieferte sodann die ersten zuverlässigen Ausgaben umfangreicherer altägyptischer Texte, wie: »Auswahl der wichtigsten Urkunden des ägyptischen Altertums« (Leipz. 1842, in 23 Tafeln) und das »Totenbuch der Ägypter nach dem hieroglyphischen Papyrus in Turin« (das. 1842), das den ersten vollständigen Text dieses religiösen Buches enthielt, der von L. durch eine spätere Publikation: »Älteste Texte des Totenbuchs nach Sarkophagen des altägyptischen Reichs im Berliner Museum« (Berl. 1867), noch ergänzt wurde. Daneben benutzte L. seinen Aufenthalt in Italien zu Forschungen über die etruskische und oskische Sprache, deren Überreste er in den »Inscriptiones umbricae et oscae« mit einem erläuternden Kommentar (Leipz. 1841) herausgab. 1842–45 unternahm er auf Kosten Friedrich Wilhelms IV. von Preußen eine große Expedition nach Ägypten und Nubien, die den glücklichsten Erfolg hatte. Nach seiner Rückkehr wurde er zum ordentlichen Professor in Berlin ernannt, 1850 zum Mitgliede der Akademie der Wissenschaften erwählt. Er wirkte auch bei der Einrichtung und Ausschmückung des Ägyptischen Museums in Berlin mit, zu dessen Mitdirektor er 1855 und Direktor 1865 ernannt wurde. Von dem großen, auf königliche Kosten herausgegebenen Prachtwerk »Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien« erschienen 12 Bände größten Formats mit 963 Tafeln (Berl. 1849 bis 1860). Nach historischen Gesichtspunkten geordnet, bildet dies Werk die Grundlage der ägyptischen Altertums- und Sprachkunde. Der dazugehörige Text wurde erst nach seinem Tode von Kurt Sethe bearbeitet und herausgegeben (Bd. 1–4 und Ergänzungsband, Leipz. 1897–1904). Zur wissenschaftlichen Behandlung der ägyptischen Geschichte lieferte L. in seiner »Chronologie der Ägypter« (Berl. 1849, Bd. 1) und dem »Königsbuch der alten Ägypter« (das. 1858) wichtige Beiträge. Für weitere Kreise gab er die »Briefe aus Ägypten, Äthiopien und der Halbinsel des Sinai« (Berl. 1852) heraus. Weitere ägyptologische Einzelforschungen legte L. in zahlreichen akademischen Abhandlungen nieder. Daneben hat er sprachvergleichende Untersuchungen angestellt und besonders auch die Ausstellung und Einführung eines allgemeinen linguistischen Alphabets angestrebt. In der 2. Auflage des zuerst 1855 von ihm herausgegebenen »Standard Alphabet for reducing unwritten languages and foreign graphic systems to a uniform orthography in European letters« (Lond. 1863) hat er die Umschrift von 120 Sprachen versucht. Seit 1864 Herausgeber der von Brugsch gegründeten »Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde«, die er zu einem internationalen Organ der Wissenschaft erhoben hat, unternahm L. im Frühling 1866 eine zweite Reise nach Ägypten und fand in den Ruinen von San im Delta (Tanis) eine sehr wichtige Inschrift (s. Hieroglyphen, S. 315), die er veröffentlichte: »Das bilingue Dekret von Kanopus« (Berl. 1867). Weiter lieferte L. eine »Nubische Grammatik mit einer Einleitung über die Völker und Sprachen Afrikas« (Berl. 1880), zu der er das Material während der von ihm geführten wissenschaftlichen Expedition gesammelt hatte. Als Professor an der Berliner Universität, als Direktor der ägyptischen Abteilung der königlichen Museen, als Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften und zahlreicher gelehrter Gesellschaften hatte L. eine sehr ausgedehnte[431] Wirksamkeit. 1873 wurde er zum Oberbibliothekar der königlichen Bibliothek in Berlin, 1883 zum Geheimen Oberregierungsrat ernannt. Vgl. Dümichen, Zur Erinnerung an R. L. (Straßb. 1884); Dillmann, Gedächtnisrede auf R. L. (Berl. 1885); Ebers, Richard L., ein Lebensbild (Leipz. 1885).

2) Richard, Geolog, Sohn des vorigen, geb. 19. Sept. 1851 in Berlin, studierte seit 1870 in Genf, Göttingen, Straßburg und Berlin, habilitierte sich 1876 als Privatdozent für Geologie und Paläontologie in Heidelberg und wurde 1876 Professor an der Technischen Hochschule in Darmstadt und Direktor der großherzoglich hessischen Geologischen Landesanstalt. Er machte 1883, 1887 und 1889 Studienreisen in Griechenland und Kleinasien und erbohrte 1900 den neuen Sprudel in Bad Nauheim. Er schrieb: »Das westliche Südtirol, geologisch dargestellt« (Berl. 1878); »Das Mainzer Becken« (Darmst. 1883); »Geologie von Attika« (Berl. 1893); »Geologie von Deutschland«: Bd. 1: Das westliche und südliche Deutschland (Stuttg. 1887–92); Bd. 2: Das östliche und nördliche Deutschland (1. Lief., Leipz. 1903). Auch lieferte er eine »Geologische Karte des Deutschen Reiches«, 1: 500,000 (Gotha 1894–97,27 Blätter).

3) Johannes, evang. Theolog, Bruder des vorigen, geb. 15. Dez. 1858 in Berlin, studierte in München, Greifswald und Berlin, war 1884–86 Hilfsprediger der deutschen Gemeinde in Jerusalem, 1887 bis 1897 Pastor zu Friesdorf im Harz, seitdem in Berlin. L. gehört zu den Wortführern derjenigen kirchlichen Theologen, welche die moderne wissenschaftliche Theologie als ungläubig ablehnen und mit der »Gemeinschaftsbewegung« (s. d.) Fühlung halten. Für die christlichen Armenier ist er wiederholt mit Wort und Tat eingetreten (vgl. seine Schrift »Armenien und Europa, eine Anklageschrift«, 3. Aufl., Berl. 1897; auch engl. 1896 u. franz. 1897). Außer zahlreichen Abhandlungen veröffentlichte er: »Beiträge zur Erkenntnis der dramatischen Kunst« (Münch. 1880, 2 Bde.), »Joh. Heinrich Lambert. Darstellung seiner kosmologischen und philosophischen Leistungen« (München 1881) und begründete die Monatsschriften: »Der christliche Orient« (Berl. 1898 ff.) und »Das Reich Christi« (das. 1900 ff.). Als Sonderdrucke aus der letztern erschienen: »Das Kreuz Christi« (2. Aufl., Münch. 1903); »Macht und Sittlichkeit im nationalen Leben« (das. 1902); »Die Auferstehungsberichte« (das. 1902); »Adolf Harnacks Wesen des Christentums« (2. Aufl., das. 1903). Ihnen folgte: »Ex oriente lux«, Jahrbuch der Orientmission (Berl. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 431-432.
Lizenz:
Faksimiles:
431 | 432
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika